Im Juni 2011 wäre er 40 geworden. Vor 15 Jahren starb der US-Rapper und Schauspieler Tupac Amaru Shakur mit 25 einen gewaltsamen Tod durch ein Attentat in Las Vegas. Sein Mörder wurde bis heute nicht überführt. Shakur, ein komplexer Charakter, ist als “James Dean des Rap” (Chuck D) in die Geschichte eingegangen. Multi-Platinalben und mehrfache Schussverletzungen. Rampenlicht und Gerichtstermine. Politischer Aktivismus und das Leben als “Outlaw” warfen Licht und Schatten auf sein Leben. Sein Ruhm hängt eng damit zusammen, dass Tupac das “Gangsta”-Ethos nicht nur in seinen Raps propagierte, sondern lebte, absolut furchtlos. Er hatte den familiären Hintergrund eines Guerilleros.
Geboren 1971 in New York, zeigte sich früh das künstlerische Talent Shakurs. Als Kind spielte er bei einer Theatergruppe mit, bevor er sich mit 13 in die Baltimore School of Arts einschrieb. Dann zog die Familie an die Westküste. Dort bekam Tupac mit der Rap-Gruppe Digital Underground einen Fuß in die Tür der Rap-Industrie. Mit seinem zweiten Soloalbum “Strictly 4 My N.I.G.G.A.Z.” und den Singles “I Get Around” und “Keep Ya Head Up” begann die Karriere abzuheben, unterstützt von seiner Arbeit als Schauspieler: 1993 in “Poetic Justice” an der Seite von Janet Jackson, gefolgt 1994 vom Basketball-Drama “Above The Rim”.
Einer gesellschaftlichen (und dann auch politischen-, auf Bundesebene stattfindenden) Debatte Mitte der 90er über den angeblich vom Gangsta-Rap verursachten moralischen Verfall Amerikas (US-Vizepräsident Dan Quayle wollte Tupac damals einen Maulkorb anlegen) fiel beinahe sein als Bandprojekt angelegtes Album “Thug Life, Vol. 1” zum Opfer. Fans munkeln, dass es noch haufenweise Alternate-Tracks des von Warren G und Nate Dogg co-produzierten Oeuvres gibt.
Tupacs drittes Studioalbum “Me Against The World” (1995) markiert den Punkt, an dem er zur legendären Figur abhebt. “Me Against The World” ist sicher das Album, das ihm diesen unglaublichen Respekt in der Hip Hop-Welt eingebracht hat. Kurz davor hatte er in New York dem Tod ins Auge geschaut, einen Mordanschlag knapp überlebt. Im Anschluß musste der Rapper eine längere Haftstrafe antreten. Im Gefängnis las er Machiavelli und hatte Zeit zum Nachdenken. Abgeklärt, soulig klingen Tracks wie “So Many Tears”, “Lord Knows” und “Death Around The Corner” finden sich auf dem Album. Die Unschuld der Kindheit vermisst er in “Young Niggaz” und “Old School”. Hinter der nihilistischen Brille spürt man eine große Sehnsucht. Auch wenn der Nachfolger “All Eyez On Me”, Tupacs “Party-Album” mit den Singles “California Love” und “How Do You Want It” wesentlich erfolgreicher wurde, gilt “Me Against The World” bei Fans als Tupacs bester Longplayer.
Den Schock, den Rockfans beim Attentat auf John Lennon empfanden oder Soulfans, als Marvin Gaye von seinem eigenen Vater erschossen wurde, bekam die Hip Hop-Generation am 7. September 1996 zu spüren, als “Pac”, nachdem er sich einen Boxkampf von Mike Tyson gegen Bruce Seldon in Las Vegas angesehen hatte, in den Kugelhagel geriet, an dessen Folgen er sechs Tage später, am 13. September starb. Waren es Mitglieder der Crips-Straßengang gewesen? Ostküsten-Killer, angeheuert von seinen Erzrivalen Sean “Puffy” Combs" und Biggie Smalls (der sechs Monate später in einem vermeintlichen Racheakt erschossen wurde)? Standen gar alte Geschäftspartner, etwa Jimmy “Henchman” Rosemond dahinter? Rosemond soll den ersten Anschlag auf Tupac 1994 in Manhattan, in Auftrag gegeben haben, wie der Täter, ein gewisser Dexter Isaac, erst kürzlich im Juni 2011 gestand.
Shakur ist mehr als der Archetyp der Gangsta-Rap-Bewegung: er ist ein Poet – seinen Song “Dear Mama” (aus “Me Against The World”) nahm die altehrwürdige Library of Congress 2010 in ihr Register auf. Sein kurzes Leben, seine kurze Karriere überschatten Widersprüche, ungeklärte Fragen, Tragödie und Gewalt. Shakur durchleuchtete alles mit einer überdimensionalen Fähigkeit Menschen zu begeistern und in seinen Bann zu ziehen. Auch wenn er seine Songtexte lebte, lag sein eigentliches Talent vielleicht doch in der Schauspielerei, in der Performance.
Im Bewusstsein seiner Fans lebt Tupac derart weiter, dass viele sich weigern, überhaupt an seinen Tod zu glauben. Das Netz ist voller Verschwörungstheorien. Tupac war ungemein produktiv und einige seiner besten Songs befinden sich im Nachlass. 5 von 8 Nummer−1-Singles landete der Rapstar posthum in den USA. Sein zweites posthum veröffentlichtes Album “R U Still Down? (Remember Me)” hat vierfachen Platinstatus in den USA. “Meisterhaft produziert. Melodiöser, gereifter Hip Hop der alten funkigen Schule: groovig ohne abgenudelt zu sein, soulig ohne schmalzig zu werden”, schrieb bei Veröffentlichung “Spiegel Online”.
Die Karrieren seiner Nachfolger: Eminem, 50 Cent, mit ihren eigenen Outlaw-Legenden, kann man sich ohne Tupac nur schwer vorstellen. Oder die von Lil Wayne, dem einzigen Rapper neben Tupac, der ein Nr.−1-Album in den US-Charts hatte, während er eine Haftstrafe im Gefängnis absaß (2010 “I Am Not A Human Being”). “Tupac gab dir das Gefühl, du kennst ihn”, sagt Eminem über ihn. “Ich glaube Tupac war der größte Songwriter, der je gelebt hat. Er ließ es alles so einfach aussehen. Die Emotion war da, das Feeling, alles, was er da beschreiben wollte, du siehst es klar vor dir.” Tupacs rastloser romantischer Geist lebt 40 Jahre nach seiner Geburt und 15 Jahre nach seinem Tod weiter.