Man nennt sie die große Blonde mit der schwarzen Seele.
Auf zwei Studioalben und einer Handvoll EPs hat Anna Ternheim die “hohe Kunst des traurigen Popsongs” perfektioniert, schreibt Christoph Dallach auf Spiegel-Online. Im Heimatland Schweden ist sie längst ein Star, gewinnt sie regelmäßig Grammys, doch darum geht´s ihr gar nicht. Letztes Jahr packte die Stockholmerin die Koffer und zog um nach New York. Ihr zu Hause angefangenes drittes Album “Leaving On A Mayday” nahm sie mit und brachte es im New Yorker Sears-Studio zu Ende, begleitet von US-Rockern wie Steve Shelley, dem Schlagzeuger von Sonic Youth, oder Matt Sweeney, dem Hausgitarristen von Über-Americana-Produzent Rick Rubin. “Leaving On A Mayday” sei ein “Übergangsalbum”, sagt Ternheim. Auf dem Cover sieht man sie warten, im Schneegestöber, das lässt Schlimmes über Schweden im Mai vermuten. Wie viel von New York im neuen Album steckt, will die Sängerin und Songschreiberin nicht sagen. “Keine Ahnung, was die Stadt bisher mit mir gemacht hat”, kommentiert sie. Vieles anders machte ihr neuer Produzent Björn Yttling. Vor zwei Jahren war Yttlings Trio Peter, Björn & John in aller Ohren mit dem Song “Young Folks”, den The Kooks und sogar Nena coverten. “Ich glaube, richtig gute Sachen entstehen im Studio, wenn du nicht weißt, was da gleich passiert”, beschreibt Ternheim die Zusammenarbeit. Mit ihrem bisherigen|Produzenten Andreas Dahlbäck sei sie an den Punkt gekommen, an dem jeder schon wusste, was der andere gleich sagen würde. “Und da war klar, wir brauchten eine Pause.” Yttling riet Ternheim dazu, beim Schreiben ihrer neuen Songs die Musik von Nina Simone, Bob Marley und dem holländisch-schwedischen Singer-Songwriter Cornelis Vreeswijk zu hören. “Natürlich ging es dabei nicht darum, diese Musiker zu kopieren, sondern darum, beim Schreiben in eine bestimmte Stimmung zu kommen, die eigenen Sachen aus einer anderen Perspektive wahrzunehmen”, sagt Ternheim. “Was diese Musiker miteinander verbindet ist, dass man ihnen glaubt, was sie singen.” Eine Qualität, die man ihr getrost auch zuschreibt. Die Moll-Akkorde, die melancholischen Gedanken ihrer Songs hat Yttling mit luftigen Beats und Bollwood´esken Streichern instrumentiert, was “Leaving On A Mayday” eine Wärme und Aufbruchstimmung verleiht. So kannte man das von Anna Ternheim noch nicht. Man stellt sie sich als Ingrid Bergman−2.0 mit Gitarre vor, in einem Roadmovie á la “Darjeeling Limited” von Wes Anderson. Überraschendes und erfrischendes I-Tüpfelchen sind ihre fünf Reinterpretationen von Frank Sinatra-Songs, zu hören auf der Bonus-CD der limitierten Erstauflage des neuen Albums. Gänzlich unbeeindruckt zeigt sich Ternheim dort von den übermächtigen Originalen – am Ende der einzige Weg, einen Song wie “New York, New York” heute noch einmal aufzunehmen. Produzent der Sinatra-Remakes war dann übrigens doch wieder Dahlbäck – die Chemie stimmt wohl noch. Weiteres Highlight der Erstauflage ist eine Serie einzelner Fotos zum Herausnehmen, gemacht von der schwedischen Künstlerin Helena Blomqvist, deren dunkle Farben und surreale Settings die musikalischen Visionen Ternheims stimmig illustrieren.