Wo es Musik gibt, gibt es Affären. Was früher ein Sündenfall war, ist längst zum Stoff für Bestseller geworden: Zwischen den Musikgenres wird heftig geflirtet. „Seitensprung“, das neue Album von Claudia Jung, ist musikalisches Fremdgehen der leidenschaftlichen und aufrichtigen Art. Die Schlagersängerin schenkt sich selbst und ihren vielen Fans ein Déjà-vu, eine moderne musikalische Zeitreise, die bis in ihre Jugendjahre zurückreicht. Auf dem Album macht sie sich Lieder bekannter Interpreten und Komponisten zu eigen, die ihr eigentlich nicht gehören. Aber hätten Evergreens ohne kontinuierliche Neuinterpretationen ihre Prädikate überhaupt verdient? Nur Songs, die Menschen über viele Generationen hinweg bewegen, besitzen die Formel für Unsterblichkeit. Und nur Interpreten, die eben jenen großen Songs frische, neue Farben verleihen, besitzen die Klasse für fesselnd inszeniertes „Fremdgehen“. Auf „Seitensprung“ werden Hits aus fremden Federn zu mitreißenden Claudia Jung-Songs.
Sie lässt ihren „Seitensprung“ mit den wohl schönsten Emotionen fühlbar werden. „Du sagst es ohne ein Wort“, das Country-Liebhaber im „When You Say Nothing At All“-Original von Keith Whitley und Pop-Fans von Boyzone kennen, darf als romantische Folk-Ballade neu empfunden werden. Jüngeren Datums ist „Nicht nur eine Nacht“. „Fly On The Wings Of Love“, das Original, sicherte den Olsen Brothers den Grand Prix-Sieg im Jahr 2000 in Schweden. Unter der Regie von Claudia Jung wird der Hit als spannungsvoller Discofox zu neuem Leben erweckt. Erinnert sich noch jemand an „Just When I Needed You Most“, den Riesenhit von Randy VanWarmer im Herbst 1979? Selten dürfte das Wiederentdecken dieser Songperle für so viel Gänsehaut-Gefühl gesorgt haben wie in der akustischen Claudia Jung-Version „Lass unsre Liebe nicht los“. Grönemeyers Markenzeichen-Hit „Männer“ ist als extrem tanzbarer Latino-ChaCha mitsamt Mariachi-Trompeten und einer zusätzlichen Portion Augenzwinkern gleichzeitig smarter und ironischer. Ganz großes Herzkino schafft Claudia Jung mit ihrer eindringlich-schönen Version des Oscar-prämierten Evergreens „Moonriver“ aus dem Filmklassiker „Frühstück bei Tifanny“. Dem großen Elvis ist mit „Was kann mein Herz dafür“, der deutschen Version von „Can’t Help Falling In Love“, pünktlich zum 80. Geburtstag des „King“ ein ganz besonders liebevoller „Seitensprung“ gewidmet.
Claudia Jung interpretiert die Cover-Songs mit dem Erfahrungsschatz ihrer langjährigen Karriere, aber gleichzeitig schwingt auch ein geradezu jugendlicher Drang nach Leben mit. Wie schafft sie das mit 50? Ihre Antwort bringt die Essenz des neuen Albums auf den Punkt. „Musik ist mein Leben, meine Leidenschaft. Ich genieße hier und da Affären mit Songs, weil sie dazu da sind, von verschiedenen Sängern unterschiedlich interpretiert zu werden. Songs lassen sich nicht in Schubladen zwängen, sie fordern Freiheit, jenseits von engen Genre-Grenzen. Man kann zu ihnen tanzen, man darf ganz tief fühlen und sich fallenlassen.“ Und man wird die Stimme von Claudia Jung in all ihrem Facettenreichtum auf ihrem „Seitensprung“ neu lieben lernen. Eine schöne Affäre!