Christian Thielemann im Interview mit Christoph Engel über seine musikalischen Erfahrungen in der Kindheit und die Aufnahmen seines Kinderklassik Albums:
CE: Einen halben Tag haben Sie im “kleinen Hörsaal” zugebracht, wie war es mit den jungen Musikfans?
Christian Thielemann: Ich finde faszinierend, wie tief greifende Gedanken sie sich gemacht haben, wie viel sie in die Musik hinein interpretieren. Ich bin sehr überrascht und ganz erfreut.
CE: Ihre Erwartung war also eine ganz andere?
Christian Thielemann: Ich hatte schon gedacht, wahrscheinlich hat man Kinder ausgewählt, die sich sehr viel Gedanken gemacht haben, aber die haben Stimmungen wiedergegeben, von denen ich gedacht habe, Neun- bis Dreizehnjährige würden die noch gar nicht so aufnehmen.
CE: Wie und wann sind Sie als Kind an die klassische Musik herangeführt worden?
Christian Thielemann: Musik war bei uns allgegenwärtig, ich wurde da eigentlich gar nicht herangeführt, sie war einfach da. Musik zu hören, Musik zu machen, das war als wenn Sie ein Butterbrot essen.
CE: Aller Pubertät zum Trotz?!
Christian Thielemann: Nein, also komischerweise, da war ich schon zu tief drin in der ganzen
Geschichte. Ich hab ja sehr früh mit der Musik angefangen. Mit Zwölf, Dreizehn habe ich mich dann wie diese Kinder heute mit diesen Dingen befasst.
CE: Wie sehen Sie die Problematik der Schulbildung, der Musikbildung einerseits und Phänomenen wie “Deutschland sucht den Superstar” andererseits? Was würden sie auch empfehlen, wie man mit Kinder da umgeht?
Christian Thielemann: Genauso, wie wir das heute gemacht haben. Mir ist heute wieder klar geworden, wie wichtig es ist, die Kinder zu animieren, sich wirklich ungehemmt Gedanken zu machen, im besten, im spielerischen Sinne. Das unverkrampfte Herangehen ist wichtig, ohne dass man dabei sagt, “Oh, das könnte zu schwierig sein”. Das funktioniert nur, wenn Eltern ihre Kinder ungezwungen mit der Musik aufwachsen lassen. Das Schlimmste ist es, frühzeitig ein Kind in eine Opernaufführung zu drängen, in die es nicht will. Gut, mal müssen die auch einen kleinen freundschaftlichen Schubs kriegen. Also da muss man einfach gut auswählen.
CE: Wenn ein Kind wie der dreizehnjährige Moritz Dirigent werden möchte, was würden Sie ihm für einen Tipp geben?
Christian Thielemann: Gut Klavier spielen, das ist das A und O. Damit kommt er ans Theater … und es führt kein Weg dran vorbei, die klassische Kapellmeisterkarriere zu machen, die nun mal als Korrepetitor und Theaterkapellmeister beginnt. Also: Lerne gut Klavierspielen und interessiere dich mal für die Oper und für die Klavierauszüge. Ich habe mir mit 14, 15 die “Rosenkavalier”-Klavierauszüge angeschaut und gedacht, “um Gotteswillen, wie kann man das denn überhaupt spielen!”