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Große Polen

24.01.2007
An Adam Harasiewicz scheiden sich die Geister. Für die einen ist der polnische Pianist ein kurz aufflackernder Stern am Klavierhimmel, der bald wieder erlosch. Für die anderen hingegen bleibt er bis heute ein Chopin-Exeget von betörender Luzidität. In jedem Fall gehören seine Aufnahmen, die während der sechziger Jahre für die Philips entstanden, zu den Beispielen einer sympathetischen Interpretationskunst, die das musikalische Schaffen seines Landsmanns mit herausragender intellektueller und emotionaler Durchdringung präsentierten.
Schon deshalb lohnt es sich, aus der Perspektive der Gegenwart, die vom juvenilen Akademismus bis zur ausgeprägten historischen Rezeptionsästhetik zahlreiche fortführende Darstellungsformen entwickelt hat, einen großen Emphatiker wie Adam Harasienwisz in Erinnerung zu rufen. Aus Anlass seines 75.Geburtstages im Juli 2007 hat die Decca daher ihre Archive geöffnet und veröffentlicht die Aufnahmen des Chopin-Klavierwerkes in einer preiswerten Box im Rahmen der Reihe eloquence wieder. Ein Fest, nicht nur für Fans.

Adam Harasiewicz musikalisches Interesse richtete sich nahezu ausschließlich auf das Oeuvre von Frédéric Chopin. Geboren in einer wenig erfreulichen Zeit, die bestimmt war von Krieg und Verbrechen, hielt er für sich selbst die Fahne der Kunst hoch und konzentrierte sich so intensiv wie möglich auf das Klavier. Und auch da hatte er nicht immer Glück. Als er im Jahr 1949 als Siebzehnjähriger sich zum ersten Mal bei Chopin-Wettbewerb in Warschau der Konkurrenz stellte, landete er auf einem der hinteren Plätze und musste sich eingestehen, dass er noch nicht reif genug für eine internationale Karriere war. Doch Harasiewicz gab nicht auf, sondern intensivierte seine Studien, bis 1950 zunächst bei Kasimierz Mirski und daraufhin bei Zbigniew Drzewiecki an der Hochschule für Musik in Krakau. Die Mühe lohnte sich, denn bei der folgenden Runde des Chopin-Wettbewerbs 1955 konnte er die Jury für sich entscheiden, und das noch vor so versierten Jungkollegen wie Vladimir Ashkenazy und Bernhard Ringeissen. Zu diesem Zeitpunkt wurden auch die Talent-Scouts der Philips Classics auf den Newcomer aufmerksam und boten ihm einen Schallplattenvertrag an. Harasiewicz sagte zu, wollte allerdings nicht gleich ins Studio gehen, sondern seine interpretatorischen Fähigkeiten weiter als Schüler von Arturo Benedetti Michelangeli perfektionieren. Das Label sah das Potential, ließ dem jungen Mann Zeit, seine Kunst zu sublimieren, und begann erst 1958, sich gemeinsam mit dem Künstler der Einspielung des Chopin- Klavierwerkes zu widmen, ein Projekt, das daraufhin über mehr als ein Jahrzehnt hinweg zahlreiche wichtige Aufnahmen hervorbrachte.

Für Adam Harasiewicz war Chopin mehr als nur ein genialischer Komponist der polnisch-französischen Salon-Romantik. Seine Interpretationen fußten auf der Fähigkeit des Mitempfindens musikalischer Zusammenhänge und schafften es daher, mit verblüffender Präzision den emotionalen Kern der ausgewählten Werke herauszuarbeiten. Sein Chopin war zwar auch heroisch wie bei Kollege Horowitz, er konnte feinsinnig sensibel wirken wie bei Ashkenazy oder auch zielstrebig präsent wie bei Rubinstein. Über all dem jedoch schwebte das latente Mit- und Gegeneinander von Euphorie und Tragik, letztlich also das Manische der Kompositionen, das etwa die Polonaisen oder Scherzi so einzigartig macht. Dazu kam eine ungewöhnlich perlende Geläufigkeit in den Etüden, das klar ausbalancierte Pathos etwa in den Etüden und Impromptus, die somnambule Entrücktheit der Nocturnes, der melancholische Frohsinn der Walzer oder auch die brillante Emphase der Sonaten. Für die Klavierkonzerte hatte Harasiewicz die Wiener Philharmoniker an seiner Seite, die sich unter der Leitung von Heinrich Hollreiser souverän der nachdrücklichen Interpretation des Solisten anschlossen. So ist die Limitierte Chopin-Edition der eloquence-Reihe, die neben den bekannte Einspielungen auch einige bislang unveröffentlichte Raritäten aus dem Archiv präsentiert, eine großartige Zusammenstellung, die auf 10 CDs zum erschwinglichen Preis ein musikalisches und gestalterisches Spektrum präsentiert, das einen Genius des 19.Jahrhunderts auf einen seiner herausragenden Exegeten treffen lässt.

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