„Long Walk“ – einen langen Marsch nahm der 20jährige Johann Sebastian Bach 1705 auf sich: Fast 400 Kilometer ging er zu Fuß von Arnstadt nach Lübeck, um dem berühmten Dietrich Buxtehude bei seinem Orgelspiel zuzuhören. Aus der für einige Wochen geplanten Reise wurde ein dreimonatiger Studienaufenthalt, Buxtehude wurde Bachs Lehrer.
Francesco Tristano stellt Buxtehudes wichtigstes Klavierwerk ins Zentrum seines neuen Albums: Die Aria „La capricciosa“. Der Aufenthalt bei Buxtehude beeinflusste Bachs musikalisches Schaffen nachhaltig. Das belegt im Besonderen eines seiner berühmtesten Spätwerke, die „Goldberg-Variationen“. Wie „La capricciosa“ in G-Dur geschrieben, sind beide Stücke in ihrer Form identisch und weisen zahlreiche musikalische Parallelen auf.
1974 wurde in Bachs persönlichem Manuskript der „Goldberg-Variationen“ eine Appendix gefunden, 14 Kanons über die ersten acht Basstöne der „Aria“, heute bekannt als BWV 1087. Diese raffinierten Miniaturen hat Francesco Tristano in seiner Komposition „Long Walk“ kombiniert, „remixed“ sozusagen, und somit die spielerische Dimension von Bachs gelehrter Kontrapunktik erschlossen.
Tristano übersetzt auf „Long Walk“ die Musik des Barock ins Jetzt.