Dass ein junger Musiker und Komponist gleichzeitig sowohl in der Clubszene als auch in klassischen Konzerthäusern für Aufregung sorgt, dürfte weltweit ein Novum sein. Ebenso neu ist es, dass Puristen aus dem Klassik- und dem Techno-Lager sich einig sind. Einig in ihrer Irritation über jemanden, der sich nicht an die Regeln hält. Francesco Tristano ist Irritation gewohnt. Wenn er mit seinem Trio Aufgang im Club Techno nach Noten spielt, dann ist das Publikum zunächst verunsichert. Irritiert sein mag auch der erfahrene Konzertbesucher und Klassikliebhaber, der zum ersten Mal erlebt, wie ein Pianist eine Eigenkomposition in ein Stück von Frescobaldi übergehen lässt. So als wäre er ein DJ.Die Unerschrockenheit, mit der der 29jährige Francesco Tristano Epochen und Stilistiken kombiniert und mitunter auch kollidieren lässt, mag auf Unverständnis stoßen. Wobei der gebürtige Luxemburger kein Provokateur im eigentlichen Sinn ist. Alles, was er tut, ist Ausdruck einer Offenheit, die keine Grenzen, keine Einengung duldet. Von Generationen klassischer Pianisten geprägte interpretatorische Konventionen – Tristano weiß um sie, aber er ignoriert sie. Sein künstlerisches Selbstverständnis fragt nicht nach Legitimierung. Wenn er etwa mit seinem dynamischen Spiel gefühlvoll in eigentlich strenger Barockmusik schwelgt, dann ist er radikal. Radikalität aber ist bei ihm kein Selbstzweck.Francesco Tristano beginnt im Alter von fünf Jahren Klavier zu spielen. Mit 13 gibt er sein erstes Konzert mit eigenen Kompositionen. Später spielt er Tourneen als Solist oder mit hochkarätigen Orchestern, etwa dem Russischen Nationalorchester, dem Französischen Nationalorchester Lille oder dem Luxemburger Philharmonieorchester. Tristano gründet das Kammerensemble The New Bach Players, mit dem er auch als Dirigent auftritt. Mit dem Einsatz eines Steinway-Flügels und alter, vibratoloser Bögen auf modernen Streichinstrumenten bricht diese Formation bewusst mit den Konventionen der historischen Aufführungspraxis. An der Juilliard School in New York absolviert Tristano als einer der letzten Studenten eine Masterclass bei der Bach-Legende Rosalyn Tureck. Er durchläuft die Konservatorien in Brüssel, Riga, Paris und Luxemburg, sowie die Musikhochschule Kataloniens. 2004 gewinnt er den renommierten internationalen Pianistenpreis für zeitgenössische Musik im französischen Orléans. Bislang hat er elf Alben veröffentlicht, darunter von der Kritik hoch gelobte und mit diversen Auszeichnungen bedachte Einspielungen von Bachs Goldberg-Variationen sowie des pianistischen Gesamtwerks Luciano Berios. 2007 erscheint das Album Not for Piano, auf dem er mittels stilistischer Anleihen bei Klassik und Minimal Music eigene Versionen von Techno-Klassikern für Piano solo präsentiert. Aktuell kooperiert Tristano unter anderem mit Carl Craig, einem der Protagonisten der Detroit Techno Szene in zweiter Generation.