Loriot | News | Liebeserklärung an einen Humoristen

Loriot 425x
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Liebeserklärung an einen Humoristen

29.08.2011
Erinnerungen in Gegenwartsform
Ich lasse mir doch von meinem kaputten Fernseher nicht vorschreiben, wann ich ins Bett zu gehen habe. Dieser illustre Satz stammt von einem der größten deutschen Komiker: von Vicco von Bülow alias Loriot. Am 23.08. ist er im Alter von 87 Jahren in Ammerland am Starnberger See gestorben. Damit verlieren die Deutschen ihren Meister der Beobachtung, den König des sinnigen und feinen Humors, ihren größten Gesellschaftsparodisten.
Bülow – 1923 in Brandenburg geboren – entwindet sich den starren Armen des Nachkriegsdeutschlands und schafft Charaktere, die mit ihren Attitüden und widersinnigen Konventionen als Spiegel der Gesellschaft dienen. Er spielt mit dem Mittel der Höflichkeit, an das sich seine Figuren klammern und das ihnen im Ringen um Haltung beisteht. Besonders der Akademiker ist dabei oft Teil seiner Parodien. Man erinnere sich an Herrn Klöbner, der sich mitsamt Doktortitel und einem fremden Mann die Badewanne teilt oder an Herrn Doktor Sommer, der in seinem Forscherdrang einem Hund das Sprechen lehrt. Die Situationen sind skurril, die Reaktionen seiner Figuren – menschlich.
Als Perfektionist steckt hinter von Bülows gekonnter Situationskomik und seiner lakonischen Sprechweise viel Detailverliebtheit und noch mehr Disziplin. Das Ergebnis ist ein Humor, der auf kluger Beobachtung fußt, der das Handeln unserer Mitmenschen und uns selbst parodiert – ohne sie und uns zu beleidigen. Er stellt sich in seinen Sketchen nie auf ein Podest oder witzelt von oben herab, um vorzuführen. Gequasselt wird dabei nicht, jedes Wort sitzt an der richtigen Stelle und trägt große Verantwortung für das Gelingen der Pointe. Vielleicht sind das die wesentlichen Unterschiede zwischen Loriot, dem Humoristen, und den Comedians, die nach ihm kamen. Für seine Arbeit wird er vielfach ausgezeichnet, beispielsweise mit dem Goldenen Löwen, dem Ehrenpreis der Deutschen Filmakademie und dem Bundesverdienstkreuz.
Noch bevor er die Bühnen und das Fernsehen erobert, ist von Bülow als Zeichner erfolgreich. Für das Politmagazin Stern arbeitet der studierte Maler und Grafiker bereits ab 1957 als Karikaturist. Die Knollennasenmännchen werden das Markenzeichen seiner Cartoons. Gespielt oder gezeichnet, seine Figuren befinden sich stets in Alltagssituationen, denen von Bülow wie kein anderer die Komik entlockt. Ganze Sentenzen erschafft er, die unverkennbar seinem Witz entwachsen:
Ja wo laufen sie denn, fragt der verwirrte Herr auf der Rennbahn; Früher war mehr Lametta, bringt der Opa seinen Verdruss am Weihnachtsabend zum Ausdruck und Sagen Sie jetzt nichts, fordert der steife Anzugträger seine Herzensdame auf, während eine Nudel sein Gesicht schmückt. Geflügelte Worte hat er der Republik hinterlassen und geflügelt ist auch sein Namensgeber. Das Familienwappen der adeligen von Bülows ziert ein Vogel, ein Pirol, ins Französische übersetzt heißt der Loriot.
In seiner Kollegin Evelyn Hamann – die im Jahr 2007 an Krebs verstirbt – findet er ein kongeniales weibliches Pendant. Ab 1976 begleitet sie ihn drei Jahre lang als Spielpartnerin durch die Sketch-Reihe Loriot. Hinzu kommen die Spielfilme Ödipussi und Pappa ante Portas, in denen sie die weibliche Hauptrolle übernimmt. Nach dem Tode Hamanns richtet von Bülow seine ganz eigenen Abschiedsworte an seine langjährige Spielgenossin: Liebe Evelyn. Dein Timing war immer perfekt. Nur heute hast du die Reihenfolge nicht eingehalten. Na warte!“ So charmant und treffsicher kann das nur er formulieren.
Und wer übernimmt jetzt seinen Abschiedssatz? Vielleicht ist das gar nicht nötig. Denn vielleicht es so, wie Dieter Hildebrandt sagt, dass wir noch 50 oder gar 100 Jahre über von Bülow lachen werden. Dann ist es nur ein Abschied bis zum nächsten Sketch. Und die gekonnten Schlusssätze und Pointen überlassen wir einfach weiterhin dem, der es ohnehin am Besten kann: Loriot.  
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