Maria Joao Pires | News | Booklettext: Maria João Pires - Chopin Piano Concertos Nos. 1 & 2 - 18.2.2022 (VÖ Vinyl) (DE/EN)

Maria Joao Pires
Maria Joao Pires

Booklettext: Maria João Pires – Chopin Piano Concertos Nos. 1 & 2 – 18.2.2022 (VÖ Vinyl) (DE/EN)

17.01.2022
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PIRES SPIELT DIE CHOPIN-KONZERTE
Maria João Pires beschäftigt sich schon ihr Leben lang mit Chopins OEuvre. Sie geht mit verfeinerter Anschlagskultur und großem Einfühlungsvermögen an seine Musik heran – um nur zwei der vielen Qualitäten zu nennen, denen sie in diesem Repertoire ihren ausgezeichneten Ruf verdankt. Als sie 2010 bei einem spätabendlichen BBC Promenade Concert in der Londoner Royal Albert Hall ausschließlich Chopin-Nocturnes spielte, bestätigten die zauberhafte Atmosphäre und die begeisterten Kritiken einmal mehr ihren Status als eine der beliebtesten Chopin-Pianistinnen unserer Zeit.
Pires’ Karriere verlief nie in konventionellen Bahnen. In Interviews hat sie immer wieder darauf hingewiesen, dass sie niemals unbedingt in der Öffentlichkeit stehen wollte, und dass sie auf die Möglichkeit, ihre Karriere noch weiter auszubauen, lieber verzichtete. Mittlerweile fördert sie schon seit vielen Jahren den Bau von Schulen für benachteiligte Kinder in Portugal und Brasilien, und ihr großes humanitäres Engagement findet ebenso große Beachtung wie ihre musikalische Arbeit. Als der Vorsitzende des Internationalen Musikrates ihr 2002 den IMC-UNESCOMusikpreis verlieh, erklärte er: »Für Maria João Pires ist Musik nichts Elitäres. Sie hat Musik nie als etwas Persönliches oder Privates betrachtet, sondern als Ausdruck gesellschaftlichen Verhaltens, ähnlich einem Dialog, der sich aus unterschiedlichen Provenienzen und Epochen ergibt.«
Pires, 1944 in Lissabon geboren, war ein Wunderkind. Ihr erstes Konzert gab sie mit fünf Jahren; mit sieben spielte sie Mozart-Klavierkonzerte und mit neun gewann sie den höchsten portugiesischen Musikpreis für Kinder und Jugendliche. Die prägenden Erfahrungen, die sie zum Klavierspiel führten, hatten ihren Ursprung jenseits von Musik. Sie war das jüngste von vier Kindern, und ihr Vater starb wenige Wochen vor ihrer Geburt. In einem Interview, das ich vor einigen Jahren für das Magazin Pianist mit ihr führte, erinnerte sie sich: »Als ich noch klein war, hatte ich das Bedürfnis, mich irgendwie auszudrücken … Ich spürte all die negative Energie, die aus dem Umstand erwuchs, dass mein Vater nicht da war. Bei uns zu Hause stand ein Klavier, und ich spielte oft stundenlang den gleichen Ton und probierte verschiedene Klangfarben aus. Das war mir mein Leben lang wichtig – welcher Klang sich auf dem Klavier produzieren lässt und wie man ihn verändern kann.« Die enorme Klangfarbenpalette, über die sie verfügt, ist noch immer grundlegend für ihr Klavierspiel.
Pires studierte zuerst in Lissabon, dann in München und Hannover, bevor sie 1970 in Brüssel den zu Beethovens 200. Geburtstag ausgelobten Klavierwettbewerb gewann. Seit 1989 steht sie bei der Deutschen Grammophon unter Vertrag, und ihre Aufnahmen sind international vielfach ausgezeichnet worden. Ferner erhielt Pires den Premio Internacional de Música Don Juan de Borbón in Segovia für »ihre Qualitäten als Künstlerin und als Mensch« und den Pessoa-Preis für ihre Verdienste um die Kunst.
Manchen Pianisten gilt ein romantisches Konzert als Kräftemessen oder als Auseinandersetzung zwischen Individuum und Kollektiv. Nichts liegt Pires’ Auffassung der beiden Chopin-Konzerte ferner als das. Beide Stücke sind Frühwerke, wobei das offiziell zweite Konzert vor dem ersten entstand (Chopin schrieb Nr. 2 mit nur 19 Jahren und Nr. 1 kurz darauf, im Jahre 1830), und beide sind durchdrungen von der Leidenschaft des jungen Komponisten für seine polnische Heimat und den italienischen bel canto.
Als Chopin in Warschau studierte, besuchte er regelmäßig Aufführungen italienischer Opern und war nach eigener Aussage glühend verliebt in die junge Sopranistin Konstancja Gładkowska. Der zweite Satz des Konzerts Nr. 2 enthält eine quasi-rezitativische Episode, in der das Klavier fast wie eine Gesangsstimme eingesetzt wird, die vor dem tremolando-Hintergrund der Streicher einen dramatischen Monolog vorträgt. Oft fügt Chopin das Soloinstrument auch in den Orchestersatz ein wie ein Juwel in ein elegantes Schmuckstück: Die von den Streichern erzeugte Aura dient dem schimmernden Klavierton als Folie. Dann wieder duettiert das Klavier ganz kammermusikalisch mit den Bläsern. Diese Konzerte basieren eher auf einem Zusammenwirken als auf einem Konflikt: Teamarbeit und Feingefühl haben oberste Priorität.
All dies entspricht ganz und gar Pires’ kollegialem, selbstlosem Musizierstil. In diesen Aufnahmen ist ihr feinfühliger Anschlag unverkennbar; darüber hinaus ist ihr Wechselspiel mit Dirigent und Orchester geprägt durch schnelles Reagieren, dialoghaften Austausch und eine fein austarierte Balance zwischen Soloinstrument und Ensemble. Poesie und Gefühlstiefe sprechen ebenso aus ihrem Spiel wie die Identifikation mit Chopins Mischung aus Leichtigkeit und Intensität, Ausdruckswillen und Introvertiertheit, die ihr im Blut zu liegen scheint.
Jessica Duchen
 
 
PIRES PLAYS THE CHOPIN CONCERTOS
Maria João Pires has enjoyed a lifelong association with the music of Chopin. The refinement of her touch and the sense of empathy she brings to his works are among the many qualities that have built her enviable reputation in this repertoire. When she gave a late-night BBC Promenade Concert devoted to the composer’s Nocturnes at the Royal Albert Hall, London, in 2010, the rapt atmosphere and rave reviews only confirmed her status as one of the best-loved Chopin pianists of our time.
Pires’s path has never been conventional. In interviews she has often said that she never especially wished to be in the public eye and that, while her career could have been bigger, she preferred it not to be. Over the years she has turned her attention to founding schools for underprivileged children in Portugal and Brazil, and her personal qualities as a great humanitarian have received notable recognition along with her musicianship. In 2002, awarding her the IMC-UNESCO International Music Prize, the president of the International Music Council declared: “For Maria João Pires, art is not something elitist. She has never regarded music as a personal and individual matter, but rather as a community behaviour, forging a dialogue from different origins and epochs.”
Born in Lisbon in 1944, Pires was a child prodigy, giving her first concert before she was five years old. She was performing Mozart concertos by the age of seven and won Portugal’s top prize for young musicians aged nine. The formative experiences that first led her to the piano went beyond music. She was the youngest of four children and their father died weeks before she was born. In an interview that she gave me for Pianist magazine a few years ago, she recalled: “In my early years I had the need to express myself through something … I was feeling all this negative energy from the fact that my father wasn’t there. We had a piano at home and I used to play one note for hours, trying out different sounds. That has stayed something important throughout my life – the sound you can produce with the piano and the way it can be changed.” The kaleidoscope of colours she is able to evoke remains a vital component of her artistry.
Pires went on to study in Lisbon, Munich and Hanover before winning the Beethoven Bicentennial Competition in Brussels in 1970. She has recorded for Deutsche Grammophon since 1989 and her albums have garnered an array of international awards. Over the years Pires herself has been the recipient of the Don Juan de Borbón International Music Prize in Segovia for “her qualities both as an artist and as a human being” and the Pessoa Prize for services to the arts.
For some pianists, a Romantic-era concerto represents a trial of strength, or the pitting of the individual against society. Nothing could be further from Pires’s concept of the two Chopin concertos. Both are early works – the official “second” concerto predating the first (No. 2 was written when Chopin was only 19 and No. 1 soon afterwards, in 1830) – and the music is steeped in the youthful composer’s passions both for the folk music of his native Poland and for Italian bel canto.
Chopin heard Italian opera frequently as a student in Warsaw and declared himself infatuated with a young soprano, Konstancja Gładkowska. The second movement of the Concerto No. 2 features a recitative-like episode in which the piano functions almost like a singer, declaiming a dramatic monologue against a background of tremolando strings. Frequently, too, Chopin places the soloist in the orchestral texture like a gem in an elegant piece of jewellery: the aura created by the strings sets off the piano’s gleaming tone. At other moments the soloist duets with the wind instruments in true chamber-music fashion. These are concertos of collaboration rather than combat, in which teamwork and delicacy are of primary importance.
All of this suits Pires’s selfless, collegial type of music-making to perfection. In these performances there is no mistaking her sensitivity of touch at the keyboard, but in addition her interaction with both conductor and orchestra is characterized by quick responses, a sense of conversational exchange and the careful balance of sound between solo instrument and larger ensemble. Chopin’s poetry and depth of emotion shine out of her playing, together with an innate identification with the composer’s mingled poise and intensity, expressiveness and introversion.
Jessica Duchen 
 

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