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Exiles
Max Richter stellt sein neues, rein orchestrales Album bei Deutsche Grammophon vor
Es erscheint am 6. August 2021
»… die Kraft, einem Tränen in die Augen zu treiben, hört man es in der richtigen Umgebung«
David Bowie
Max Richter, produktiv und wegweisend in seinen Arbeiten, stellt die Weltersteinspielung seines 33-minütigen Werks Exiles vor. Auf dem Album sind außerdem neu interpretierte Werke, die einst zu hören waren in seinem von Virginia Woolf inspirierten Ballett, auf einer Platte, die David Bowie liebte, in Hollywood-Blockbustern, Golden Globe ausgezeichneten Dokumentarfilmen und auf Fendi-Laufstegen.
Exiles nahm seinen Anfang vor zehn Jahren, mit der Hoffnung, die der Arabische Frühling brachte. Erschüttert von der Not von Millionen, die bis heute fern der Heimat Zuflucht suchen, wurde die Arbeit des renommierten europäischen Komponisten und Aktivisten zu einer langen musikalischen Auseinandersetzung mit der Tragödie der »Migrantenkrise«. Sein Mitgefühl übersetzte er in ein Stück für das Nederlands Dans Theater, die Ballettpartitur Exiles, die aus einem Gespräch mit den Hauschoreografen des niederländischen Theaters, Sol León und Paul Lightfoot, entstand.
»Das Komponieren ist für mich eine Möglichkeit, über die Dinge zu sprechen, die mich berühren«, sagt Richter. »Als ich von Paul und Sol gebeten wurde, ein neues Ballett für sie zu schreiben, dachte ich sofort über das Thema nach; worum sollte es in einem Werk gehen, das 2017 in Europa entsteht? Mit Blick auf unsere heutige Gesellschaft entschied ich, eine Arbeit über ein universelles Thema zu machen, über das Unterwegssein … Viele von uns haben das Glück, dass wir selbst entscheiden können, wohin wir gehen. Bei einer wachsenden Zahl von Menschen ist das anders, sie können nicht wählen: den Ort zu wechseln ist eine Notwendigkeit, damit überhaupt Zukunft entstehen kann.«
Die Weltersteinspielung von Richters halbstündiger Komposition krönt sein neuestes Album für Deutsche Grammophon. Exiles, auf dem auch neue Orchesterfassungen einiger seiner bekanntesten früheren Werke zu hören sind, erscheint am 6. August 2021. Ende 2019 spielte Richter das Album in Tallinn mit dem Baltic Sea Philharmonic unter der Leitung von Kristjan Järvi ein. Das Orchester steht für eine Gemeinschaft, die Grenzen überwindet und Innovation fördert.
Richter erklärt: »Das Baltic Sea Philharmonic ist ein wirklich interessantes Orchester, es setzt sich zusammen aus jungen Spielern aus Ländern rund um die Ostsee, was natürlich ehemalige westeuropäische Länder und ehemalige osteuropäische Länder einschließt. Im Grunde ist es ein soziales Projekt, ›friedensstiftend‹ in seiner Rolle, die Menschen können auf kreative Weise miteinander reden. Ich fand es schön, wenn gerade diese Musik von einem solchen Orchester gespielt wird.«
Drei der neu orchestrierten Stücke sind – wie Exiles auch – »aktivistische Musik«, wie Richter sie nennt. On the Nature of Daylight entstand 2003. Seine vielleicht berühmteste Komposition erschien zuerst auf The Blue Notebooks, einer musikalischen Verarbeitung des Ausbruchs des Irak-Kriegs. On the Nature of Daylight hat Künstler aller Disziplinen inspiriert. Es war zu hören in Filmen und Fernsehserien wie Arrival, Report der Magd und Shutter Island. Immer war für Richter der richtige Kontext entscheidend, um die Musikrechte zu vergeben.
»On the Nature of Daylight war ursprünglich ein Werk für fünf Streicher«, sagt Richter, »jetzt sind es über 65. Es hat also eine andere Textur, eine andere Energie, einen neuen klanglichen Fingerabdruck. Die Orchesterfassung zieht ein anderes emotionales Register, sie spielt quasi auf einer größeren Leinwand. Bei einem Quintett hat man den Eindruck, als würde es leise nur zu einem sprechen, bei dem Orchester ist es ein viel weiträumiger Dialog.«
The Haunted Ocean ist ein hypnotisches Werk aus der Filmmusik zu Waltz with Bashir (2008), einem animierten Dokumentarfilm über die Erfahrungen des Autors und Regisseurs Ari Folman als Soldat im Libanon-Krieg 1982. Und Infra 5, ursprünglich ebenfalls für fünf Streicher, ist eine mantragleiche Meditation über die Londoner Terroranschläge im Juli 2005. Sunlight aus Songs from Before aus dem Jahr 2006 (einem Lieblingsalbum von David Bowie) bedeutet Richter viel, der sehnsuchtsvolle Charakter des Stücks erklingt nun in einer neuen Orchesterfassung.
Exiles beginnt mit dem bisher unveröffentlichten Flowers of Herself von Woolf Works. Anfang des Jahres untermalte es in Paris unter anderem den Auftritt von Kate Moss und Demi Moore auf der Haute Couture Week von Fendi. Inspiriert von dem Porträt eines geschäftigen Londons in Mrs. Dalloway dreht sich in der rhythmisch komplexen Komposition alles um das Thema der ständigen Bewegung, das Stück ist ein Spiegelbild zum Titelwerk, gemeinsam sind sie wie Licht und Schatten. Exiles selbst zeichnet sich durch ein repetitives melodisches Motiv aus: »Es ist eine sehr einfache Idee«, sagt Richter, »aber ich wollte diesen Begriff des Exils, des Gehens, der Bewegung, sowohl im technischen als auch im metaphorischen Sinn in den Mittelpunkt der Musik stellen.« Seine Partitur evoziert den Weg durch eine Klanglandschaft aus subtilen Texturen und Farben, die im Lauf ihrer Entfaltung an Intensität und Energie gewinnt, bevor sie in einer leisen Coda endet. Richter nennt die Coda ein »Nachbild«. Und er will sie als Warnung verstanden wissen. Denn mit dem Erreichen eines Ziels ist der Flüchtende noch nicht angekommen. »Exiles schließt mit einer Frage«, sagt Richter. »›Was wäre, wenn …?‹ Diese Frage ist noch lange nicht geklärt.«
Kunst um der Kunst willen ist Richters Sache nicht. »Musik hat eine eigene Stimme in der Kultur«, erklärt er. »Sie ist Teil des Gesprächs darüber, wie wir leben sollten. Das ist es, was Kreativität ausmacht. Wenn man etwas macht, versucht man, einer Frage nachzugehen oder einen Aspekt unserer Welt zu betrachten und zu kommentieren oder zum Nachdenken und zur Diskussion anzuregen. Wie Nina Simone sagte: Es ist die Pflicht jedes Künstlers, ›die Zeit zu reflektieren‹.«
Eben das hat der Komponist im Laufe seiner Karriere getan, indem er Botschaften sendet, die nachdenklich stimmen, in Musik von Tiefe und Schönheit. Und er war erfolgreich darin. Das jüngste Werk Voices (2020) etwa, inspiriert von der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und verwirklicht mit Richters langjähriger künstlerischer Partnerin Yulia Mahr, wurde von einem Rezensenten nicht nur für »seinen samtenen Glanz, die post-Glass’schen kreisenden Phrasen und den himmlischen Gesang« gepriesen, sondern auch als »Forum für politisches Handeln, um Gefühle der Einheit, Toleranz und des Mitgefühls in die Welt zu bringen« (PopMatters).
Mahr ist die Künstlerin des Coverbildes von Exiles, des Gemäldes »Maman, 1950« (Yulia Mahr, 2017). Ein Druck der Arbeit liegt der limitierten Clear-Vinyl-Edition des Albums bei. Exiles erscheint außerdem digital, auf CD und auf schwarzem 180g-Vinyl. Drei e-Singles kommen vorab heraus: ein kurzer Edit von Exiles (18. Juni), Sunlight (9. Juli) und Infra 5 (23. Juli).
MAX RICHTER: EXILES
New orchestral album on Deutsche Grammophon, released August 6th 2021
“…the power to produce tears when listened to in the right setting”
David Bowie
Prolific and pioneering composer Max Richter is set to release his 33-minute work Exiles on a brand new album of the same name on Deutsche Grammophon on August 6th. The title piece features alongside expansive reimaginings of tracks composed by Richter for a Virginia Woolf-inspired ballet, Fendi fashion runways, Hollywood blockbusters, Golden Globe-winning documentaries, and a record loved by David Bowie.
Profoundly moved by the tragedy of the migrant crisis, Richter chose to channel his compassion into a piece for Nederlands Dans Theater. His ballet score Exiles grew from a conversation with the Dutch company’s resident choreographers Sol León and Paul Lightfoot.
“Composing is a way to talk about the things I care about, so when Paul and Sol asked me to write a new ballet for them I immediately began to think about subject matter; what exactly should a new work made in Europe in 2017 talk about?” recalls Richter. “Reflecting on contemporary society, I decided to make a work on the universal subject of journeys … Many of us are lucky enough to be able to influence where we are going, but for an increasing number there are very few choices: the physical journey is a necessity in order for the journey forward through time to continue at all.”
The world premiere recording of Richter’s composition is central to his latest album, EXILES. Also comprising brand-new orchestral versions of some of his best-known earlier works, the album was recorded in Tallinn in 2019 by Kristjan Järvi and the Baltic Sea Philharmonic, an orchestra that prides itself on fostering cross-border unity and artistic innovation.
Richter said, “The Baltic Sea Philharmonic is a really interesting orchestra, it’s of young players from all the nations around the Baltic Sea so that obviously includes former Western European countries, former Eastern European countries, so it’s a little bit of a social project. It has this ‘peacemaking’ function, people being able to talk to each other in a creative way. It struck me that it would be nice to have that orchestra play music that matched that theme.”
Three of the newly orchestrated tracks are, like Exiles, what Richter refers to as “activist music”. On the Nature of Daylight, arguably his most famous composition, began life in 2003 as part of his second album, The Blue Notebooks, a heartfelt and emotional response to the outbreak of the Iraq War. On the Nature of Daylight has inspired artists of many different disciplines and Richter has endorsed its use in select films and TV shows including Arrival, The Handmaid’s Tale and Shutter Island.
These recordings offer new trips through existing material with large orchestral versions of chamber music, and some smaller formation recordings. Max Richter said, “On the Nature of Daylight was originally five strings and now it’s over 65 strings so it has a different texture, a different energy, a different kind of sonic fingerprint. The orchestral version is a different emotional register, it’s a bigger canvas. In the quintet you really feel that someone is speaking quietly just to you, but with the orchestra it’s a broader dialogue.”
The Haunted Ocean is a hypnotic work from the soundtrack score to Waltz with Bashir (2008), which deals with writer and director Ari Folman’s traumatic recollections of his military service during the 1982 Lebanon War; and Infra 5, originally for five strings, is a mantra-like meditation on the July 2005 terrorist bombings in London. Sunlight, meanwhile, is one of Richter’s favourite works, from his 2006 album Songs from Before (one of David Bowie’s favourite albums), and its yearning quality sings out in the new orchestral version.
EXILES opens with the previously unreleased Flowers of Herself from Woolf Works (the critically-acclaimed Virginia Woolf-inspired ballet), which was heard earlier this year soundtracking the likes of Kate Moss and Demi Moore at Fendi’s S/S21 couture show in Paris. Inspired by the portrait of a bustling London at the start of Mrs Dalloway, this rhythmically complex piece is all about constant movement and acts as an effective mirror to the title work – the light to its shade. Exiles itself is notable for its repeated melodic motif, “It’s a very simple idea,” explains Richter, “but I wanted to put this notion of exile, of walking, of movement, into the heart of the music in a technical sense as well as metaphorical.” His score evokes a journey through a soundscape of subtle textures and tonal colours, growing in intensity and gaining momentum as it unfolds, before concluding with a quiet coda. As he notes, “Exiles ends on a question: ‘What if…?’ That question is far from settled.”
Art for art’s sake is not for Richter. Music, he says, plays an intrinsic role in culture. “It’s part of the conversation about how we should live. That’s what creativity is. When you make something, you’re trying to explore a question, or look at some aspect of our world and comment on it, or elicit thinking or debate. It’s like Nina Simone said: ‘An artist’s duty … is to reflect the times.’”
The composer has done just that throughout his career, conveying thought-provoking messages in music of depth and beauty, and garnering praise for both aspects. The recent Voices (2020), for example, a work inspired by the Universal Declaration of Human Rights and co-created with Richter’s long-term artistic partner Yulia Mahr, was hailed by one reviewer not only for “its velvety shimmer, post-Glassian circling phrases, and paradisal vocals”, but also for employing music “as a forum for activism, spreading sentiments of unity, tolerance and compassion” (PopMatters).
Mahr is the artist behind the poignant EXILES cover image created from her painting “Maman, 1950” (Yulia Mahr, 2017), a print of which is included with the limited clear-vinyl edition of the album, which will also be available digitally, on CD and on 180g black vinyl. Three e-singles are set to prepare the way for its release: a short edit of Exiles (June 18th), Sunlight (July 9th) and Infra 5 (July 23rd).