Zum Tod von Ron Miles: ein stilistisch vielseitiger Kornettist
11.03.2022
Mit “Rainbow Sign”, seinem Debütalbum für Blue Note Records, hatte der Kornettist und Komponist Ron Miles im Oktober 2020 gerade erst ein neues aufregendes Kapitel in seiner Karriere aufgeschlagen. Die JazzTimes lobte in einer Rezension des Albums die “spirituelle Kraft” seiner Musik, während DownBeat es als “ein zutiefst berührendes Album” und “bei weitem Miles' beeindruckendstes Werk als Bandleader” bezeichnete.
Zugleich war es auch Rons persönlichstes Album gewesen, da er auf ihm seinem 2018 verstorbenen Vater Tribut gezollt hatte. Jetzt erhielten wir von seinem Manager Hans Wendl die traurige Mitteilung, dass auch Ron Miles, der seit längerem an einer seltenen Blutkrankheit litt, vorgestern Abend in seinem Haus in Denver, Colorado, überraschend verstorben ist.
“Ron war ein so begnadeter Künstler”, meint Blue-Note-Präsident Don Was. "Er war ein liebenswerter, gefühlvoller Mann, dessen Charakter sich in jeder exquisiten Note, die er spielte, widerspiegelte. Wir sind untröstlich, ihn so früh zu verlieren, aber er wird durch die Musik, die er uns hinterlassen hat, für immer weiterleben."
Ron Miles wurde am 9. Mai 1963 in Indianapolis, Indiana, geboren und zog, als er elf Jahre alt war, mit seiner Familie nach Denver. Dort begann er bald darauf Trompete zu spielen und setzte sich sowohl mit klassischer Musik als auch Jazz auseinander. Nach Abschluss der Schule studierte er an der University of Denver zuerst Elektrotechnik, wechselte dann aber an die University of Colorado Boulder, um ein Musikstudium zu beginnen, das er später an der Manhattan School of Music in New York fortführte und abschloss.
Anders als viele andere Musiker erlag nicht den Verlockungen New Yorks, sondern kehrte nach Denver zurück. Dort wurde er schnell zu einem Dreh- und Angelpunkt nicht nur der Jazzszene, sondern spielte auch mit Künstlern und Bands aus den Bereichen des Pop, Rock, Folk und Blues.
Eine besondere Affinität entwickelte er zu dem Gitarristen Bill Frisell, der in Denver aufgewachsen war, und zu dem Saxofonisten Fred Hess, den er an der University of Colorado Boulder kennengelernt hatte. Beide begleitete er auf einer Reihe von Aufnahmen (so war er z.B. auf Bill Frisells “The Sweetest Punch” zu hören). Darüber hinaus spielte er auf Alben von so verschiedenen Künstlern wie Ginger Baker, Joshua Redman (für seinen Auftritt auf Redmans “Still Dreaming” erhielt Miles 2019 seine erste Grammy-Nominierung), Myra Melford, Bruce Cockburn, Otis Taylor, DJ Logic, Joe Henry, dem Trio Harriet Tubman u.v.a. mit.
1987 brachte Ron Miles sein erstes eigenes Album “Distance For Safety” heraus, auf dem sich ein Stück mit dem bezeichnenden Titel “New York Is Not America” befand. Elf weitere Alben sollten danach noch folgen, darunter von der Kritik hochgelobte Werke wie “Heaven” (2002, im Duo mit Bill Frisell), “Quiver” (2012, im Trio mit Frisell und Brian Blade) und “I Am A Man” (2017). Auf letzterem war er mit demselben Quintett zu hören, mit dem er dann auch sein Blue-Note-Debüt “Rainbow Sign” aufnehmen sollte: Gitarrist Bill Frisell, Pianist Jason Moran, Bassist Thomas Morgan und Schlagzeuger Brian Blade. Zuvor hatte Ron Miles bei Blue Note schon als Gastsolist an der Einspielung zweier Alben des außergewöhnlichen Kollektivs Floratone mitgewirkt, das Bill Frisell mit dem Schlagzeuger Matt Chamberlain sowie den Produzenten Lee Townsend und Tucker Martine unterhielt.