Alfred Brendel wurde am 5. Januar 1931 in Wiesenberg, Nordmähren, geboren. Ersten Klavierunterricht bekam er als Sechsjähriger und es stellte sich bald heraus, dass er Talent hatte. Von 1941 an wurde er in Harmonielehre unterrichtet, doch der Zweite Weltkrieg verhindert zunächst, dass er sich weiter intensiv der Musik widmen konnte. Alfred Brendels künstlerische Laufbahn begann daher erst um 1948 in Graz. Dort studierte er Orchesterleitung und Komposition und gab als Siebzehnjähriger sein erstes Konzert.
Vielfältig kulturell interessiert konzentrierte er sich trotz seines Musikstudiums nicht nur auf die Gestaltung von Klängen, sondern beschäftigte sich ebenso mit Malerei, Literatur, den Schönen Künsten und vertiefte sich in philosophische Schriften. Seine Lehrer Edwin Fischer, Paul Baumgartner und Eduard Steuermann verhalfen ihm zum nötigen Feinschliff, trotzdem ließ er sich Zeit, den Trubel des Konzertbetriebes mitzumachen. Ein Jahr nach seinem Debüt ging er als Preisträger des Busoni-Wettbewerbs in Bozen hervor und von diesem Zeitpunkt an baute er Stück für Stück seine internationale Karriere auf.
Brendels Kunst speiste sich von Anfang an aus dem Verständnis eines Universalgelehrten mit musischem Schwerpunkt, und so schaffte er es mühelos, sich durch intellektuell durchdrungene Qualität seiner Interpretationen einen Namen zu machen. 1960 spielte er im Rahmen der Salzburger Festspiele zum ersten Mal mit den Wiener Philharmonikern, in den folgenden Jahren stieg er Stufe um Stufe die Erfolgsleiter hinauf. Alfred Brendel konzertierte während der Sechziger erfolgreich auf Bühnen in aller Welt, gab dann von 1969/70 an Meisterkurse in Wien und ließ sich 1970 in London nieder. Von 1960 an entstand eine erste Sammlung mit Gesamtaufnahmen von Beethovens Klavierwerk, ein Jahrzehnt später nahm er alle Beethoven-Sonaten für die Philips auf.
Brendels Interpretationen legen dabei besonderen Wert auf die Ausgewogenheit der Ausdrucksmittel. Fernab von jeder vordergründigen Virtuosität sucht er nach dem Kern der Musik in den Kompositionen und gestaltet außerordentlich intensive und nachhaltige Versionen vor allem der Werke von Beethoven, Mozart und Schubert. Und er entwickelte einen enzyklopädischen Anspruch in der Umsetzung ganzer Zyklen. In den Jahren 1982/83 zum Beispiel ging er mit dem komplette Zyklus der 32 Beethoven-Sonaten auf Tournee. Bereits 1970 hatte er begonnen, gemeinsam mit Neville Marriner und dem Kammerorchester Academy Of St. Martin In The Fields die Mozart’schen Klavierkonzerte komplett einzuspielen. Er brillierte außerdem als Interpret von Liszt, konzentrierte sich jedoch immer wieder auf die deutsche Klassik.
Dazu passt auch, dass Brendel am liebsten live aufnimmt, um den Charakter der Musik jenseits der Studiotechnik einzufangen. In den Neunzigern widmete er sich abermals Mozart fur die große Mozart-Edition der Philips, darüber hinaus außerdem der Klaviermusik Schuberts und zwischen 1992 und 1996 erneut Beethoven. Im folgenden Jahrzehnt widmete er unter anderem mit dem Bariton Matthias Goerne dem romantischen Kunstlied-Repertoire.
Als einer der bedeutendsten Pianisten seiner Generation wurde Brendel außerdem mit zahlreichen Preisen und Ehrungen bedacht. Von den Universitäten von Köln, London, Oxford, Sussex, Warwick und Yale bekam er die Ehrendoktorwürde verliehen. Am 14. Mai 2004 wurde ihm der mit 150.000 Euro dotiert Siemens-Musikpreises in München für sein musikalisch interpretatorischen Lebenswerk übergeben. Im Jahr 2008 folgte der Herbert-von-Karajan Musikpreis, 2009 neben der Ehrendoktorwürde der Hochschule für Musik Franz Liszt in Weimar der als Nobelreis der Musik geltende „Praemium Imperiale“.
Im Herbst und Winter 2008 verabschiedete sich Alfred Brendel mit einer umfassenden Tournee vom internationale Konzertrummel, ist seitdem aber weiterhin als Autor und Dozent aktiv, der seine Vorträge auch mit eigenen Musikbeispielen krönt. Zu den markantesten Veröffentlichungen Brendels des vergangenen Jahrzehnts gehören die Aufnahmen mit Mozartsonaten („K332, K333, K457, K540“, 2001; „K281, K282, K576, Fantasia in c-moll“, 2005), die Einspielungen mit Mathias Goerne („Winterreise“, Schubert, 2004; „Schwanengesang“, Schubert, 2005), „Alfred Brendel In Recital“ (2007), „The Artist’s Choice Collection“ (2008), „The Farewell Concerts“ (2009), „Alfred Brendel: Artist’s Choice. Seine persönliche Auswahl“ (2011) und „Alfred Brendel – A Birthday Tribute“ (2011). Außerdem veröffentlichte er in Dichterlesung eigene Poeme unter dem Titel „Alfred Brendel liest / Alfred Brendel liest Vol.2“ (2008/10).
01/2011