Der 1957 in Halfaouine/Tunesien geborene Anouar Brahem gilt als der wohl innovativste Oud-Spieler seines Landes. Als früherer Schüler des Oud-Meisters Ali Sriti ist er bestens mit den Geheimnissen und Feinheiten der klassischen arabischen Musik vertraut. Er hat das ihm vermittelte Wissen verinnerlicht und ist in die Welt hinausgezogen, um dort – als gebildeter moderner Musiker mit profunden historischen Kenntnissen – den Austausch mit gleichgesinnten Partnern aus anderen Kulturkreisen zu suchen.
In den frühen 80er Jahren lebte Brahem eine zeitlang in Paris. Dort erlag er der Faszination des Jazz – nicht zuletzt dank zahlreicher ECM-Alben, die er damals hörte. Und so trat Brahem mit dem ECM-Produzenten Manfred Eicher in Kontakt. Sein erstes eigenes ECM-Album, “Barzakh”, konnte Anouar Brahem 1990 veröffentlichen. Ihm folgten “Conte De L’Incroyable Amour” (1991), “Madar” (1992 mit Jan Garbarek), “Khomsa” (1994), “Thimar” (1997 mit John Surman und Dave Holland), “Astrakan Café” (1999) und “Le Pas Du Chat Noir” (2001) sowie die allerdings nur in Frankreich erhältliche Anthologie “Vague”.
Sämtliche Alben wurden von der Kritik überschwenglich gelobt, mehr als alle anderen jedoch “Le Pas Du Chat Noir”, das für Brahem sowohl als Komponist als auch als Instrumentalist einen riesigen Schritt nach vorne bedeutete. Eingespielt hatte Brahem das Album im Trio mit dem Pianisten François Couturier und dem Akkordeonspieler Jean-Louis Matinier.
Das Magazin Acoustic Guitar bezeichnete dieses kleine Ensemble als “das eigenartigste Trio, das je zeitgenössische arabische Musik gespielt hat”
und lobte das Werk folgendermaßen: “Das Ergebnis ist weit mehr als ein Ausdruck der arabischen Traditionen; in den Melodien schwingen Anklänge an Satie, die Musik Pariser Cafés, den Flamenco und die Musik des Balkans mit. Akkordeon, Oud und Piano wechseln beständig die Rolle, übernehmen mal den Melodie- oder Rhythmus-Part, mal ornamentale Filigranarbeit.” Das Londoner Magazin Time Out konstatierte “raren Lyrizismus von außergewöhnlicher Schönheit. Die Reinheit, Schlichtheit und Subtilität ist dergestalt, daß es beinahe unmöglich ist, sich ein schöneres Zusammentreffen von arabischer und europäischer Musik vorzustellen.”
Nach der Veröffentlichung von “Le Pas Du Chat Noir” gingen Brahem, Couturier und Matinier auf beiden Seiten des Atlantiks auf eine ausgedehnte Tornee, in deren Verlauf die drei Musiker zu einer “richtigen Band” zusammenwuchsen und Brahem seinen beiden Partnern immer mehr Interpretationsfreiraum überließ. François Couturier und Jean-Louis Matinier sind in der europäischen Jazzszene als hervorragende Improvisatoren bekannt.
Pianist François Couturier wurde in Frankreich 1980 mit dem begehrten Django Reinhardt Prize ausgezeichnet und zog dadurch internationale Aufmerksamkeit auf sich. Schon kurze Zeit später holte der Gitarrist John McLaughlin Couturier als Keyboarder in seine Band und nahm mit ihm die beiden Alben “Belo Horizonte” (1981) und “Music Spoken Here” (1983) auf. Mit Anouar Brahem arbeitete Couturier das erste Mal 1985 bei einem Projekt zusammen, das auch die beiden türkischen Musiker Barbaros Erköse und Kudsi Erguner involvierte. Als Brahem 1994 sein drittes ECM-Album “Khomsa” aufnahm, war der französische Pianist mit von der Partie. 1997 nahm Couturier mit dem Violinisten Dominique Pifarély, mit dem er sehr oft zusammenspielt, das Duo-Album “Poros” für ECM auf. Darüber hinaus arbeitete er unter anderem schon mit Robin Kenyatta, Eddy Louis, Jean-Marc Larché und Didier Levallet. Im Dezember 2005 war François Couturier im Studio, um mit Jean-Louis Matinier, dem Saxophonisten Jean-Marc Larché und der Cellistin Anja Lechner sein noch namenloses neues ECM-Album einzuspielen.
Jean-Louis Matinier gab sein ECM-Debüt 2001 auf Brahems “Le Pas Du Chat Noir”, spielte aber auch schon oft mit anderen Musikern wie Gianluigi Trovesi, Enrico Rava und Louis Sclavis zusammen, die mit dem ECM-Label assoziiert werden. Matinier begann seine Karriere als klassischer Musiker und fand erst später zum Jazz und anderen Formen der improvisierten Musik. Geschätzt wird er vor allem wegen seiner exzellenten Technik und stilistischen Vielseitigkeit.
“Le Voyage De Sahar” enthält neben verführerischen und sehr emotionalen neuen Kompositionen Anouar Brahems auch neue Interpretationen dreier bereits bekannter Stücke: “Vague”, “E la nave va” und “Halfaouine”.