Niemand hat deutschen Hip-Hop so geprägt wie
DJ Mad,
Denyo und
Eizi Eiz. Die
Beginner sind Pioniere und ewige Lieblingsband. Mit ihrem letzten
Album “Blast Action Heroes” gaben sie dem Genre seine erste Nummer Eins. Nun sind sie zurück und reduzieren die schlappen 13 Jährchen dazwischen auf einen Wimpernschlag. Drei Typen, zwölf Songs, zwölf Hits. Die Formel ist die Alte geblieben. Aber die Chemistry ist advanced. Beginner back.
Heidelberg. Ende der achtziger Jahre. Eine Crew namens Advanced Chemistry. Rap war damals noch gleichbedeutend mit Englisch bis einer der MCs von Advanced Chemistry in der Muttersprache zu reimen begann. Der MC hieß Torch und war das personifizierte Erweckungserlebnis für eine ganze Generation. Zu dieser Generation gehörten auch zwei kleine Scheißer namens Jan und Dennis. Sie nahmen die Fackel auf, gründeten ihre eigene Band und machten Rap auf Deutsch zur definitiven Popmusik unserer Zeit…
Es war einmal. Und es ist immer noch. Die kleinen Scheißer von damals sind heute ausgewachsene Stars. Und sie haben soeben ihr
viertes Album fertiggestellt, das auch deswegen
“Advanced Chemistry” heißt.
Wie geht man es an? Wie nimmt man seine erste Platte nach 13 (!) Jahren auf, wenn man ein ganzes Genre geprägt und darin mehr erreicht hat, als dafür überhaupt je vorgesehen war? Wenn man die Hall of Fame von innen und seine Szene von außen kennt, weil zwischenzeitlich andere Kleinigkeiten wie Familiengründen, kreative Reflexion und Soloprojekte mit Platinüberzug anstanden? Wenn da draußen Leute warten, die dieser Musik nicht weniger als ihre verdammte Jugend verdanken, und dahinter bereits Massen von YouTube-Experten und andere www-Wahnsinnigen mit den Hufen scharren? Die Beginner haben das getan, was vermeintlich nahe liegt und dennoch so verdammt schwer sein kann. Sie haben den riesigen Sack mit den Erwartungen über Bord geworfen. Das Ergebnis ist pure, dringliche, zeitlos dope Rapmusik.
Die Beginner, das war immer mehr als nur DJ Mad, Denyo und Eizi Eiz. Die Beginner waren stets auch das Epizentrum einer Bewegung: ein Leit- und ein Sinnbild ihrer Umgebung. Da passt es ins Bild, dass auf “Advanced Chemistry” genau zwei Arten von Gästen zu hören sind: langjährige Weggefährten wie der
selbsterklärte “vierte Beginner” Samy Deluxe oder
Dendemann, und die heißesten Feuerspucker der Jetztzeit:
Megaloh,
Haftbefehl und
Gzuz.
In den zwölf Stücken des Albums verdichtet sich, was die Beginner immer ausgezeichnet hat, ihre individuellen Geschichten und ihre einzigartige Chemie als Band. Da sind die Einflüsse von
Public Enemy bis
Lil Wayne, von
Dr. Dre und
Rick Rubin bis
Neptunes und
Just Blaze. Da sind Denyos brillante Wortschöpfungen und seine punktgenau punchenden Einzeiler gegen Einzeller. Da sind die harmonischen Haken und unverschämt einprägsamen Hooks von Eizi Eiz. Da sind die kongenialen Cuts von Professor Mad. Da ist der wasserdichte Wumms von Co-Produzent
Kaspar “Tropf” Wiens und der Touch von
FIJI KRIS aus Berlin (
Symbiz,
KitschKrieg), der dem Beginner-Sound mit seinen Wurzeln in der globalen Soundsystem-Schrägstrich-SoundCloud-Kultur eine weitere Note hinzugefügt hat. Da sind die Bässe aus der Karibik und da ist der nordische Schnack, der erneut Eingang finden wird in das Alltagsvokabular von Elbe bis Twister: Was los Digger, ahnma!
Was für eine Reise, gefühlte Internetjahrhunderte her und doch so präsent, als wäre einem “Liebes Lied” erst letzte Woche in die Timeline gespielt worden. “Advanced Chemistry” ist der Beweis, dass Rap reifen und trotzdem knallen kann. Es ist außerdem der Beweis, dass sich Geduld in ganz seltenen Ausnahmefällen doch lohnt. “Detox”? Im Giftschrank. “Chinese Democracy”? Nie gehört. “Advanced Chemistry”? Schön, dass sie wieder da ist, die derbste Band der Welt.