The Bloodhound Gang scheißen auf alles. Ihr kollektives Motto, das auf jedem ihrer Alben durchschimmert, lässt sich am besten mit „Das Leben macht zwar keinen Sinn, aber wir mögen es so“ zusammenfassen. Ihre Musik ist idiotisch, sie spricht die niedersten Instinkte Heranwachsender an. Die Jungs sind dreckig, gemein und abartig. Sie schaffen es, mit ihren Texten jedem ans Bein zu pinkeln: sie haben kein Gefühl für kulturelle Werte, sind das genaue Gegenteil von Political Correctness, sind asozial, ignorant, schweinisch, fies und ekelhaft. Sie schrecken nicht einmal davor zurück, ihre eigenen Leute anzugreifen. Sie haben keinerlei höhere Ziele, nicht im Geringsten Interesse daran, eine bessere Band zu werden. Sie hassen ihre Fans, und ihre Fans hassen sie. Ihre Fanbase ist selbst ein Haufen asozialer Freaks. Sogar ihre offizielle Website, die gleichzeitig als ihr Fanclub-Forum fungiert, heißt „Bloodhound Gang Cyber Hate Club“ (www.bloodhoundgang.com).
Und jetzt rate mal. Ich bin dabei! Nach einer Show, die mich in eine krasse Gefühlslage – zwischen verwirrt, verzweifelt und irgendwie angeturnt – gebracht hatte, bin ich nun auch zu einem Mitglied dieser Fanbase geworden, ich bin süchtig nach den ganzen Abscheulichkeiten der Bloodhound Gang. Denn trotz alledem, oder vielleicht sogar gerade deswegen, liefern die Jungs nach wie vor eine unfassbare Live-Show ab. Man hört ihre Ehrlichkeit, sogar auf ihren Platten, und ihre authentisch-bekloppte Einstellung zur Welt hilft einem dabei, endlich mal wieder Freude an absolutem Müll zu haben. Das ist doch was Schönes.
Mit dem Album „Hefty Fine“ wird sich diese Geschichte nun fortsetzen – es wird am 23. September auf Geffen Records veröffentlicht. Anknüpfend an ihre kaputt-bedachten bzw. absurd-prophetischen musikalischen Vorgänger, ist es erst ihr viertes Studioalbum in den vergangenen neun Jahren. Man muss anscheinend sehr lange üben, wenn man wirklich vorhat, immer gleich schlecht zu bleiben.
Doch eine Sache muss ich schon jetzt klarstellen: Wenn man sich die Bloodhound Gang als Ganzes anschaut, kann das ein verzerrtes Bild ergeben. Gemeinsam wirken sie nämlich wie ein Konglomerat aus fünf unterschiedlichen Arten von Vollidioten. Schaut man aber genauer hin, so wird man sehen, dass noch viel mehr dahinter steckt. Zerlegt man die Gang in ihre Komponenten, erhält man ein wahnsinnig komplexes Gefüge aus Individuen, die sich wie folgt charakterisieren lassen: ein kreatives Genie, das seine Gefühle nicht unter Kontrolle hat, ein wenig neben sich steht und wahrscheinlich lieber auf der dunklen Seite der Menschheit leben würde; dann ein übergroßer Mulatten-Typ, der sich selbst als „Hillbilly, Redneck, Cracker“ bezeichnet; ein Wohnwagensiedlung-Aso, der ein Problem damit zu haben scheint, dass er aufgrund seines guten Aussehens auch bei jeder Boyband mitmachen könnte; ein Ex-Perverser bzw. Sex-Maniac, der nun ein reizender Familienvater ist, und letztlich ein Typ, der sprichwörtlich aus der Hölle zurückgekehrt ist, nachdem er dort schon vor Jahren aufgrund einer Abhängigkeit gelandet war. Will heißen, dass Sänger Jimmy Pop, Bassist Evil Jared Hasselhoff, D.J. Q-Ball, Gitarrist Lüpüs Thünder und ihr Schlagzeuger Willie The New Guy für sich betrachtet noch viel mehr sind als das offizielle Bild, das man von ihnen im Kollektiv bekommt.
Gott sei Dank, dass man sie öffentlich nur gemeinsam erleben darf. Denn gemeinsam sind sie doch irgendwie noch viel lässiger, viel kaputter, viel süchtigmachender…
Hört man ihrer Musik ein wenig genauer zu, eröffnen sich einem schon bald komplexe Verstrebungen innerhalb der modernen amerikanischen Popkultur, man wird eine Melange aus musikalischen Stilen und Referenzen ausmachen, die einen entweder zum Lachen bringt, einem den Atem raubt oder aber in ein tiefes Loch der Unverständnis wirft.
Erinnerst du dich noch an ihren bekloppten 1999er Smash-Hit „The Bad Touch“? „You and me baby ain’t nothing but mammals, so let’s do it like they do on the Discovery Channel.“ Yeah, genau, da kommt die Erinnerung hoch. Der Song wurde von Frontmann Jimmy Pop eines Nachts geschrieben, als er gerade durch die Kabel-Kanäle zappte. Es wurde gleich ihr größter Hit, katapultierte sie ins internationale Rampenlicht. Durch diesen Song landeten sie auch in Sendungen wie „The Tonight Show“. Sie konnten sich plötzlich eigene Häuser leisten. Sie hatten plötzlich sexuelle Kontakte mit Frauen, die noch wenige Jahre zuvor schreiend weggelaufen wären, wenn einer von ihnen auch nur eine Pizza an deren Tür abgeliefert hätte. Dazu hatten sie natürlich weltweite Tourneen. Bis die Band schließlich völlig durch- und ausgebrannt war, ein langer Winterschlaf angesagt war und die Musik gänzlich links liegen blieb. Es war aus mit Jam-Sessions und Aufnahmen und kreativem Brainstorming.
Nach ihrer Gründung im Jahr 1992, war „Dingleberry Haze“ ihr offizielles Debüt, es erschien im November 1994. Obwohl immerhin über 100 Stück verkauft wurden, schien der finanzielle Durchbruch noch nicht so recht einzusetzen. Im März 1995 unterzeichneten sie dann einen Vertrag mit Columbia Records, was auch zur Veröffentlichung ihres ersten Full-Length-Albums führte: „Use Your Fingers“. Auf einmal waren ihre Konzerte viel teurer geworden, Platten verkauften sie trotzdem nicht. Die Band verlor Mitglieder und kurz darauf auch den Plattenvertrag.
Im März 1996 bestand BG aus Jimmy Pop, Lüpüs Thünder, Evil Jared Hasselhoff, D.J. Q-Ball und Spanky G. Sie gingen erneut ins Studio und meldeten sich nach drei Monaten Kettenrauchen, Hardcore-Trinken und Frauentauschen mit „One Fierce Beer Coaster“ zurück. Das Album erschien bei Republic Records, die aus Cheese Factory Records hervorgegangen waren. Eine erfolgreiche Tour führte dazu, dass der „Coaster“ im selben Jahr noch einmal bei Geffen Records veröffentlicht wurde.
Das Album war unfassbar erfolgreich, brachte der Band die erste „richtige“ US-Tour ein, wie auch einen ersten Kontakt mit Europa. Die hirnverbrannten Euro-Trash-Zuschauer liebten die Bloodhound Gang sofort, darauf folgte das 2000er Album „Hooray For Boobies“, auf dem auch „The Bad Touch“ vertreten war. Kurz nachdem die Aufnahmen zum Album fertiggestellt waren, verließ Schlagzeuger Spanky G die Band und wurde von Willie The New Guy ersetzt, womit das heutige Line-Up der Band vollständig war.
Im vergangenen Jahr (2004) erwachte die Band dann aus ihrem Winterschlaf – sie hatten (was viele kaum glauben konnten) noch immer Erfolg. Bis zum heutigen Tage hat die Band über 5 Millionen Alben verkauft. Sie kehrten zurück mit dem Song „Fire Water Burn“, der auf Michael Moores „Fahrenheit 9/11“ vertreten war. Sie verbrachten ein paar unvergessene Tage und Nächte in Europa (Stichwort: Jägermeister), tankten Energie (und Jägermeister), und sind nunmehr bereit, ihr verzerrtes Weltbild mit „Hefty Fine“ auf ein Neues zu zelebrieren.
Es mag daran liegen, dass ihre Musik so eklektisch ist, oder aber auch daran, dass die Booking-Agenten keine Ahnung von ihrem Job haben – auf jeden Fall haben The Bloodhound Gang mit einer Reihe von unglaublich unterschiedlichen Künstlern gespielt. Sie haben in den Staaten und Europa über 500 Shows gespielt, und zwar mit Künstlern aus jedem erdenklichen Genre. Die Sache, die mir absolut nicht in den Kopf geht, ist wie jemand ihre Stage-Show nicht mögen kann. Diese Jungs auf der Bühne zu erleben bedeutet, dass man plötzlich weiß, dass es einen Gott geben muss – allerdings einen, der glücklicherweise auch die Existenz des Bösen unterstützt und vorantreibt. Ihre Auftritte sind daher berüchtigt, es kursieren jede Menge Mythen über sie. Manche sind wahr, andere nicht.
Wie zum Beispiel die Geschichte mit dem „Wedgie“ (Unterhose hinten bis zur Schulter hochziehen) und dem Tampon. Früher war es Standard, dass die Band geneigten Fans ein unvergessliches Souvenir auf den Weg gab – ein Souvenir, das sich so anfühlte, als ob sie gerade einen Fist-Fuck von Edward mit den Scherenhänden bekommen hätten. Ein weibliches Opfer dieser Praktiken – sie stammt aus Providence, Rhode Island – behauptet bis heute, dass besagter „Wedgie“ so hart war, dass ihr Tampon einfach nicht mehr zu finden war, er war wie vom Erdboden verschluckt, in ihr verloren gegangen. „Stimmt nicht“, behauptet Evil Jared. Aber was war denn nun wirklich geschehen? Die Gang glaubt heute, dass sich das Mädel komplett besoffen hat, dann Sex hatte ohne dabei an ihr Tampon zu denken… „Es war also nicht unsere Schuld“, sagt Evil J. „Sie sollte sich lieber an ihren Rhode-Island-Typen wenden, der war’s.“
Und dann ist da noch die Geschichte von Jimmy Pop und Evil Jared, bei der sie beide gekotzt haben und dann wie Wiederkäuer mit der Kotze rumgespielt haben – rein und raus, beide sowohl mit der eigenen Kotze, als auch mit der des anderen. Diese Geschichte ist allerdings wahr. Und darum geht’s auch bei der Bloodhound Gang! Es ist so gut, endlich mal wieder Künstler zu sehen, die sich nicht in irgendwelche Diva-Posen verkriechen, die einfach nur das machen, was die Leute wirklich sehen wollen. (Übrigens: Als Jimmy gefragt wurde, ob er das denn nun auch runterschlucken würde, sagte er schlichtweg: „Bah, das wäre ja komplett ekelig.“) Es ist diese besondere Beziehung zu ihren Fans, diese Wertschätzung, die uns alle so beeindruckt. Aber da die Gesellschaft einfach Scheiße ist und das alles nicht versteht, muss die Bloodhound Gang nun jede Menge Auflagen bedenken, die ihnen von Versicherungen gemacht wurden, wie auch von den verschiedensten nationalen und internationalen Gesetzen, die sie in verschiedenen Verfahren und Festnahmen schon am eigenen Leibe erfahren mussten.
Ach ja, die Musik hätten wir ja auch noch… was oberflächlich betrachtet wie die skurrilsten und unsinnigsten Wort-Zusammenstellungen wirkt, ist eigentlich brillante Komposition. Die Dinge, die dem zerfressenen Gehirn von Jimmy Pop entspringen, kann man entweder verstehen, sie also wirklich verstehen – oder aber man versteht sie nicht und versteht sie dabei doch irgendwie. Klingt unklar? Der Punkt ist, dass man die Musik von BG einfach lieben muss, egal, ob man die verschmitzt-cleveren Kommentare von Pop nun checkt oder nicht. Ihr Repertoire hält für jeden etwas bereit, so dass man sie auch nicht wirklich in eine Schublade stecken kann. Klar ist hingegen, dass ihre Themen streitbar sind und ihre Posen obszön. Klar ist auch, dass es schlichtweg Spaß-Musik ist, mit der sich das Leben in eine Party verwandelt – Musik, die von untalentierten Typen gespielt wird, die einfach nur ein paar Dollars machen wollen, um ein lockeres Leben zu haben. Nicht mehr, nicht weniger.