Georgia Nott, die Sängerin von BROODS, muss nicht lange nach Worten suchen – und bestätigt schon damit die Titelwahl für das zweite Album des neuseeländischen Geschwister-Duos: "Wir wollten dieses Mal einfach in jeglicher Hinsicht die Fäden in der Hand haben und den Kurs vorgeben. Deshalb haben wir auch den Titel “CONSCIOUS” gewählt: Es geht um bewusste Entscheidungen. Wir schlafen nicht, wir sind nicht ahnungslos, sondern wir wissen ganz genau, was wir mit diesem Album erreichen wollen. Das alles sind bewusste Entscheidungen. Wir wissen genau, was wir machen und damit bewegen wollen. Denn letzten Endes ist es einfach unglaublich wichtig, dass man in Bezug auf sein Werk, auf sein Output das letzte Wort hat. Natürlich haben all die anderen Leute auch immer eine Meinung zu allem, aber gerade deshalb müssen wir dafür sorgen, dass alles, was wir machen, alles, was wir präsentieren, zu hundert Prozent auf unseren Entscheidungen basiert."
Seit sie im Jahr 2014 ihren erfolgreichen Erstling Evergreen veröffentlicht haben, hat das aus Georgia und Caleb Nott bestehende Geschwister-Duo BROODS einen Großteil der Zeit auf Tour verbracht. Unterwegs haben sie in diesen 24 Monaten so ziemlich alles darüber gelernt, was es bedeutet, eine Band zu sein und ein Leben als Musiker zu führen. Ins internationale Rampenlicht gespült, als die beiden gerade erst die Schule hinter sich gebracht hatten, spielten sie schon bald auf immer größeren Bühnen, in immer entfernteren Ecken der Welt – Erfahrungen, die das neue Album indirekt prägen sollten. Bei so viel Erlebtem leuchtet es einfach ein, dass es ihnen besonders wichtig war, sämtliche Fäden selbst in der Hand zu haben, als es darum ging, das neue Album in Angriff zu nehmen.
“Ja, ich glaube diese ganze Phase – die Veröffentlichung des Debüts und die ganzen Live-Geschichten danach –, das war für uns ein echter Lernprozess”, meint Georgia. “Schließlich haben wir das alles zum ersten Mal gemacht. Man hat keine Wahl und lernt das alles, während man mitten drinsteckt in dieser Phase. In der Schule erzählt einem ja keiner, wie man ein Album schreibt und das dann perfekt auf Tour umsetzt.” Caleb sieht das genauso: “Wenn man so lange auf Tour war wie wir, dann weiß man hinterher einfach, welche Songs man wirklich gerne spielt und welche Stücke die Fans am meisten abfeiern. Heute wissen wir einfach viel genauer, was wir wollen, wo wir stehen, und das hat natürlich auch die Arbeit am zweiten Album beeinflusst. Ich glaube, deshalb sind auf dem neuen Album auch so viele massive, sehr viel sattere Songs. Verglichen mit dem Vorgänger ist das hier schließlich ein richtiger Schlag ins Gesicht. Beim letzten Album war alles ganz dezent, alles eher leicht und luftig, und dieses Mal machen wir richtig Druck und packen die Songs an der Gurgel.”
Im Klartext bedeutet das: BROODS klingen sehr viel selbstbewusster auf ihrem zweiten Album. Aufgenommen in verschiedenen Studios in Los Angeles und in ihrer Heimat, Neuseeland, markiert die Veröffentlichung von “CONSCIOUS” einen gewaltigen Schritt nach vorn für die zwei Geschwister. Sie klingen sehr viel mutiger, fokussierter und druckvoller auf der LP, die ihr angestammter Produzent Joel Little (Lorde‚ Ellie Goulding, Jarryd James) zusammen mit der Band aufgenommen hat, wobei obendrein auch Alex Hope (Troye Sivan) und Captain Cuts (Halsey, Tove Lo) hinter den Reglern standen. Bereits mit der ersten Single “Free”, einer echten Hymne, unterstreichen sie die Tatsache, dass Schluss ist mit dem reduziert-zurückhaltenden Sound ihres Debütalbums: “Hallelujah, I’m free”, singt Georgia über einem ganzen Ozean aus Synthesizer-Sounds, unter dem ein Gewitter aus Beats ausgebrochen ist."All I want is your attention please", heißt es weiter, “Don’t want your opinion or your fee.” Eine unmissverständliche Ansage, die ganz klar zeigt, worum es ihnen geht und in welche Richtung die beiden dieses Mal aufbrechen.
Als Sängerin aber auch in Sachen Bühnenpräsenz hat Georgia viel gelernt in den letzten Jahren, und auch Caleb ist inzwischen komplett unabhängig als Produzent: “Als wir angefangen haben, musste ich noch irgendwelchen anderen Leuten erklären, wie sich das Resultat anhören sollte – inzwischen mache ich das alles einfach komplett im Alleingang.” Dazu betonen die beiden, dass sie sich auf ihrem neuen Album nicht nur als sehr viel bessere Musiker präsentieren – sondern auch als sehr viel reifere Menschen. “Ich habe einfach keine Lust, da oben zu stehen und immer nur von der Liebe zu singen”, meint Georgia. “Nein, ich wollte auch andere Themen ansprechen, Dinge, die irgendwer im Publikum vielleicht gerade wirklich durchmacht, Themen halt, die genau dann aufkommen, wenn man plötzlich kein Teenager mehr ist und sich nicht mehr alles darum dreht, einfach nur irgendwie seinen Spaß zu haben. Es sollten also richtige Popsongs sein, die aber zugleich eine reifere Perspektive vermitteln.” Und so verhandeln die 13 Songs ihres neuen Longplayers denn auch genau die Art von Freud und Leid, die diese ersten Jahre des Erwachsenseins mit sich bringen – daher auch der Albumtitel: “Weil wir halt ansprechen, was es bedeutet, sein eigenes Leben wirklich bewusst in die Hand zu nehmen.”
Unterstützung bekommen sie dabei unter anderem von der schwedischen Pop-Überfliegerin Tove Lo, die auf “Freak Of Nature” zu hören ist, einer grandios düsteren Ballade über das Ringen mit den eigenen Dämonen: “Love made me do crazy things, Loving life turned me insane”, gesteht Georgia im Text, und singt dann: “But maybe it’s beautiful.” Ein weiterer Gast ist die ebenfalls aus Neuseeland stammende Sängerin Lorde, die “Heartlines” gemeinsam mit BROODS komponiert hat – einen der vielleicht größten Pop-Momente des neuen Albums. Hier stimmt einfach alles: Der Beat ist so massiv, die Synthesizer schieben alles dermaßen krass voran, dass man damit selbst das größte Stadion füllen könnte. “I don’t always play nice, but I want to feel your heartlines”, singt Georgia, bevor der Song förmlich explodiert und sich in eine Hymne über gemeinsames Ausreißen, bedingungslose Liebe und den kürzesten Weg zum eigenen Glück verwandelt.
Im Jahr 2016 werden BROODS nun wieder einen Großteil ihrer Zeit auf Tour verbringen und weiter an ihrer Live-Show arbeiten, nachdem sie schon im April im Vorprogramm von Ellie Goulding auf großer Stadion-Tour durch die USA unterwegs waren. Dabei setzen sie nach wie vor auf den engsten Familienkreis, indem die beiden ihren Cousin Jonathan Nott als Schlagzeuger mitnehmen. Überhaupt ist die Familie ein wichtiges Thema, denn nicht nur die Frage, wie es sich eigentlich anfühlt, vom Ende der Welt (Neuseeland) zu kommen (“Da setzen wir ja eigentlich eher auf Lorde als inoffizielle Landesvertreterin und überlassen ihr gerne das Wort”, scherzt Caleb), geht’s auch immer wieder um ihr Verhältnis als Bruder-Schwester-Duo, das sowohl Fans als auch Journalisten unendlich zu faszinieren scheint. Und kein Wunder, schließlich ist es dieses Verhältnis, ist es diese einzigartige Chemie, die das Herz von BROODS ausmacht.
“Natürlich ändert sich vieles durch die Tatsache, dass die Musik für uns früher einfach nur ein Hobby war, heute daraus aber eine richtige Karriere geworden ist”, meint die Sängerin abschließend. “Als Kinder haben wir uns die ganze Zeit nur gestritten, und heute ist das komplett anders. Solche Erlebnisse zu teilen, das schweißt einen noch mal ganz anders zusammen, weil die Musik inzwischen ja so einen unglaublich großen Teil unseres Lebens ausmacht. Wir müssen nur darauf achten, dass wir beide glücklich sind mit dem, was wir machen, dass wir nach wie vor mit Herzblut bei der Sache sind. Denn es ist schon krass, wenn man plötzlich seinem Hobby rund um die Uhr nachgeht, weil’s die eigene Karriere ist. Da hilft es schon mal sehr, dass wir uns haben, um die wirklich wichtigen Sachen nicht aus den Augen zu verlieren: Die Liebe zur Musik zum Beispiel. Und um zu reflektieren, damit uns das nicht aus der Bahn wirft oder unser ganzes Wesen auf den Kopf stellt. Wenn dich jemand schon das ganze Leben kennt, dann kann er einen als Bandkollege perfekt einschätzen und auf einen aufpassen. Man braucht so jemanden an seiner Seite, der einen einerseits anspornt – der aber auch weiß, wann er einem sagen muss, dass Schluss ist und man sich zusammenreißen muss.”