“Wir hatten echt wahnsinnig viel Spaß bei der Arbeit an diesem Album”, sagt Bryan Adams über sein 13. Studioalbum “Get Up”. Und in der Tat klingt Adams, der sich generell durchaus humorvoll und fröhlich, aber eben auch nachdenklich gibt, sehr viel ausgelassener als sonst. Doch er hat auch allen Grund dazu: “Get Up” ist, schlicht und (gar nicht mal so) einfach, ein pures, ungefiltertes Rock & Roll-Album. “Do you want to start a revolution or do you just want to have some fun?”, fragt er auf dem programmatischen neuen Song “That’s Rock’n'Roll” und liefert die Antwort gleich mit, denn man brauche, so Adams, nur einen Verstärker und eine alte Klampfe: “A battered Vox and a beat up Gibson, that’s all you need to get the job done.” Deutlicher als mit diesem Song könnte er seine These gar nicht untermauern. “Es ist einfach das lebendigste, ausgelassenste und druckvollste Album, das ich je aufgenommen habe – daher auch der Titel.”
Aber davon abgesehen, wie viel Spaß Bryan bei der Arbeit an den neuen Songs hatte, ist es doch viel wichtiger, wie viel Spaß man selbst mit diesem 13. Album haben wird; und wenn meine Meinung etwas zählt, wird dieser Funke vom ersten Song an überspringen und dasselbe Gefühl bei seinen Fans auslösen. Was Bryan angeht, hat er die Arbeit keinesfalls alleine genossen, denn er hat sich wieder einmal mit seinem einstigen Songwriter-Kollegen Jim Vallance zusammengetan, während der Produzent Jeff Lynne erstmals für ihn hinter den Reglern stand. Zusammen mit Vallance hatte Adams schon vor Jahrzehnten einige der größten Hits seiner Karriere komponiert: “Cuts Like a Knife”, “Summer of 69”, “Heaven” und “Run To You” zum Beispiel, sowie mehrere Dutzend weitere. Anfang der Neunziger hatten sich die Wege der beiden dann nach und nach getrennt, doch scheint die Chemie nach wie vor dieselbe zu sein…
Als Bryan damit anfing, diejenigen Songs zu schreiben, die auf seinem neuen Album landen sollten, hatte er noch nie zuvor mit Jeff Lynne gearbeitet. Die beiden waren sich jedoch bereits über den Weg gelaufen, erstmals in den Achtzigern in Birmingham, der Heimatstadt des Produzenten. Lynne hatte damals ein Konzert von Adams besucht, doch letztlich war es eine Zufallsbegegnung im Jahr 2014 in Los Angeles, die zu einer Einladung ins Studio führte und damit alles Weitere ins Rollen brachte. Nachdem sie sich eine Weile im Studio unterhalten hatten, “war mir so, als sollte ich nun besser gehen”, erinnert sich Bryan, doch Jeff fragte: “Bryan, hättest du nun Lust darauf, irgendwann mal an einem Song zu arbeiten?”
“Es gab absolut keinen festen Plan”, berichtet Adams weiter. Er hatte zu dem Zeitpunkt bereits eine Idee für einen Song, bei dem er die späten Arbeiten von Buddy Holly im Sinn gehabt hatte (“You Belong To Me”), und ein anderer Songansatz ging eher in Richtung The Beatles (“Don’t Even Try”). Generell bezieht sich Adams ja häufiger auf die Beatles, aber er hat sich ihnen noch nie so sehr angenähert wie Jeff Lynne das vermag. Das Ergebnis ihrer Zusammenarbeit – “Don’t Even Try” – ist ein klassischer Rock & Roll-Song, der, was den Aufbau und die Struktur angeht, ähnlich perfekt ausbalanciert und vielschichtig ist wie späte Beatles-Aufnahmen: Ein Hauch von Komplexität durchzieht den Track, ohne dabei aus den Augen zu verlieren, worum es eigentlich geht – pure Ausgelassenheit.
Als Bryan dann nach seiner Tournee durch Australien nach Los Angeles zurückkehrte, “war der Song schon fast fertig”, wie er sich erinnert. “Ich hätte niemals damit gerechnet. Er hatte sich einfach hingesetzt, Bass und Schlagzeug eingespielt, ja sogar weitere Gitarrenspuren ergänzt. Wir trafen uns kurze Zeit später in L.A und nahmen gemeinsam noch weitere Akustikgitarren dafür auf. Dann schickte er mir ein paar Tage später das Mix – und ich war einfach mal komplett sprachlos.”
“Ja, Mann, das war genau mein Ding! Mein neues Album einfach komplett anders, auf unkonventionelle Art und Weise aufzunehmen, das war extrem spannend”, berichtet der Kanadier weiterhin. “Denn letztlich lief das so ab, dass wir einfach ab und zu, so jeden zweiten Monat mal einen Song machten… bis irgendwann das ganze Album im Kasten war. Interessant daran ist, dass wir während dieser ganzen Zeit kein Wort darüber verloren haben, ‘gemeinsam ein Album zu machen’, denn es ist einfach wie von selbst passiert.”
Konkret sah der Entstehungsprozess der einzelnen Songs folgendermaßen aus: Adams schickte eine Songidee rüber, die er unterwegs aufgenommen hatte (was allerdings bei ihm schon ziemlich ausgereift klingen kann: Schließlich hat er sein “Room Service”-Album nahezu komplett in Hotelzimmern aufgenommen), und dann feilte Lynne weiter an diesen Ideen, ersetzte zum Beispiel kleinere Passagen, wenn er es für nötig hielt. “Und die Resultate klangen wirklich jedes Mal so viel besser als vorher”, erzählt Adams. “Was ich noch nicht ganz so perfekt ausgearbeitet hatte, ergänzte er einfach, und besonders das Zusammenspiel von Gitarren und Gesang stimmte er perfekt aufeinander ab.” Kein nebensächliches Detail, denn natürlich lebt auch dieses Album davon, wie sich Adams' Gesang gegen die Gitarren durchsetzt, mit ihnen konkurriert. Weshalb selbst ein Statement wie “Don’t Even Try” könnte auch ein Outtake vom ‘Rubber Soul’-Album sein" nicht mal übertrieben klingt. Und weshalb auch Bryan selbst sagt: “Ich wünschte, ich hätte genau dieses Album schon vor 25 Jahren aufgenommen.”
Gemessen in der Zeitrechnung des Pop, ist Bryan Adams seiner bevorzugten Ausdrucksform (dem Rock & Roll) nun schon unglaublich lange treu geblieben, ja es ist wirklich erstaunlich, mit welcher Konsequenz er seinen Weg gegangen ist und seine Alben aufgenommen hat. “Ich kann nicht sagen, ob die Welt von heute etwas mit diesem Sound anfangen kann, wo die Gitarren doch so sehr im Vordergrund stehen, aber ich kann ganz gewiss sagen, dass das hier ein Album für Leute ist, die den Sound von echten Gitarren, echten Bässen und echtem Schlagzeug lieben”, meint Adams abschließend und will damit eigentlich sagen, dass er sich genau genommen keine Sorgen über das weitere Schicksal von “Get Up” macht.
Dann ergänzt er noch einen Satz, der als sein Credo gelten darf: “Ich wollte einfach immer Alben machen, die sich absolut ehrlich anfühlen und zu 100% meinem Wesen entsprechen.” Mehr Rock & Roll geht eigentlich gar nicht.
Was auch für “Get Up” gilt.