MELOPHOBIA: Die Angst vor Musik.
Die schwierigste Herausforderung, der sich Cage The Elephant während der Aufnahmen zu ihrem dritten Album MELOPHOBIA stellen mussten, bestand darin, die unterschiedlichen Ideen und Ansätze der fünf Bandmitglieder zu einem schlüssigen Ganzen zu vereinen. Nachdem sie zuvor rund fünf Jahre lang permanent auf Tour gewesen waren, um ihre ersten beiden Alben Cage The Elephant (2008) und Thank You, Happy Birthday (2011) live zu präsentieren, nahmen sie erst mal eine Auszeit, um jeder für sich an neuen Songideen zu arbeiten. Im August 2012 begannen sie schließlich die gemeinsame Arbeit an MELOPHOBIA…
“Jeder von uns hatte eine ungefähre Vorstellung davon entwickelt, wie dieses dritte Album klingen sollte”, berichtet Matt Shultz, der Sänger der Band. “Allerdings lagen diese Vorstellungen meilenweit auseinander, und die eigentliche Herausforderung bestand also darin, diese zum Teil gegensätzlichen Ideen schlüssig miteinander zu verbinden. Wir begannen schließlich damit, ein paar eher ruhige, fast schon intim klingende Songs zu schreiben, doch dann wurde uns recht schnell klar, dass ihnen der Nachdruck und diese verspielte Energie fehlten, die man schließlich auch von uns kennt. Sobald wir das jedoch erkannt hatten, nahm das Album quasi wie von selbst konkrete Formen an. Wir mussten also erst mal diese unterschiedlichen Ansätze kombinieren, zwischen denen zum Teil wirklich Welten lagen.”
Die Aufnahmen zum neuen Album, auf dem sie alles von absolut ausgelassenen Hymnen bis hin zu fast schon bedächtig klingenden Rocksongs präsentieren, dauerten insgesamt rund ein Jahr. Während der letzte Winter langsam vom Frühjahr abgelöst wurde, fanden zahlreiche Aufnahme-Sessions in den St. Charles Studios in Nashville statt, wobei ihr Stammproduzent Jay Joyce wieder einmal hinter den Reglern saß. Insgesamt muss man ihren Ansatz als extrem experimentell bezeichnen, denn die Maxime lautete: Eigentlich schreibt man Songs gar nicht – man findet sie vielmehr. Gemeinsam mit Joyce machte sich die Band also daran, im Studio alles aus den unterschiedlichen Songideen herauszuholen, doch auch das stellte sich zum Teil als gar nicht so einfach heraus. Das ging so weit, dass Cage The Elephant ab einem gewissen Punkt gar keine andere Musik mehr konsumierten – und Matt Shultz versuchte, sich einzig und allein von seinem direkten Umfeld inspirieren zu lassen, durch intensives Zuhören.
“Die Songs sollten eher so entstehen, wie wenn ein Kind ein Bild von seinem Elternhaus malt und die Erinnerung dabei als einzige Vorlage dient”, berichtet Shultz. “Wenn man so vorgeht, entsteht etwas, das weniger auf tatsächlichen, physikalischen Gegebenheiten basiert, sondern eher auf den Emotionen, die damit verbunden sind. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass Stolz und Angst die größten Feinde sind, wenn es darum geht, etwas Neues zu kreieren. Auch wir neigen manchmal dazu, bei gewissen Sounds oder gewissen Ansätzen zu landen, weil wir aus irgendeinem Grund glauben, es wäre das, was dem kreativen Zeitgeist entspräche – vergessen dabei aber vollkommen, dass jede Art von Kunst ja eigentlich dazu da ist, um sich selbst auszudrücken, sie also vollkommen frei sein muss von diesen Dingen. Auf diesem Album haben wir sowohl mit der Musik als auch in den Texten versucht, noch genauer das zu treffen und zu transportieren, was in uns vorgeht.”
Die erste Singleauskopplung “Come A Little Closer” ist ein massiver Rocktrack mit dezentem Blues-Einschlag; zugleich war es einer der ersten Songs überhaupt, den die Band für dieses Album geschrieben hat. Er ist insofern bezeichnend für das gesamte Album, weil er den Nachdruck, die ungefilterte Energie und die bereits erwähnte Verspieltheit, die man von ihnen kennt, mit ihrem neuen Hang zu eher gefühlvollen Klangwelten zusammenbringt (letzteres erkennt man z.B. am grandiosen Songtext und der zentralen Melodie des Songs). In eine ähnliche Kerbe schlägt auch “It’s Just Forever”, der letzte Song, den sie für dieses Album aufnahmen, wobei Cage The Elephant in diesem Fall auch noch Alison Mosshart (von The Kills) als Vokalgast ins Boot holten. Der eindringliche Gesang von Mosshart sorgt dafür, dass der druckvolle Song wirklich sofort unter die Haut geht – und ganz anders klingt als z.B. das Midtempo-Highlight “Hypocrite” oder der akustische Abschlusstrack “Cigarette Daydreams”. Insgesamt gelingt es der Band aus Kentucky auf MELOPHOBIA, bekannte Elemente in ein neues Licht zu rücken und die perfekte Balance zwischen ihrem klassischem und dem neuen Ansatz zu finden. Und was die Ausgelassenheit angeht, die immer wieder auf dem Album durchschimmert, ist sie wohl auch der Tatsache geschuldet, dass die Dinge so wunderbar ins Rollen kamen, als der anfängliche Knoten erst mal geplatzt war…
“Je intensiver wir an dem Album arbeiteten und alles ganz genau unter die Lupe nahmen, desto mulmiger wurde uns dabei”, räumt Shultz ein. “Und so mussten wir dann diese Ängste erst mal wieder aus dem Weg räumen. Das war zum Teil alles andere als ein Spaziergang, doch andererseits gab’s auch Momente mit absoluten Glücksgefühlen. Alles hing letztlich davon ab, diese Angst zu überwinden, dass wir womöglich falsch an die Sache herangehen könnten.”
MELOPHOBIA ist der Nachfolger von Thank You, Happy Birthday, das im Jahr 2011 auf Anhieb auf Platz #2 der US-Billboard-Charts landete und über eine Viertelmillion Einheiten verkauft hat. “Shake Me Down”, die Hitsingle aus besagtem Album, hielt sich sechs Wochen lang an der Spitze der US-Alternative-Radiocharts, nachdem schon ihre Debütsingle “Ain’t No Rest For The Wicked” (vom gleichnamigen Debütalbum) die Top−5 der besagten Airplay-Charts erstürmt hatte. Das Cage The Elephant-Album hat sich seit 2009 über 550.000 Mal verkauft und war 73 Wochen am Stück in den Billboard-Top−200 vertreten. Parallel dazu war die Band quasi nonstop auf Tour: Neben ausverkauften Headliner-Tourneen traten sie unter anderem auch mit den Black Keys, Foo Fighters, Queens of the Stone Age, Muse, Stone Temple Pilots und Silversun Pickups auf.
Die ursprünglich aus Bowling Green, Kentucky, stammende Band ist inzwischen dafür bekannt, die Latte mit jedem Release und jeder Tour noch ein Stück höher zu legen. Schon deshalb bezieht sich der Titel MELOPHOBIA nicht etwa auf eine allgemeine Angst vor der Musik, sondern vielmehr auf die Angst, das Potenzial der eigenen Musik womöglich nicht voll auszuschöpfen.
“Man wünscht sich doch, dass man als Mensch reifer wird und an seinen Erfahrungen wächst, und dass man die Dinge, die man unterwegs lernt dann auch auf das eigene Werk übertragen kann”, sagt Shultz abschließend. “Und manchmal muss man sich daher selbst wachrütteln, absichtlich das gewohnte Terrain verlassen, um nicht in einer Position zu landen, wo man sich nur noch wiederholt. Das ist nämlich unsere allergrößte Angst.”
Cage The Elephant sind Matt Shultz (Gesang), Brad Shultz (Gitarre), Daniel Tichenor (Bass), Lincoln Parish (Gitarre) und Jared Champion (Schlagzeug).