Biografie
Was waren wir alle gespannt, als wir die ersten Gerüchte von Caligola gehört haben!
Björn Dixgård und Gustaf Norén, so hieß es, haben eine neue Band! Genau, die Doppelspitze von Mando Diao, die zwei abwechselnden Sänger und Songwriter der schwedischen Hit-Indierocker! Mit an Bord haben sie ihre Erfolgsproduzenten vom letzten Album „Give Me Fire“: Die Gebrüder Salla und Masse Salazar, zwei Drittel der Latin Kings und in ihrer Heimat als „Erfinder des schwedischen HipHop“ echte Legenden.
Die zwei, drei Songs, die die neue Truppe in Berlin im Januar 2011, bei der Verleihung der Platinauszeichnung für „Give Me Fire“ vorstellte, zeigte die beiden Hälften in Topform: Über die rumpelnden, pumpenden Beats ihrer Producer legten die zwei Mando Diao-Frontmänner ihre geballte Rock’n’Soul-Wucht. Ein Sound, so klassisch wie modern, wie ihn sonst nur Mark Ronson bei seinen Produktionen so hinbekommt.
Und jetzt ist es da, das erste Album „Back To Earth“ und seine Songfolge ist eine einzige Hitparade: Gleich mehrere Nummern darauf haben das kommerzielle Potential des Mando Diao-Smashs „Dance With Somebody“ – und das war schließlich eine Nummer Eins in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Wenn Björn und Gustaf nach dem kürzlich erst erschienene Mando Diao „Greatest Hits Volume One“ dieses Album einfach als „Greatest Hits Volume Two“ auf den Markt gebracht hätten, jeder hätte es ihnen abgenommen. So weit, so perfekt.
Aber was ist Caligola? Auf den vorliegenden Pressefotos der Band verstecken sich die Mitglieder wie Mönche unter den großen Kapuzen ihrer Kutten – selbst Fans müssen mehrmals hinschauen, um die Zwei zu erkennen. Der Infotext aus Schweden spricht von einer verschworenen Künstlergemeinschaft und erwähnt unsere Stars gerade so am Rande. Es ist, als wollten Björn und Gustaf ein Geheimnis um ihre neue Band machen.
„Es ist kein Geheimnis“ versichert Gustaf. Aber diese Zurückhaltung, sie muss sein. Genau wie diese Kutten, denn darin steckt eine tiefere Bedeutung: „Sie symbolisieren das Aufheben von Unterschieden. Wir merken ja bei Mando Diao jeden Tag, wie personenbezogen alles gesehen wird. Eine ganze Menge Leute trägt ihren Teil zum Gesamtprojekt bei, aber am Ende wird alles nur demjenigen gutgeschrieben, der singt und der vorne steht. Das ist ein Problem, denn schließlich gibt es so viele Aspekte, die alle zur Popmusik gehören: Mode, Malerei, Film… Caligola hingegen ist eine Verbindung, in der jeder gleich ist. Das illustrieren die Capes: Jeder ist gleich, jeder hat den gleichen Wert. Der Fotograf, der dieses Bild macht, er gehört in dem Moment auch zu Caligola. Du auch, wenn du den Text darüber schreibst. “
Dann tragt ihr die Capes auch im Studio?
„Haha, manchmal ja. Und wenn wir uns treffen für ein kulturelles Event innerhalb der Verbindung, ziehen wir sie auch an, ja. Wir haben erstmals in Amerika von Caligola gehört, von dort ansässigen Schweden. Die Verbindung existierte schon lange, bevor ich und Björn und Salla und Masse einstiegen. Als Netzwerk, und als Art, zu kommunizieren, musikalisch und künstlerisch.“
Caligola ist keine reine BAND. Oder nicht nur. Caligola ist ein Künstlernetzwerk. Das Album „Back To Earth“, das ist der neue musikalische Ausdruck einer erweiterten Stockholmer Verbindung!
Gustaf Norén erklärt das Konzept: „Du hast vielleicht einen DJ, und dann hast du einen Trompeter, der zum DJ-Set spielt. Dazu stellt ein Künstler seine Bilder aus, und dann sind da vielleicht ein paar Tänzer in einer Ecke. Wie nennt man so ein Event? Jedenfalls ist es typisch für Caligola.“ Er erläutert: „Dieses Netzwerk Caligola, es existiert seit Jahren. Björn, Salla, Masse und ich sind etwa 2008 eingetreten. Irgendwann wollten auch wir unseren Beitrag dazu leisten – und wir sind nun mal Musiker. Unser Ding ist es, Alben aufzunehmen und damit auf Tour zu gehen. Salla und Masse wiederum, ihr Gebiet sind Beats. Also habe ich den Vorschlag gemacht, dass wir gemeinsam ein Album aufnehmen und auf diese Weise die Botschaft von Caligola auf Tour verbreiten.“
Ein Vorschlag, der erst abgesegnet werden wollte. „Violetta ist unsere Bienenkönigin. Sie ist eine ältere Lady, die immer tut, wonach ihr ist. Sie steckt voller Ideen, die sie weitergibt, sie ist eine Inspiration für uns alle. Seit Jahrzehnten trägt sie weltweit zur Kunst bei, aber sie hat das immer unterhalb des Radars der Öffentlichkeit getan. Als wir unser Konzept an sie herangetragen haben, da hat es ihr gefallen und sie hat uns grünes Licht gegeben.“
Was nun ist die Botschaft von Caligola, die weiter gegeben werden soll? Es geht, grob gesagt, um die gegenseitige Befruchtung verschiedener Kunstformen. Als konkretes Beispiel kann uns Caligolas erste Veröffentlichung „Sting Of Battle“ dienen. Gustaf: „Ein Anti-Kriegs-Lied. Ein befreundeter Künstler – Mitglied bei Caligola – ließ bei einer Performance die berühmte Rede von General Patton laufen und er malte live dazu. In der Rede sagt Patton ,Americans love the sting of battle‘ – diese Zeilen haben mich echt erwischt.“ Eine Malperformance als zu Grunde liegende Inspiration für einen Song – very Caligola.
Entsprechend war das Ziel, bei „Back To Earth“ auch musikalisch die Genres zu verschmelzen. Rock und Soul, HipHop-Drums und Bläser, auch Dancebeats und Jazz sind zu hören. Gustaf hierzu: „Was wir mit Caligola machen, ist das, was Salla und Masse schon ihr ganzes Leben lang machen. Die Geschichte des Producings und des DJings ist schließlich, Samples zu verwenden. Wir tun das Gleiche, nur: Wir samplen Leute. Unsere Bibliothek ist ein weltweites Netzwerk aus Künstlern.“
Die Liste an musikalischen Gästen ist entsprechend breit gefächert: Nutty Silver, Toaster. Agnes, Popsängerin. Per „Ruskträsk“ Johansson und Emil Jansson, Jazz-Saxofonist bzw. Trompeter. Oskar Bonde (Johnossi), Drummer. Hansson & Karlsson, 60s-Legenden. LaGaylia Frazier, Gospel-Diva. DJ Paul van Dyk wiederum wird für Remixe sorgen. „Seine Version von ‚Violetta‘s Song (If You Want My Love)’ will er meines Wissens sogar als erste Single seines kommenden Albums veröffentlichen“, freut sich Gustaf.
„Violetta’s Song“ ist möglicherweise das Lied, das Mando Diao-Fans am meisten überraschen wird, mit seinem pulsierenden 4/4 Beat und dem minutenlangen Solo von Per „Ruskträsk“ Johanson. Mit der Nummer haben die Musiker der „Bienenkönigin“ ihres Kunst-Kults ein Denkmal gesetzt. „,Violetta‘s Song‘ kommt von einer ihrer Theorien. Kennst du den Tanz der Bienen? Bienen teilen sich im Stock durch eine Art Tanz mit, wo es Nahrung zu finden gibt. Das ist Violettas Theorie über Caligola. Wir kommunizieren dort nicht mit Worten, sondern über Musik und Kunst.“
Wichtig ist Gustaf dabei, zu betonen: „Das Ganze ist kein tiefgründiges Projekt der hohen Kunst. Wir sind tief verwurzelt in der urbanen Populärkultur.“
Außerdem merkt er an: „Wir wollen, dass die Leute zeigen, was in ihnen steckt. Wenn sie dunkle Gefühle haben, müssen sie sie rauslassen. Der Name Caligola kommt schließlich von einem verrückten Kaiser, der sich alles rausnahm. Dass eine solche Person ein politischer Führer war, das ist total verrückt. Aber in der Kunst – in der Kunst, da ist dein Pferd zum Senator zu ernennen, völlig machbar. Kunst kennt keine Grenzen!“
Sieh an. Caligola ist also NICHT Björns und Gustafs neue Band. Dafür aber ist es etwas ungleich Interessanteres. Wenn wir uns darauf einlassen, sind wir alle ein bisschen Caligola.