Carla Bley | News | Zum 85. Geburtstag von Carla Bley - eine Jazz-Ikone

Carla Bley, Steve Swallow, Andy Sheppard
Carla Bley, Steve Swallow, Andy SheppardCaterina di Perri / ECM Records

Zum 85. Geburtstag von Carla Bley – eine Jazz-Ikone

05.05.2021
“Ich bin wie ein langsamer Schwamm, ich sauge Ideen von überall her auf, und wenn ich schließlich meine Noten finde, weiß ich, dass es die richtigen sind.”
Es gibt im Jazz nur ganz wenige Komponistinnen und Komponisten, die über eine so originelle Handschrift und wuschelige Frisur verfügen wie die am 11. Mai 1936 in Oakland/Kalifornien geborene Carla Bley. Die Autodidaktin führte ihre Originalität als Komponistin selbst einmal darauf zurück, dass sie in ihrer seligen Unwissenheit nicht erkannte, welche Wege beim Songschreiben die “richtigen” und “falschen” waren. Zu ihren frühen Vorbildern zählten Thelonious Monk, Erik Satie und Miles Davis, die allesamt mit nur wenigen Noten viel auszusagen vermochten. Doch Bleys Arbeiten umfassen auch maximalistische Stücke wie die epische Jazzoper “Escalator Over The Hill”, ein Album mit schicker Kammermusik (“Fancy Chamber Music”) und viele schwungvolle Stücke für Bigband. “Was den sehnsuchtsvollen Lyrismus, das explosive Hochgefühl und andere Ausdrücke des menschlichen Befindens angeht”, meinte der Kritiker Nat Hentoff, “sind ihre Kompositionen für Jazzbigbands nur mit denen von Duke Ellington und Charles Mingus vergleichbar.”
Als Steve Elman im vergangenen Dezember in dem Online-Kunstmagazin The Art Fuse Carlas jüngstes Trio-Album “Life Goes On” besprach, merkte er an: “Sie ist keine extravagante Pianistin – in der Tat klingen einige ihrer Soli, als hätte sie diese vorher niedergeschrieben. Sie mag es, auf eine koboldhafte, überhaupt nicht jazzige Art spaßig zu sein. Ihre Bands glichen zeitweise reisenden Varieté-Truppen. Sie hat keine Angst vor schmalziger Sentimentalität, wenngleich sie diese oft mit einem Spritzer Zitrone anreichert. In großen Formaten war sie grandios, meist ironisch, obwohl sie in der Lage ist, Grandiosität urplötzlich in Intimität zu verwandeln. In minimalistischen Formaten wie dem Trio, mit dem sie die meisten ihrer jüngsten Aufnahmen gemacht hat, können sie und ihre Kollegen so lakonisch sein, dass sie Thelonious Monks Gruppen geschwätzig erscheinen lassen. Sie ist nicht auf ‘wichtigtuerische’ Weise seriös. Aber sie ist sehr ernst, im Sinne von ‘einer künstlerischen Vision treu’.”
Vierzig Jahre lang hat Carla Bley ihre Musik auf WATT dokumentiert, dem von ECM vertriebenen Geschwisterlabel, das sie gemeinsam mit Michael Mantler gegründet hatte und heute zusammen mit Steve Swallow betreibt. Trotz ihrer langen, engen Verbindung zu Manfred Eicher und seinem Label sollte es bis 2013 dauern, bis Carla Bley mit “Trios” endlich ihr erstes eigenes Album bei ECM Records selbst herausbringen konnte. Dafür hatte sie gemeinsam mit dem Saxophonisten Andy Sheppard und dem E-Bassisten Steve Swallow einige klassische Bley-Kompositionen einer Revision unterzogen.  In derselben Besetzung entstanden danach auch ihre beiden anderen ECM-Alben “Andando El Tiempo” (2016) und “Life Goes On” (2020). “Keine Umschweife, keine selbstgefälligen Kunststückchen, kein Zierrat, nur noch Melodie, Harmonie, Rhythmus im Gleichgewicht, nur noch Schönheit”, meinte Stefan Hentz in Jazzthetik über “Life Goes On”. “Ein Spiel mit Reiz und Reaktion, Impuls und Intuition, ein Spiel, das die fluide Beweglichkeit des Rhythmus und die Grenzenlosigkeit des Zusammenspiels feiert.”

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