Circa Waves | Biografie

Circa Waves – “Different Creatures” (VÖ: 10.03.2017)

 Es waren drei anstrengende Jahre für die Circa Waves. Es waren aber auch drei extrem erfolgreiche Jahre, in denen das Quartett aus England einen eindrucksvollen Weg gegangen ist. Ende 2013 erscheint die Debütsingle Get Away/Good For Me, zweieinhalb Monate später der Nachfolger Stuck In My Teeth. Der legendäre Radio−1-Moderator Zane Lowe kürt den Song zur ‘Hottest Record In The World’. Die einschlägigen Blogs drehen ob der ebenso ungestümen wie smarten Popsongs durch. Kurz danach spielt die Band gemeinsam mit Royal Blood, Interpol und Temples auf der NME-Tour und ist mit The Libertines, Coldplay und The 1975 unterwegs. Bei einem Showcase auf dem South By Southwest-Festival im texanischen Austin steht zur Freude der Band Bill Murray im Publikum. Im März 2015 erscheint schließlich das Debütalbum YOUNG CHASERS. Eine wunderbare Platte, auf der einiges zusammenkommt. Sänger Kieran Shudall besitzt eine Stimme, die klagend klingen kann, fast zärtlich, aber auch rotzig-frech und wütend. Vor allem ist sie eine, die man unter Hunderten wiedererkennen würde. Dazu kommt ein fast schon verboten gutes Gespür für die richtige Melodie. So werden beim Hören von YOUNG CHASERS nicht nur Erinnerungen an die frühen Nullerjahre, an Bands wie The Strokes, Maximo Park oder Libertines wach, sondern auch an die goldene Zeit des Britpops und den Powerpop der späten 70er-Jahre. All denjenigen, die behaupten, Gitarrenrock wäre tot, schleudert die Band mit dieser Platte ein riesengroßes ‘Fuck You’ entgegen.
Pop-England geht da gerne mit. Das Album entert die Top10 der britischen Hitparaden, vier Songs schaffen es in die Rotation der Radiosender. Die Band, die neben Shudall aus Joe Falconer (Gitarre), Sam Rourke (Bass) und Colin Jones (Schlagzeug) besteht, spielt eine umjubelte Headliner-Tour, die meisten der Hallen sind sofort ausverkauft: Am Ende sehen sich die Circa Waves auf der Bühne der alt-ehrwürdigen Brixton-Academy in London, wo eine Crowd von etwa 5000 Besuchern freudvoll und gemeinsam eskaliert.
Ja, es waren drei anstrengende Jahre, in denen die Circa Waves zu einer etablierten Band wurden. Und wie das so ist, hat diese Zeit ihre Spuren hinterlassen. Bei aller Liebe untereinander: Am Ende der Tour sprachen die Mitglieder der Band kaum mehr miteinander. Besonders viel Lust, die alten Songs zu spielen, hatten sie auch nicht mehr. Shudall zog sich also in sein Haus in Liverpool zurück. Und fing rasch an, wieder Songs zu schreiben. Nicht unbedingt politische, aber doch solche, in denen sein Unbehagen über die Rezeption von Politik in sozialen Netzwerken mitschwingt.
Man muss genau hinhören, um dieses Unbehagen zu finden, aber sollte man das nicht ohnehin? Es taucht im Titeltrack von DIFFERENT CREATURES auf, aber auch immer wieder zwischen den Zeilen der anderen Songs. Es ist ein interessanter Seitenstrang eines der überraschendsten Rock-Alben des Jahres 2017.
Man könnte hier in den an dieser Stelle oft einsetzenden Klagegesang einstimmen. Erklären, wie schwierig das mit der zweiten Platte oft ist. Wie häufig gerade bei jungen Bands die Energie des Debüts nicht gehalten werden kann. Nur stimmt das im Falle der Circa Waves nicht. Es dauert nicht lange, bis man bemerkt, dass sogar das Gegenteil der Fall ist. Dass die noch einen draufgelegt haben. Genau genommen dauert es bis zu dieser Erkenntnis etwa zehn Sekunden. Wake Up heißt der erste Song von DIFFERENT CREATURES, und er ist nicht weniger als ein Brett. Sägende Gitarren, die mit dem Fuß auf dem Effektpedal und ohne jeden Kompromiss nach vorne gehen. Ein peitschender Beat. Und ein Kieran Shudall, der seine charakteristische Stimme, die auch auf diesem Album dafür sorgt, dass jeder Song sofort als Circa Waves-Nummer erkennbar ist, dem Hörer regelrecht ins Gesicht spuckt. Das hat mit dem Sound des Debütalbums nicht mehr viel zu tun. Das klingt ein ganzes Stück dunkler. Eine gute Ecke kraftvoller. Und das ist eine Eigenschaft, die sich durch das gesamte Album zieht. Gemeinsam mit dem Produzenten Alan Moulder (Arctic Monkeys Interpol, The Killers, White Lies) hat die Band eine Klangästhetik entwickelt, die markig Wege aufzeigt, Gitarrenrock wieder groß zu machen. Shudall selbst sagt: “Bei der ersten Platte dachte ich: Ach, mal schauen, was passieren wird. Jetzt möchte ich, dass wir die Größten sind. Die Besten. Ich will, dass wir Festivals headlinen.”
Das ist ambitioniert. Das ist aber auch total schlüssig. Rock’n’Roll lebt schließlich von Veränderung. Circa Waves haben in den letzten zwei Jahren viel erlebt, haben die Welt bereist, Erfahrungen gesammelt. Sie sind zu einer – im besten Sinne des Wortes – großen Band geworden. Sie klingen nicht mehr nach den Indie-Clubs von London, Manchester, Wolverhampton, sondern so, als könnten sie ohne Probleme auch die größten Open-Air-Bühnen der Welt rocken – tatsächlich als Headliner. Denn ein Wirkprinzip haben die Jungspunde vom ersten Album übernommen: Die Melodie ist heilig. So bleibt in Tracks wie Fire That Burns genug Platz für emotionale Graustufen. So darf ein Song wieGoodbye dezidiert amerikanisch losrocken. Nach den Foo Fighters klingen, vielleicht sogar ein bisschen nach Nirvana. An anderer Stelle wird die Handbremse angezogen: Der Titeltrack spielt mit Eighties-Einflüssen, bevor im Refrain Platz für die große Geste gemacht wird. Out On My Own ist eine seelenvolle Rock-Ballade, die mit ihrem Wall of Sound an die großen Momente von Bands wie The Verve denken lässt. Love’s Run Out ein kleines Kabinettstück, das nicht mehr benötigt, als eine akustische Gitarre und Shudalls brüchige Stimme. A Night On The Broken Tiles grüßt eindringlich vom schmutzigen Bürgersteig vor den Nachtclubs der Stadt, ist eine Geschichte von der dunklen Seite des Hedonismus, die trotzdem Hoffnung macht. Und manchmal, etwa in Crying Shame, bricht das Ungestüme des ersten Albums dann doch noch durch. Circa Waves, das ist geblieben, sind eine extrem vielseitige Gruppe.
Was die Songs eint, ist Shudalls extrem cleveres Händchen, was die richtigen Worte angeht. Wo auf dem Debütalbum noch recht unbefangen und meist uncodiert aus dem Alltag britischer Anfangszwanziger berichtet wurde, richtet er den Blick nun nach innen, kämpft, zweifelt, reflektiert – und scheint dennoch seinen Optimismus nicht verloren zu haben. “This room will lead me to an open door”, singt er in Wake Up, der ersten Single-Auskopplung von DIFFERENT CREATURES. Die Tür, die schon offen ist. Die nur noch durchschritten werden muss. Ein schönes Bild. Es spricht ziemlich viel dafür, dass 2017 für Circa Waves ein gutes Jahr werden wird. Anstrengend wird es vermutlich auch.
Circa Waves live:
18.04.2017    Hamburg, Molotow   
19.04.2017    Berlin, Privatclub   
25.04.2017    München, Kranhalle
26.04.2017    Köln, MTC
Ansprechpartner:
Presse + Online + TV: Maja.Schaefer@umusic.com
Radio: Sebastian.Stiewe@die4ma.com
 
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