Claire | Biografie

Claire – Tides

Seit Jahrmillionen unterliegt das Leben auf der Erde dem ewigen Kreislauf der Gezeiten. Dem von der Anziehungskraft des Mondes ausgelösten Ansteigen und Wiederablaufen des Wassers, das mit aller Kraft tosend und donnernd auf die Küsten peitscht, um im nächsten Augenblick ganz sanft und zart das Festland zu küssen. Ein Zyklus, dem nicht nur die Weltmeere folgen, sondern auch der Mensch: Auf seinem neuen Album „Tides“ widmet sich das Münchener Electro-Pop-Quintett Claire dieser ganz besonderen emotionalen Beziehungswechselwirkung zwischen zwei Menschen, die sich gegenseitig fast magisch anziehen – und manchmal auch wieder voneinander abstoßen.
Mit ihrem 2013 veröffentlichten Debütalbum „The Great Escape“ haben sich die nur ein Jahr zuvor gegründeten Claire als eine der aufregendsten Newcomerformationen innerhalb der europäischen Musiklandschaft etabliert. Mit seinem Chart-Entry auf Platz 38 der Longplay-Hitparade konnte das Quintett aus der bayerischen Landeshauptstadt einen ziemlich beachtenswerten Einstiegserfolg vorweisen und begeisterte im Anschluss seine stetig wachsende Fanbase auf der „Introducing“-Tour, dem Melt!-Festival, dem Chiemsee Summer Open Air und dem SonneMondSterne-Festival, während gefeierter Supporttouren für Woodkid und Bastille, einer restlos ausverkauften Headlinertour durch deutsche Clubs und nicht zuletzt auch international wie auf dem renommierten Kunst- und Musikfestival SXSW im texanischen Austin oder dem CMJ Festival in New York. Nachdem sich Claire mit ihrer im vergangenen Jahr veröffentlichten „Raseiniai“-EP von ihrer kopfkinohaften Seite gezeigt haben, präsentieren sich die Münchener um Sängerin Josie-Claire Bürkle auf „Tides“ so facetten- und abwechslungsreich, wie nie zuvor!
Ein ganzes Jahr haben sich Frontfrau Josie-Claire Bürkle, die Keyboarder Matthias Hauck und Nepomuk Heller, Gitarrist Florian Kiermaier sowie Schlagzeuger Fridolin Achten nach dem Release ihres im Herbst 2015 erschienenen 6-Track-Mini-Epos „Raseiniai“ Zeit gelassen, in Ruhe durchzuatmen, das Geschehene mit ein wenig gesundem Abstand Revue passieren zu lassen, zu reflektieren und sich darüber klar zu werden, wie die musikalische Reise weitergehen sollte, die Claire vor vier Jahren mit ihrem Erstling „The Great Escape“ begonnen haben. Mit seinem zweiten Studioalbum legt das Quintett nun das Ergebnis seiner kollektiven Reflektionen vor. „Tides“ spiegelt die natürliche Weiterentwicklung einer waschechten Ausnahmeformation zwischen Tanzfläche und Kopfkino wider. Den Schritt weg von sterilen Laptops, hin zu einem organischen Analogsound, bei dem sich clubbige Tracks mit sphärischen Momenten abwechseln; die Musik dynamisch im Gezeitenstrom pulsiert. Mut zum Experiment – so das erklärte Motto, dem Claire auf „Tides“ mit hörbarem Forscherdrang nachgehen.
„Wir haben uns viel mehr getraut, als auf unserem ersten Album“, so Keyboarder Matthias Hauck. „Alles ist heute viel mutiger geartet. Extremer. Laute Songs sind richtig laut und tanzbar, leise Songs dagegen richtig leise und atmosphärisch. Es gibt keinen Mittelweg mehr.“ Claire loten die Grenzen zwischen Pop, Electro und soundtrackartigen Elementen aus. Verschmelzen die verschiedenen Einflüsse zu einer kompakten Einheit, die vom ständig wechselnden Spannungsfeld aus laut und leise, aus Harmonie und Geräusch, aus purer Energie und ätherischer Getragenheit lebt. Und noch ein wichtiges Novum gibt es auf „Tides“ zu vermelden: So haben Claire zum allerersten Mal mit einem externen Produzenten gearbeitet und sich in die goldenen Hände von niemand Geringeren, als der britischen Mischpult-Legende Dave McCracken (Depeche Mode, Florence & The Machine, Scissor Sisters) begeben, der der Band als Berater zur Seite stand und für zwei Songs verantwortlich zeichnet. „Obwohl er erst während der laufenden Arbeiten zum neuen Album dazu kam, hat Dave enorm viel beigetragen“, fährt Gitarrist Florian Kiermaier fort. „Wir sind zu ihm nach London ins Studio gefahren und haben uns auf Anhieb so gut verstanden, dass sofort die beiden Stücke ‚Two Steps Back‘ und ‚Burn‘ entstanden. Später besuchte er uns dann in München, sah sich unsere Show an und verbrachte ein paar Wochen mit uns in unserem Studio. Er hat jeden von uns genau beobachtet und geschaut, wer wie tickt und wer was am besten beherrscht. Die Arbeit mit ihm war einerseits eine große Herausforderung, trug aber auf der anderen Seite wahnsinnig zu unserer Weiterentwicklung bei.“
Auf „Tides“ kreieren sich Claire ihre eigene Soundwelt. Nachdem dem Quintett während seiner UK-Konzertreise im September 2014 in London der Bandbus samt komplettem Equipment gestohlen wurde, geht man mit frischen Inspirationen neue Wege und hat Software gegen Hardware, und digitale Rechner gegen analoge Synthesizer ausgetauscht. Zugunsten eines organischen, warmen und kantigeren Klangbildes. „Wir arbeiten heute auf eine komplett andere Art, als auf unserem Debüt“, erklärt Keyboarder Nepomuk Heller. „Wir haben mit diesen alten Maschinen sehr viel rumgetüftelt. Alles braucht viel länger, als auf digitalem Weg. Doch auf diese Art muss man sich gezwungenermaßen sehr viel Zeit für ein Lied nehmen und sich viel intensiver mit den Stücken beschäftigen, als wenn die Songs am Rechner entstehen. Wir haben uns die Zeit genommen, die Songs reifen und sich entwickeln zu lassen; ihnen Luft zum Atmen gegeben. Es war uns wichtig, ein Stück eine gewisse Zeit liegen zu lassen, um es dann mit ‚neuen Ohren‘ zu hören. Dafür klingt heute alles lebendiger und echter. An einigen Stellen rauscht und brummt es; wir haben diesmal viele Fehler und Nebengeräusche einfach drin gelassen, weil sie den besonderen Charakter des Albums ausmachen.“
Ob episch und schwelgerisch, wie auf der ersten Single „End Up Here“, oder treibend und tanzbar wie auf dem cluborientierten „Friendly Fire“ – Claire haben mit „Tides“ eine einzigartige, dramatische Soundästhetik zwischen stürmischen Dancetunes und Score-ähnlichem Kopfkino-Pop mit stellenweise ungewohnt noisigen Shoegaze-Elementen geschaffen, über dem die mal soulig-verträumten, mal sexy-fordernden Vocals Josie-Claire Bürkles schweben. Aufgelockert wird der markante Mix zusätzlich von experimentellen Tracks wie dem funky Ohrwurm „Masquerade“, dem schwerelos fließenden House-Tune „Drowning“ oder dem exotisch-unwirklichen „The Crash“, in dem sich Claire einen lange gehegten Wunsch erfüllt und mit einem kleinen Kinderchor gearbeitet haben. Ein emotionaler Gezeitenwechsel mit Suchtfaktor. Und auch thematisch dreht sich alles um die ständige Wiederkehr von Ebbe und Flut – wenn auch metaphorisch gesehen, wie Sängerin Josie-Claire Bürkle erklärt.
„Der Albumtitel ‚Tides‘ ist eine gute Zusammenfassung, worum es inhaltlich auf der Platte geht. Wir haben im Vorfeld sehr lange über die Stücke gesprochen und die Dinge auf den Tisch gebracht, die uns bewegt haben. Das erste Album war thematisch noch sehr offen gehalten; diesmal ist alles viel persönlicher: Es geht in den Songs sehr oft um Zwischenmenschliches, wie die unterschiedlichen Stadien der Liebe und die Stationen, an denen man sich innerhalb einer Beziehung befindet. Um den Zyklus des Werden und Vergehens der Liebe“, wie auch auf dem letzten Song „Come Closer“ deutlich wird – einer bittersüßen Uneasy-Listening-Ballade über Nähe, Vertrautheit und scheinbar unüberwindbare Distanz. „Es war eine Stimmungsentscheidung, ihn ganz ans Ende zu setzen. Der Song rundet die Platte sehr schön ab. Ein extrem emotionales Lied, das am Ende ausbricht und noch eine ganz andere Facette von uns zeigt. Es ist zwar kein klassisches Happy-End, trotzdem schwingt ein wenig Hoffnung und das Verlangen nach Harmonie mit. Bis sich das Meer der Gefühle so langsam wieder zu einer neuen Sturmflut hochschaukelt…“
 
 
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