Seit mehr als 20 Jahren verzaubern die Counting Crows ihre Hörer in aller Welt mit ihrer zutiefst gefühlvollen und komplexen Art zeitlosen Rock and Rolls. Nun wagt sich die aus San Francisco stammende Alternative-Rockband auf ihrem siebten Studioalbum “Somewhere Under Wonderland” mit einer neuen Herangehensweise beim Songwriting, die abenteuerlustig und visionär ist, dabei aber immer noch auf ursprünglichen Emotionen basiert, in neue Gefilde vor. Von der gleichen echten Leidenschaft angetrieben, die ihre Songs seit dem mehrfach mit Platin ausgezeichneten Album “August and Everything After” von 1993 durchströmt, setzen die Counting Crows (Sänger Adam Duritz; Gitarristen David Bryson, David Immergluck und Dan Vickrey; Bassist Millard Powers; Keyboarder Charlie Gillingham und Drummer Jim Bogios) jeden der neun ausschweifenden Songs auf “Somewhere Under Wonderland” aus üppigen Klangteppichen und erzählerischen Texten zusammen. So sind einige ihrer bisher epochalsten und doch intimen Songs entstanden.
Als Nachfolger des Cover-Albums “Underwater Sunshine (Or What We Did on Our Summer Vacation)” der Counting Crows von 2012 wurde “Somewhere Under Wonderland” stark von dessen überarbeiteten Versionen geschätzter Stücke von Künstlern wie Bob Dylan, Big Star, Gram Parsons und Faces inspiriert. “Die Arbeit an dem Cover-Album war außergewöhnlich für die Band”, sagt Duritz. “Sie hat uns auf viele neue Ideen gebracht, wie man Musik machen kann.” Nach der Tour zu “Underwater Sunshine” schrieb die Band “Somewhere Under Wonderland” im Rahmen einiger fieberhafter Sessions, während sie im Herbst 2013 ein paar Wochen lang in Duritz' Loft in Greenwich Village wohnte. Anschließend traf man sich im Dezember und im Februar in den Fantasy Studios in Berkeley mit dem Produzenten Brian Deck, der schon mehrfach mit den Counting Crows, aber auch Iron & Wine, The Shins, Margot & The Nuclear, So and So’s und Modest Mouse zusammengearbeitet hat. Als das Album Gestalt annahm, erkannte die Band, dass es ihrem Songwriting und Sound zu mehr Vielseitigkeit verhalf, die Musik anderer Acts zu interpretieren. “Wir haben die Songs anderer Leute gesungen und dabei neue Perspektiven eingenommen, so haben wir uns davon entfernt, die Musik nur als eine Möglichkeit anzusehen, das auszudrücken, was ich erlebe”, erklärt Duritz. "Ich fing an, mir zu erlauben, über Sachen zu schreiben, über die ich früher nicht geschrieben hätte. So sind ein paar echt tolle Songs entstanden.
Der Titel “Somewhere Under Wonderland”, der dem skurrilen und dahinschlurfenden zweiten Song des Albums, “Earthquake Driver”, entnommen ist, ist eine Verbeugung vor dem Laurel Canyon in Hollywood, wo Duritz einst zu Hause war. “Ich zog dorthin, als das mit uns anfing, so verrückt zu werden”, erzählt er und meint damit die Jahre nach dem Riesenerfolg von “August And Everything After”. “Dort habe ich mein Leben quasi von vorn angefangen, und auf diesem Album geht es eigentlich auch um einen Neuanfang”. Dieses Gefühl der Erneuerung vermittelt Duritz auf anmutige Weise auf “Somewhere Under Wonderland” – ein Neubeginn, ohne sich der Last der Vergangenheit gänzlich entledigen zu können. Dies gelingt ihm vor allem durch warmen und kraftvollen Gesang, bei dem sich oftmals Hoffnung und Melancholie in einer einzelnen Note vereinen, sowie elegant gedichtete Texte, die schon beinahe romanhafte Ausmaße annehmen. “Es kann sehr beschränkend sein, nur aus der eigenen Erfahrung heraus zu schreiben, daher erzählen die Songs oft zum Teil die Geschichte anderer Personen, mal in der Ich-Form und mal nicht”, sagt Duritz, der zudem feststellt, dass seine kürzliche Zusammenarbeit mit dem sehr anerkannten Bühnenautor Stephen Belber für das in den USA aktuell laufende Theaterstück “Black Sun” ihm dabei geholfen hat, zu einer neuen Herangehensweise an die Texte zum Album “Somewhere Under Wonderland” zu finden.
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Palisades Park”, der achteinhalb Minuten lange Opener von “Somewhere Under Wonderland”, begleitet zwei fiktionale Freunde in der sich stark im Umbruch befindlichen Welt des New Yorks der späten 70er, die gerade dabei sind, sich selbst zu finden. Die abwechselnd fröhlich und herzzerreißende, klaviergetriebene Geschichte ist durchsetzt mit Bildern der Boxlegenden
Jack Johnson und
Jim Jeffries, fliegenden Pferden und Flipperautomaten,
Edie Sedgwick und
Angel Dust – all das inmitten einer komischen Romanze, die sich manchmal zu zärtlichen Aphorismen aufschwingt (“Real love outlives teenage lust/ We could get wet and it keeps us warm”). Dieses kunstvolle und doch einfache Gleichgewicht zwischen ausgefallenen Bildern und treffenden Beobachtungen zieht sich durch das gesamte “Somewhere Under Wonderland”. So erzählt beispielsweise das großartig angeheizte “
Elvis Went to Hollywood” Geschichten von Aliens auf Motorrädern und dem Geist von
Alex Chilton, und das treibende, harmonienreiche “
Scarecrow” beklagt “American boys at the Park ‘n’ Shop, selling their memories for a dollar a pop”. “
Earthquake Driver” dagegen setzt seiner fröhlichen Melodie die rastlose Energie seines Textes entgegen (“What is the price for all this fame and self-absorption?/ We turn ourselves into orphans/ And then spend our nights alone”). Mit “Dislocation” bieten die Counting Crows schließlich eine hochfliegende aber wehmütige Ergründung von Isolation und Identität in unserer Zeit (“I am written in the radio/ I dream on my TV”), die neben
Jackie O auch U-Bahnen, Gammastrahlung, Papierflieger, Geburtstagstorten und Bomben erwähnt.
Doch all das ist eigentlich nichts Neues. Die Counting Crows sind schon lange mit herrlich vielschichtigen Songs erfolgreich, deren Texte immer neue Stimmungen offenlegen. Die Band gründete sich Anfang der 90er in San Francisco und erlebte ihren Durchbruch mit ihrem Debütalbum August and “Everything After”, das von T-Bone Burnett produziert wurde, der ehemaliges Mitglied von Bob Dylans Rolling Thunder Revue ist und außerdem Künstler wie Elvis Costello und Los Lobos produziert hat. “August and Everything After” verkaufte sich letztlich sieben Millionen Mal, und das zweite Album der Counting Crows, “Recovering the Satellites”, das von Gil Norton produziert wurde, der bahnbrechende Arbeit für die Pixies, Gomez und die Foo Fighters geleistet hat, schaffte es bei seiner Veröffentlichung im Oktober 1996 direkt auf Platz 1 und erreichte schließlich Doppelplatin. Die Counting Crows erarbeiteten sich einen Ruf als unvergesslicher Liveact und veröffentlichten 1999 “This Desert Life”, 2002 “Hard Candy” und 2008 “Saturday Nights & Sunday Mornings” sowie 2004 die Oscar-nominierte Single “Accidentally in Love” und eine Menge Live-Alben (darunter “Echoes of the Outlaw Roadshow” von 2013, dessen Titel auf die immer noch stattfindenden Konzerte anspielt, die Duritz zusammen mit dem Blogger Ryan Spaulding (Ryan’s Smashing Life) organisiert, um Indiebands zu mehr Popularität zu verhelfen).
Mit “Somewhere Under Wonderland” setzen die Counting Crows ihre Tradition fort, kompromisslos ehrliche Musik zu spielen, die auf reinen Emotionen basiert, selbst wenn die Geschichten, die im Mittelpunkt der Songs stehen, bloße Fiktion sind. “Palisades Park” zum Beispiel ist von Duritz' Jugendzeit im wilden San Francisco inspiriert, wird aber ebenso von seinen Erfahrungen des Musikerlebens genährt: “Man lebt völlig außerhalb von dem, was alle anderen machen, das kann sehr befreiend, aber auch beängstigend sein.” Für Duritz ist einer der bereicherndsten Aspekte des Perspektivwechsels auf “Somewhere Under Wonderland” das freudige Vordringen in einige seiner bisher unbekannten Hirnwindungen. “Ich habe mich mit einem Freund unterhalten, der auch Songwriter ist, und ihn gefragt, ob er findet, dass die Songs auf diesem Album weniger persönlich sind, als die, die ich sonst schreibe”, erzählt Duritz vom Entstehungsprozess von “Somewhere Under Wonderland”. “Und er sagte, ‘Nein’ mir kommen sie tatsächlich noch viel persönlicher vor. Für mich hast du die letzten 20 Jahre mehr oder weniger damit verbracht, eine epische Tragödie darüber zu schreiben, wie es ist, an einer psychischen Erkrankung zu leiden, aber das ist ja nicht alles, was dich ausmacht. Du läufst nicht jeden Tag von früh bis spät depressiv durch die Gegend. Du bist lustig. Du redest viel Blödsinn und hast verrückte Gedanken, dir fallen verdrehte Assoziationen ein, auf die andere nicht kommen würden. Es ist nicht eine einzige große Tragödie. Die anderen Alben sind toll, aber das hier kommt einer kleinen Reise in deine Gedankenwelt viel näher.”