Wer oder was genau verbirgt sich denn nun hinter diesem Namen, Cover Drive?
Amanda, die Sängerin der Band, kann das am besten erklären:
“Ich vergleiche uns eigentlich immer mit einer Packung Starburst”, meint die 20-Jährige aus Barbados lachend und bezieht sich damit auf eine britische Süßigkeit, die viel mit Maoam gemeinsam hat. “Okay, ich weiß, es klingt erst mal schräg, aber wenn du sämtliche Farben und Geschmacksrichtungen, die es von Starburst gibt, gleichzeitig in den Mund nimmst, dann ist das Geschmackserlebnis ungefähr mit unserem Sound zu vergleichen. Rot ist unsere wilde, rosa die süße Seite, Orange zeigt, dass wir auch abgefahren und kantig klingen können, und Gelb, wie viel zusätzliche Würze wir dem Ganzen verleihen.”
Die Sängerin hat ihre Ausführungen erst zur Hälfte vorgebracht, da versuchen ihre die Augen verdrehenden Bandkollegen sie auch schon zu unterbrechen – was typisch ist für diese Band. Jamar, 18 und Bassist, und Barry, 22 und Gitarrist von Cover Drive, erheben sofort Einspruch, wenngleich mit Augenzwinkern; ihnen gefällt der Süßigkeitenvergleich scheinbar nicht so recht. Nur T-Ray, der 18-jährige Schlagzeuger, schließt sich Amanda an, was jedoch auch daran liegen könnte, dass sie einst seine Babysitterin war…
Süßigkeiten hin oder her, fest steht, dass Cover Drive eine Band ist, die so einzigartig und ausgelassen klingt wie kein anderer Act dieser Tage. Mit einem Bein noch in Barbados beheimatet, wenngleich momentan damit befasst, nach London zu ziehen, wo sie kürzlich bei Polydor unterzeichnet haben, kombiniert dieses Quartett die sonnig-durchwärmten musikalischen Wurzeln der karibischen Heimat mit extrem eingängigen Pop-Hooks, die sie gemeinsam mit Top-Schreibern und -Produzenten wie Wayne Hector, Steve Mac, Ina Wroldsen, J.R. Rotem und Future Cut aufgenommen haben. Ihr Sound ist einfach extrem positiv, lebhaft, ausgelassen, nach vorne schauend, und er funktioniert gleichermaßen am Strand oder in der City, daheim oder im Club. Sie selbst nennen das übrigens „sunshine-y, feel-good music“ – Sonnenscheinwohlfühlsound aus Barbados.
Nachdem sie vergangenes Jahr ein einziges Video bei YouTube hoch geladen hatten, eine Coverversion von Trains “Hey Soul Sister”, aufgenommen nur wenige Monate nach der Gründung, wurden die vier Freunde, die allesamt zuvor auf eigene Faust Musik gemacht hatten, auch bereits entdeckt. Doch erst als sie sich auf Anraten von Amandas Manager zusammengetan hatten, entstand im Verlauf der gemeinsamen Sessions ihre ganz eigene Version von “Sonnenschein-Pop” aus dem karibischen Inselreich.
“Wir alle kannten uns damals schon Ewigkeiten, aber wir waren nie auf die Idee gekommen, eine Band zu gründen”, so Amanda. “Doch als wir dann erst mal zusammen gespielt hatten, fühlte es sich wie die nahe liegendste Sache der Welt an. Wir passen einfach perfekt zusammen. Ich liebe Pop, T-Ray steht auf Metal, Jamar auf Indie-Sound und Barry liebt seine Punkrock-Sachen, nur verbinden wir all diese Einflüsse und unsere karibischen Wurzeln zu einem kantigen und doch positiven und eingängigen Sound, den so wohl niemand macht außer Cover Drive.”
Auch wenn der Bandname eher auf den in ihrer Heimat weit verbreiteten Hang zum Cricket anspielt, waren es in der Tat die eigenen Coverversionen, die schon recht früh dafür sorgten, dass auch die großen Labels hellhörig wurden. Unter dem Titel “The Fedora Sessions” – denn solche weichen Filzhüte trugen sie alle, was schon deshalb kein Problem war, weil der Hut-Sammler T-Ray bestimmt 20 Stück hat – hatten sie in T-Rays Keller ihre eigenen karibisch-funky angehauchten Versionen von “Hey Soul Sister”, “Airplanes” (von B.o.B.) oder “Tik Tok” (Ke$ha) gefilmt und daraufhin direkt ein Angebot von Sony USA auf den Tisch bekommen. Es folgte gleich noch eins von Polydor Records – und einen Showcase im Hause ihres Mentors Eddy Grant später, in dessen Rahmen sie vier Eigenkompositionen spielten, war alles auch schon unter Dach und Fach: Der Vertrag wurde unterzeichnet und die Band erklärte sich bereit, nun auch endlich nach Großbritannien zu ziehen.
“Wir wussten einfach, dass man in UK eher begrüßen würde, dass wir so andersartig klingen”, gibt Jamar zu bedenken. “Denn wir sind zwar vielleicht noch jung, aber wir wissen schon ganz genau, wie unsere Songs zu klingen haben. Und natürlich war es toll, mit so erfahrenen Songschreibern und Produzenten ins Studio zu gehen, aber uns war dabei absolut wichtig, dass wir nichts von derjenigen Energie einbüßen, die wir ursprünglich hatten, als wir vier noch auf uns alleine gestellt waren.”
Das haben sie auch nicht, und auch die Arbeit selbst ging mit reichlich Tempo vonstatten: permanent reisten sie zwischen Barbados, London, L.A., New York und, nun ja, Surrey hin und her (“Surrey war schon einen Tick zu verschlafen für unseren Geschmack”, stöhnt Barry), um Songs zu schreiben und einzuspielen, und nach nur sechs Monaten war ihr Debütalbum auch schon so gut wie im Kasten.
“Wir haben viel gelernt von den unterschiedlichen Produzenten“, berichtet T-Ray, „aber wir haben auch gelernt, dass man seinen Mund aufmachen und die eigene Meinung sagen muss. Wir haben alles dafür gegeben, unserem eigenen Sound treu zu bleiben. Und so kam der Sound, den wir in den Coverversionen ursprünglich entdeckt hatten, in diesen Sessions immer klarer zum Vorschein, anstatt immer wässriger und unschärfer zu werden.”
Zehn weitere hektische Monate sind seither vergangenen, und das inzwischen fertig abgemischte Album reflektiert perfekt den Sound dieser Band. Schon die erste UK-Single “Lick Ya Down”, aufgenommen in L.A. mit J.R. Rotem, ist grandioser Dancehall-Pop mit viel Bass; der Songtext basiert in diesem Fall auf einer Redewendung aus Barbados, die so viel bedeutet wie “ich mach dich platt”.
“Ja, ‘Lick Ya Down’ sagt man, wenn man richtig sauer ist und es jemandem heimzahlen will”, so T-Ray. “Allerdings ist es schon eher eine verbale Drohung, man muss deswegen nicht gleich losziehen und wirklich einen umhauen. Uns gefällt das, Slangausdrücke aus der Heimat in unseren Songs zu benutzen, ohne die macht’s einfach keinen Spaß.”
Selbst wer ihre Songs zum ersten Mal hört, erkennt sofort, warum dieser Sound in den kommenden Monaten an jeder Ecke laufen wird. Das rhythmisch ausgefeilte “That Girl” z.B. verbindet Beats im Soca-Style mit extrem hohen, fast schon hypnotischen Vocals, bis explosionsartig der unfassbar eingängige Refrain im Reggae-Pop-Gewand einsetzt. “Twilight”, mit T-Ray am Mikrofon, klingt wie massiver Euro-Pop, der einmal durch den Karibik-Mixer geschickt wird, und beim gefühlvollen Lovesong “Sparks” singen sowohl Amanda als auch T-Ray, und zwar hier über einem Teppich aus Piano- und Elektrosounds.
Während der Aufnahme-Sessions für ihr Album haben Cover Drive zugleich fleißig immer neue Karibik-Pop-Coverversionen aufgenommen und ins Netz gestellt – sie spielten zum Beispiel neue Version von “Starry Eyed” (Ellie Goulding), “California Girls” (Katy Perry), “Price Tag” (Jessie J) oder auch von J-Los “I’m Into You”. Bei YouTube kann man T-Ray in diesen Clips dabei zusehen, wie er mit seinen Schlagzeug-Sticks auf einem Helm spielt (den er über dem weichen Filzhut trägt, wie sich versteht), mit einem Sand-Shaker in einer Limonadenflasche abgeht, oder Beats macht, indem er Kartons aufeinander schlägt oder ein Skateboard mit der Oberseite über den Boden schleift.
“Unser wichtigstes Ziel für dieses Album lautete, mindestens so viel Spaß bei der Arbeit zu haben wie daheim in unserem Keller“, sagt Amanda abschließend. „Der Plan ist aufgegangen, was man definitiv auch hören kann. Diese Songs handeln davon, wie es ist, jung zu sein, Spaß zu haben und unter der karibischen Sonne zu leben.”