Cris Cab springt vom Sofa und drückt seinem Kollegen, mit dem er gerade eine Runde FIFA spielt, dabei schnell noch einen lockeren Spruch. Eine alltägliche Szene, wie man sie von vielen seiner Altersgenossen sicherlich erwarten würde – nicht aber unbedingt von ihm, denn der Lebenslauf des 19-Jährigen ist alles andere als gewöhnlich: Sein Mentor ist Pharrell Williams, sein Studio-Partner hört auf den Namen Wyclef Jean, dazu ist Cris bereits im Vorprogramm von O.A.R., Matisyahu, T-Pain und Gym Class Heroes aufgetreten – und sein YouTube-Channel verzeichnet inzwischen über 7 Millionen Views. Besonders viel Zeit für Faulenzen und Videospiele bleibt da eigentlich nicht.
Allerdings sollte man Cris Cab auch nicht auf sein jugendliches Alter reduzieren, dafür ist die Liste seiner bisherigen Errungenschaften schlichtweg zu beeindruckend. Was ihn zu einer derartigen Newcomer-Ausnahmeerscheinung macht, ist der Enthusiasmus, den er an den Tag legt, die Tatsache, dass er alles um ihn herum wie ein Schwamm in sich aufsaugt: Sein Sound, in dem er Pop, Reggae und Soul auf vollkommen neue Art zusammendenkt, besticht nicht zuletzt wegen dieser unbedingten Neugierde – und wegen seiner einzigartigen Stimme, ganz gleich, ob man sie nun auf Kopfhörern oder im Konzertsaal hört.
Geboren wurde Cris Cab, dessen Eltern aus Kuba stammen, in Miami. Mit gerade mal fünf Jahren bekam er seine erste die Gitarre: Weil er einen Freund bei einem Talentwettbewerb in der Schule übertrumpfen und die James-Bond-Melodie darauf lernen wollte. Während er also fleißig auf seinem Instrument übte, entdeckte er auch den einen oder anderen Klassiker in der Plattensammlung seiner Eltern: The Police zum Beispiel, aber auch die Beatles, die Stones. Dann verbrachte er mehrere Sommer mit seiner Familie auf den Bahamas, was noch ganz andere Einflüsse mit sich brachte: Bob Marley, Jimmy Cliff und Gregory Isaacs.
Als Cris dann 14 war, buchte sein Vater die erste Studio-Session für ihn. Und so entwickelte er sich endgültig zu einem Vollblut-Musiker, der die unterschiedlichsten Ansätze in seinem Sound vereint: Altes und Neues, stets mit einem Bein in den USA, dem anderen in der Karibik. Eine Zufallsbegegnung ermöglichte es ihm schließlich, die ersten eigenen Demoaufnahmen einem gewissen Pharrell Williams vorzuspielen: Der war zwar sofort beeindruckt, sah aber auch, dass Cris’ Talent noch ein wenig Feinschliff gebrauchen konnte. Er befolgte also den Rat des Super-Producers, übte in jeder freien Minute weiter, arbeitete an seinem Können als Songwriter und spielte obendrein jedes Konzert, bei dem er (als Teenager) überhaupt reingelassen wurde. Drei Jahre gingen so ins Land, bis er und Pharrell ein weiteres Treffen arrangierten: Dieses Mal war Mr. Williams sofort überzeugt. “Er wird zwar gerade erst richtig warm, aber dieser Typ ist die Zukunft”, so Williams' Kommentar.
2011 unterzeichnete Cris schließlich einen Management-Deal. Danach veröffentlichte er eine Reihe von Videos, die im Handumdrehen von sämtlichen Blogs und Websites abgefeiert wurden – von Perez Hilton bis hin zur offiziellen Billboard-Seite. Seine Coverversion von Wiz Khalifas „Black and Yellow“ verzeichnete nach nur sieben Tagen über 100.000 Views. Während sich Cris mit seiner stetig wachsenden Fangemeinde im Netz austauschte, legte er mir “Foreword” schließlich eine erste EP vor, auf der auf die Single “Good Girls” vertreten war.
“Good Girls” wiederum bescherte ihm eine sehr viel breitere Öffentlichkeit, und so hörte auch Wyclef Jean von ihm: Die beiden arrangierten ein Treffen, als Cris gerade in New York war, um seine EP live vorzustellen – und so hatte er schon bald seinen zweiten Mentor: “Mit Cris zu spielen ist wie Wasser trinken: Es läuft einfach”, so Wyclef.
2012 legte Cris Cab dann sein erstes Mixtape vor: “Echo Boom”, das bis dato über 300.000 Downloads verzeichnet. Nach der Generation der “Echo Boomer” betitelt – hierzulande eher als “Generation Y” bekannt, gemeint sind zwischen 1982 und 1995 geborene Digital Natives –, waren auf dem Mixtape nicht nur seine eigenen Produktionen zu hören, sondern auch die von hochkarätigen Gästen wie PJ McGinnis, Wyclef, Pharrell, Supa Dupes und 88 Keys.
Nunmehr mit noch mehr Rückenwind unterwegs, stand als nächstes die Vertragsunterzeichnung bei Mercury Records auf dem Programm: Seine offizielle Debütsingle “Good Girls (Don’t Grow On Trees)”, ein Update des gleichnamigen, noch in Eigenregie veröffentlichten Stücks, wurde von Pharrell mitkomponiert, während Wyclef die Produktion übernahm und Big Sean als Feature-Gast mit im Boot war.
Zurück auf der Couch, sind Cris Cabs Freunde in diesem Moment wohl noch in der Schule – wie seine Fans übrigens auch. Doch die Grenze zwischen Fan und Freund ist inzwischen so gut wie hinfällig: In seiner Generation basiert das Künstler-Fan-Verhältnis in erster Linie auf Transparenz, auf dem Gefühl, eine Sache gemeinsam zu feiern, zu teilen, zu leben. Für Cris ist das kein Problem; er ist von Natur aus aufgeschlossen und den Leuten zugewandt. “Darum geht’s doch in meiner Musik”, sagt er, “um eine Erfahrung, die man mit anderen Menschen teilt.”