Am 29. Dezember 1736 erklang vom Stephansdom ein Geläut, wie es die Wiener nur erlebten, wenn Herrscher geboren, verheiratet oder beerdigt wurden. Man geleitete einen Leichnam zu »Sankt Stephan in die Kruften«, wie im Totenverzeichnis des Doms nachzulesen ist, und tatsächlich war tags zuvor ein Fürst gestorben, ein Fürst der Musik: Antonio Caldara. In ganz Europa kannte und liebte man seine Werke, die dank einer unglaublichen Schaffenskraft Jahr für Jahr aus seiner Feder flossen: Eine unendliche Folge von Opern, Oratorien, Kantaten, Messen, Psalmen und Kammermusikwerken. Doch kaum war das »Fürstengeleuth« verklungen, da begann Caldaras Ruhm schon zu verblassen. Ein besonders glanzvolles Kapitel europäischer Musikgeschichte war damit zu Ende gegangen. Über Jahrzehnte und Jahrhunderte wurden nur wenige Werke Caldaras öffentlich aufgeführt, obwohl viele Komponisten seine geistliche Musik zunächst noch sehr schätzen. »Er war gleichwertig mit Händel und Vivaldi«, erklärt der Dirigent Andrea Marcon, der sich nun zum ersten Mal überhaupt mit Antonio Caldara beschäftigt hat. »Er war zu seiner Zeit berühmter als Bach, der ja auch ein Magnificat von Caldara studiert und transkribiert hat.« Mit der Archiv Produktion-Aufnahme „La concordia de’pianeti“ bekommt die Musikwelt nun ein Juwel seines Oeuvres zurück, das in dieser Weltersteinspielung sicher viele neue Liebhaber und Freunde finden wird.
Bis La concordia de’ pianeti aufgeführt werden konnte, musste Andrea Marcon Unmengen von Mikrofilmen sichten: »Ich hatte die Idee, eine Serenata auszuwählen, ein sehr festliches Stück. Die Besetzung umfasst vier Trompeten, Pauken und natürlich Oboen. Das war für eine Open-Air-Aufführung gedacht.« Im November 1723 befand sich das Kaiserpaar auf der Rückreise von Prag, wo Karl kurz zuvor zum König von Böhmen gekrönt worden war. Am 19. November machte die Reisegesellschaft Halt auf Schloss Znaim in Südmähren, um dort den Namenstag von Kaiserin Elisabeth zu feiern. Aus diesem Anlass hatte Antonio Caldara ein neues Werk parat: La concordia de’ pianeti, keine Oper, sondern ein componimento teatrale, eine »theatralische Komposition«.
»Dramaturgisch ist das Stück nicht komplex: Es geht um den harmonischen Frieden der Planeten, die miteinander über Kaiserin Elisabeth kommunizieren«, so Andrea Marcon. Um die Symbolik und die textlichen Andeutungen des Librettos richtig zu verstehen, ist es wichtig zu wissen, dass Kaiserin Elisabeth (hier »Elisa« genannt) zum Zeitpunkt der Aufführung schwanger war. Die Habsburger warteten damals dringlich auf einen männlichen Thronfolger (ein Wunsch, der nicht in Erfüllung ging). Auch wenn dieser Wunsch damals nicht in Erfüllung ging – diese Wiederentdeckung und Erstaufnahme von Caldaras „theatralischer Komposition“, fast 300 Jahre nach ihrer Entstehung!, lässt keine Wünsche offen.