Mit Eins Zwo, „Die Pfütze des Eisbergs“ und seinen Auftritten im „Neo Magazin Royale“ hat er Rap-Geschichte geschrieben. Nun erscheint das dritte Dendemann-Soloalbum: Auf „Da nich für!“ führt der Rapper alle Stränge seiner Karriere konsequent zusammen. Dendemann ist so politisch, wach und auf den Punkt wie noch nie.
Acht Jahre sind seit der bislang letzten Dendemann-Platte, „Vom Vintage Verweht“, ins Land gezogen. Während der Zeit, die der Rapper als musikalischer Sidekick in Jan Böhmermanns „Neo Magazin Royale“ auftrat, waren die Frotzeleien um einen möglichen Nachfolger ein zuverlässiger Running Gag der Sendung. Als der Talkmaster Dendemann im Dezember 2016 verabschiedete, lautete seine letzte Frage: „Wann kommt dein Album raus?“ Sagen wir so: Die Frage kann beantwortet werden.
Gleich mit den ersten Tönen von „Da nich für!“ spielt es plötzlich überhaupt keine Rolle mehr, wie viel Zeit für die Produktion dieser Songs draufgegangen ist. „Da nich für!“ ist das eine Dendemann-Album geworden, von dem man immer gedacht und gehofft hat, dass er es irgendwann machen würde. Und nun ist diese Musik da.
Es ist Musik, die Eins Zwo ebenso in sich trägt wie „Die Pfütze des Eisbergs“. Die traditionsbewusst ist, aber zu keinem Zeitpunkt altbacken. Modern, aber nicht anbiedernd. Kurzum: „Da nich für!“ verbindet alte und neue Schule und ist im besten Sinne zeitlos und auf den Punkt. Dendemann rappt über Selbstoptimierung in neoliberalen Zeiten, Rechtspopulismus, den alten und den neuen HipHop, seine eigene Geschichte.
„Ich dende also bin ich“ ist eine Einführung in das System Dende aus der Sicht und mit den Worten von Dendemann, dessen charakterliche Eigenheiten der Song in gut drei Minuten auf den Punkt bringt. Hier blitzt zum ersten Mal Dendemanns legendäre Fähigkeit zur pointierten Selbstironie auf. „Spätzünder ja, aber Blindgänger nein, doch all die abertausend’ Gründe waren und sind streng geheim“, rappt er – und erzählt so natürlich auch die Geschichte dieses Albums.
Der Song eröffnet ein Werk, für das Haltungslosigkeit keine Option ist. Mit einer Hook auf Basis eines bekannten Slime-Refrains und einem grandios Dub-infizierten B-Teil beschreibt etwa „Keine Parolen“ die Haltungslosigkeit und Selbstbezogenheit übersättigter Wohlstandsbürger.
In „Alle Jubilare wieder“ geht es dann um den Hedonismus der Berliner Party-Republik. Feature-Gast Casper – wer würde besser mit Dendemanns Eisennägel-zum- Frühstück-Organ harmonieren? – nutzt seine Strophe, um seinen ganzen Abscheu über dieses Lebensmodell in die Welt hinauszukotzen.
„Zeitumstellung“ lebt in der Hook von einem Wortspiel, das bei anderen platt wirken könnte, hier aber in kluger Zeitgeistdiagnostik und einem Aufruf zum Widerstand gipfelt: „Endlich wieder Zeit, um Stellung zu beziehen“, singt Arnim Teutoburg-Weiß von den Beatsteaks, es geht natürlich um die neue Rechte.
Das resignative „Zauberland“ basiert auf einem Sample des gleichnamigen Rio-Reiser-Songs. Doch wo Reisers „Zauberland“ einer vergangenen Liebe hinterhertrauerte, beschreibt Dendemanns Version das tägliche Drama geflüchteter Menschen. In dem an Kraftwerk erinnernden Industrial-Rap „Menschine“ geht es dann um jene perfektionierte Form von Selbstausbeutung in neoliberalen Zeiten, die unter dem Euphemismus Individualität bereitwillig bis ins selbstoptimierte Privatleben ausgedehnt wird.
Dendemann rappt diese Songs mit seiner ganz besonderen Sprache, die er hier zur Perfektion verdichtet hat und die außer ihm niemand beherrscht. Er ist nicht nur einer der begabtesten Rapper der Republik, sondern auch ein präziser Beobachter, ein kluger Zeitgeistanalytiker und die besten seiner Texte leben von einem einmaligen Wortwitz.
Gefeiert wird natürlich auch: Straight 4-to-the-floor und ein echter Bouncer ist das mit Trettmann dargebotene „Littbarski“, ein Song, in dem es nicht etwa um den ehemaligen Fußballspieler des 1. FC Köln geht, sondern um Dendemanns ausgehbegeistertere Lebensgefährtin.
Gegen Ende des überwiegend von den Krauts produzierten Albums kommt es zu einer Wiedervereinigung der besonderen Art: „BGSTRNG“, mit beinah klassischen Scratchings und einem straighten Beat, ist zu gleichen Teilen im Hamburg des Jahres 1998 angesiedelt wie im Hier und Jetzt. Man hört Samples von Schwesta Ewa, Tone, MoTrip – und ein paar alte Bekannte aus jenen frühen Hamburger Tagen. „Die Beginner sind dabei, weil sie dabei sein mussten“, sagt Dendemann.
Ein kurzer Trip in eine Zeit, in der deutscher HipHop seine ersten großen Erfolge feierte und Dendemann mit anarchischer Energie und einem satten Flow mittendrin war. Bei allen Erfolgen und unterschiedlichen Projekten blieb bei ihm aber auch der Eindruck eines ewig Unvollendeten hängen. Damit ist es nun vorbei: Das große Versprechen, das in dieser Karriere immer lag, hat Dendemann mit „Da nicht für!“ endgültig eingelöst.
Das neue Album „da nich für!“ erscheint am 25. Januar 2019 als limitierte Fanbox,
Doppelvinyl und auf CD und digital.