Dianne Reeves 2017 – “Light Up The Night – Live in Marciac”
Jazz ist für viele Fans in erster Linie ein Live-Ereignis. Denn bei Konzerten können sie hautnah miterleben, wie die Musik im Moment durch Improvisationen erschaffen und geformt wird. Kaum eine andere heutige Jazzsängerin versteht es, ihr Publikum so sehr zu fesseln wie Dianne Reeves. Es kommt nicht von ungefähr, dass sie 2001 mit dem Live-Album “In The Moment” ihren ersten Grammy gewann. Seitdem warteten Fans vergeblich auf eine neue Konzertaufzeichnung von ihr. Mit “Light Up The Night – Live in Marciac” konnte Reeves ihnen diesen Wunsch 2017 endlich erfüllen. Mit von der Partie war dabei neben Pianist Peter Martin, Reginald Veal, Drummer Terreon Gully und dem Mundharmonika-Virtuosen Grégoire Maret der brasilianische Gitarrist Romero Lubambo, der mit seinem einfühlsamen Spiel auch schon auf “In The Moment” geglänzt hatte. “Es ist wichtig, dass man lernt seinen Instinkten zu trauen”, erklärt Reeves ihr Erfolgsgeheimnis. “Ich versuche einfach, die spezielle Magie einer jeden Nacht zu entdecken – dazu gehört, auszuloten wie die Band und ich die Musik in einer Nacht am besten gestalten können. Denn jedes Publikum hat andere Erwartungen. Unser Programm wird deshalb nicht vorab festgelegt, wir wählen die Stücke während des Auftritts nach unserem Gefühl aus. Das hält mich kreativ auf Trab… und bringt in mir das Beste hervor.” So wie auf dem Album “Light Up The Night”, das seinem Titel alle Ehre macht.
Die 1956 in Detroit geborene Dianne Reeves begann ihre Laufbahn in einer Weise, wie sie in den 1930er und 1940er Jahren eigentlich für alle großen Jazzsängerinnen üblich war: Bevor sie sich auf eigene Füße stellte, absolvierte sie zunächst Lehr- und Wanderjahre an der Seite von Größen wie dem Trompeter Clark Terry (ihrem ersten Mentor), Pianist Billy Childs und Sérgio Mendes. Von 1983 bis 1986 tourte sie mit Harry Belafonte um die ganze Welt. Erst danach schlug sie ihre Solokarriere ein, bei der sie von ihrem älteren Cousin, dem Keyboarder und Produzenten George Duke, willkommene Starthilfe erhielt. Er stellte ihr für ihr Blue-Note-Debütalbum “Dianne Reeves” eine überaus illustre Band mit u.a. Herbie Hancock, Freddie Hubbard, Stanley Clarke und Tony Willliams zusammen. Zunächst konnte sich Reeves nicht recht entscheiden, welche musikalische Richtung sie verfolgen wollte und irrlichterte auf ihren Alben – wenn auch äußerst gewandt – zwischen Jazz, Rhythm’n'Blues, Weltmusik und Pop umher, wobei sie sich nach Ansicht mancher Kritiker bisweilen unter Wert verkaufte. Erst Mitte der 1990er Jahre gelang es ihr mit Alben wie “Quiet After The Storm” und “The Grand Encounter” (Reeves traf hier auf ihren alten Mentor Clark Terry und andere Jazzlegenden wie Harry “Sweets” Edison, Phil Woods, James Moody, Al Grey, Kenny Barron, Toots Thielemans und Joe Williams) schließlich, sich künstlerisch zu festigen und zu einer der herausragenden Jazzsängerinnen ihrer Generation aufzusteigen. Die New York Times feierte sie als die “meistbewunderte Jazz-Diva seit den Glanzzeiten von Sarah Vaughan, Ella Fitzgerald und Billie Holiday”, während die Chicago Tribune sie als “eine der kreativsten und technisch versiertesten Sängerinnen der Jetztzeit” pries.
Dann gelang ihr zu Beginn des neuen Millenniums ein einmaliges Kunststück: als erste Sängerin überhaupt erhielt sie für drei aufeinander folgende Alben jeweils einen Grammy: 2001 für das bereits erwähnte Live-Album “In The Moment”, 2002 für “The Calling: Celebrating Sarah Vaughan” und 2003 für “A Little Moonlight”. 2005 folgte der Soundtrack für den von der Kritik überschwänglich gelobten und vielfach preisgekrönten George-Clooney-Film “Good Night, And Good Luck”, für den die Sängerin ihren vierten Grammy bekam. Mit dem wieder einmal von George Duke produzierten Album “When You Know” verabschiedete sich Dianne Reeves dann 2008 nach gut zwanzig Jahren Labelzugehörigkeit von Blue Note, um sich eine längere kreative Auszeit zu gönnen. Erst 2014 meldete sich mit “Beautiful Life” bei ihrem neuen Label Concord Records zurück. Und heimste für das soul-jazzige Juwel, das u.a. Gregory Porter, Esperanza Spalding, Robert Glasper und Lalah Hathaway featurete, gleich Grammy Nummer 5 ein.
Ihre erstaunliche Vielseitigkeit bewies Dianne Reeves über die Jahrzehnte hinweg zudem als Gastsängerin auf Alben von u.a. Wayne Shorter, Joe Sample, McCoy Tyner, Lou Rawls, Solomon Burke, der Fusion-Band Steps Ahead, dem brasilianischen MPB-Star Djavan und dem argentinischen Klassikpianisten Daniel Barenboim.
September 2017