Im Herbst 1984 ging Mark Knopfler von Dire Straits in die Filiale einer großen Elektronik-Fachmarktkette (offizieller Begriff für Saturn, Media-Markt et cetera). Knopfler trieb sich in der TV-Abteilung herum, auf Dutzend Bildschirmen lief dort das Programm des noch blutjungen Senders MTV. Knopfler lieh sich Block und Kugelschreiber aus und schrieb die Kommentare der Angestellten auf, die MTV verfolgten. Dire Straits Single “Money For Nothing” gewann einen Grammy, rief die Lesben- und Schwulenbewegung auf den Plan, wurde der “94.-größte Gitarrensong aller Zeiten” (“Rolling Stone”), der größte Singlehit der Dire Straits (1985 Top−5 in 6 Ländern) und brachte Nikki Sixx, den Bassisten von Mötley Crüe, zu der festen Annahme: Sie, ja, sie, Mötley Crüe wären in jenen Momenten bei MTV gelaufen, als sich Knopfler die Kommentare in den Block diktieren ließ. Sixx teilte das dem Blender-Magazin mit. “The little faggot with the earring and the make-up”, der dann “money for nothing and chicks for free” kriegte, das passt natürlich auf viele. Aber das Wort “faggot” kam natürlich sofort auf den Index, für die Radioversion tauschte man es mit “mother” aus. Im Interview immer wieder darauf angesprochen, gab sich Knopfler irgendwann nachdenklich, sagte, es sei wahrscheinlich immer heikel, Songs über andere Menschen zu schreiben, vielleicht sollte man alles nur noch in der ersten Person verfassen, nur noch über sich selbst sprechen, Ich-Botschaften aussenden. Und er beschwerte sich selbst ja auch nicht, als Pulp ein Jahrzehnt später die Zeile “Some joker in a headband was still getting chicks for free” unterbrachten, in ihrem Song “Last Day Of The Miner´s Strike”.
Heute gilt das zu “Money For Nothing” gehörende “Brothers In Arms”-Album von Dire Straits als Katalysator des CD-Formats. Es war das erste Album, das über eine Million Exemplare auf CD verkaufte, sicher, weil sein Sound perfekt auf die CD zugeschnitten war. Komplett digital aufgenommen war das damals “die” Musik für Hardware-Nerds und Hi-End-Freaks. Der New Yorker Tontechniker Neil Dorfsmann gewann einen Grammy für seine Arbeit am Album. Einen weiteren Grammy in der Kategorie “Best Surround Sound Album” holten Knopfler und Co. sich 2006 für die 20th Anniversary Edition von “Brothers In Arms” ab. Das “Money”-Video mit dem Gastauftritt von Sting markiert ebenfalls eine Ära. Es war eines der ersten Computer-generierten Videos überhaupt, das Eröffnungs-Video der britischen Ausgabe von MTV. 1986 für 11 MTV-Video Music-Awards nominiert, 2 davon gewann es.|1992 – während einer Reunion-Welttournee von Dire Straits, zum letzten Studioalbum “On Every Street”, dem Nachfolger von “Brothers In Arms” – sechs Jahre nach ihrem Höhenflug sah es jeder Musikjournalist auf einmal als seine Pflicht an, über Dire Straits zu lästern: Grateful Dead mit Bausparvertrag. Musik für die Autostereoanlagen von BMWs. Und natürlich das Stirnband. Knopfler hätte es wie Andre Agassi machen sollen. Doch dafür war der Gitarrenvirtuose zu ehrlich, zu uneitel. Schon in den Anfangstagen der Band – inmitten der Punk-Revolution in England – sagte Knopfler klipp und klar, seine persönliche Meinung zu Punk wäre nicht relevant. Dire Straits waren eine Pub-Rock-Band. Sie nahmen den Folk-, Country- und Blues-Faden von Ry Cooder und Eric Clapton, von Randy Newman und Lou Reed, von Bob Dylan und J.J. Cale auf. Ihr kristallklarer, minimalistischer Sound navigierte an Punk und Disco vorbei und am überproduzierten Glam-Rock der späten ´70er. Obwohl so ein großartiger Gitarrenvirtuose, weigerte sich Knopfler im Studio, längere “Rock-Solos” einzuspielen, zu Gunsten des vielschichtigen, mühelos dahin fließenden Kollektivsounds von Dire Straits, damals visionär. In “Sultans of Swing” sangen sie von der kumpeligen, völlig uncoolen Jazzband, deren Sound einer Gruppe junger Teddyboys, die im Pub herumlungern, überhaupt nicht gefällt. Als sie im Vorprogramm der Talking Heads auftraten, war Bob Dylan so begeistert von ihnen, dass er Knopfler und den Dire-Straits-Schlagzeuger Pick Withers in die Band für sein Album “Slow Train Coming” nahm. Ihr zweites Album “Communiqué”, produziert von Jerry Wexler und aufgenommen im Compass Point Studio von Nassau (mehr geht nicht!), knackte 1979 die #1 in Deutschland, während das Debütalbum von Dire Straits noch auf #3 der deutschen Albumcharts stand. Dire Straits brachten dann “Romeo and Juliet” in der 1982er-Schmonzette “An Officer and A Gentleman” mit Richard Gere unter. Das dazu gehörende Album “Making Movies” produzierte der Rootsrock-Gott Jimmy Iovine. Erklärte “Dire-Heads” waren damals Prinzessin Diana und der “Per Anhalter durch die Galaxis”-Autor Douglas Adams. Heutige erklärte Dire Straits-Fans sind Quentin Tarantino, Metallica, The Killers und System of a Down. Anders ausgedrückt: Dire Straits sind “musician´s musicians”, die Platten für erklärte Nicht-Musikfreaks machten. Sie haben insgesamt über 120 Millionen Alben verkauft, die meisten in Filialen der großen Elektronik-Fachmarktketten.