Wer die über 15 Jahre dauernde Karriere von DJ Shadow verfolgt hat, der weiß: Ein Albumtitel wie „The Less You Know, The Better“ (zu Deutsch: Je weniger du weißt, desto besser) ist bei ihm nicht ohne Grund gewählt. Viel wurde über den vierten Longplayer der kalifornischen Producer-Ikone im Vorfeld denn auch tatsächlich nicht bekannt; doch eine Sache steht inzwischen fest: „The Less You Know, The Better“ erscheint am 30. September – und Shadow zieht darauf mal wieder alle Register!
Genau genommen ist es gar nicht so überraschend, dass Josh Davis, so DJ Shadow bürgerlich, wenig Worte im Vorfeld der Veröffentlichung verlieren wollte, immerhin fing für ihn auch alles mit einem so gut wie wortlosen Meilenstein an: dem „Endtroducing“-Album aus dem Jahr 1996.
Allerdings hat Mr. Davis für sein kommendes Werk nicht zur etliche Samples aus seiner über 60.000 LPs umfassenden Sammlung, sondern obendrein auch drei fiktionale Wortführer herbeizitiert: Comicfiguren, um genau zu sein. Sie zieren das Cover der kommenden LP wie auch das der bereits im Mai veröffentlichten EP „I Gotta Rokk“: ein als Cartoonfigur gezeichnetes Mobiltelefon, ein Tablet und ein Laptop. Shadow feiert damit jedoch keineswegs unser digitales Zeitalter, in dem jede Info überall und jederzeit verfügbar ist – im Gegenteil: er kritisiert mit seinen Gadget-Comicfiguren und deren Kommentaren den zynischen Grundton, der im digitalen Zeitalter vorherrscht, den übersättigten Miesmacher-Tonfall, der gewissermaßen schon zur Netiquette gehört. Laut Shadow stehen diese drei Figuren also sinnbildlich für die Art und Weise, wie in der aktuellen Netz- und Medienlandschaft über Musik diskutiert wird.
Der Producer-Veteran wollte für sein neues Album das Marktschreierische und Prahlerische als solches Enttarnen und ausnahmsweise mal nicht mitspielen. Dann schon lieber schweigen – und sich voll und ganz auf die Sache konzentrieren: Ähnlich wie die zeitlosen HipHop-Meilensteine von Public Enemy oder De La Soul, auf denen diverse Styles und Genres aufeinanderprallen, jeder Track anders klingt, präsentiert auch Shadow auf dem vierten Album ein breit gefächertes und vielschichtiges Klangspektrum. Nachdem er mit dem Vorgängeralbum „The Outsider“ Extreme präsentiert und damit die Erwartungshaltungen zerstört hatte, darf auf „The Less You Know, The Better“ nun alles nebeneinander existieren: Satte Beats, vereinzelte Gitarren, klassische HipHop-Banger und wunderschöne Melodien. Zu den Highlights zählen unter anderem „Scale It Back“ feat. Little Dragon, „Stay The Course“ feat. Talib Kweli & Posdnous (De La Soul), „Warning Call“ feat. Tom Vek oder auch der Folk-Track „Sad And Lonely“, der sogar mit einem Vocal-Sample aus den Fifties daherkommt. Allein die Gästeliste zeigt, auf was für unterschiedliche Ebenen sich Shadow auch dieses Mal begibt.
Mit seinem „Endtroducing“-Meilenstein aus dem Jahr 1996 hat DJ Shadow nicht nur eines der wichtigsten Alben der Neunziger veröffentlicht. Diese erste, ausnahmslos aus Samples bestehende Beat-Offenbarung sollte den aus Davis, Kalifornien, stammenden Quannum-DJ und Schirmmützen-Junkie sogar ins Guinness Buch katapultieren. Und ihm derweil seine Nische in der HipHop-Welt zuweisen: Er war im Handumdrehen der ultimative „Sample Guy“ geworden. Während das bereits zwei Jahre darauf folgende U.N.K.L.E.-Album „Psyence Fiction“, das er gemeinsam mit dem Mo’Wax-Gründer James Lavelle aus dem Boden gestampft hatte, implizierte, dass er sich zwischenzeitlich durchaus unter Menschen begeben hatte – unter andrem in die düstere Höhle eines Thom Yorke –, so war sein zweites Soloalbum wiederum treffend mit „The Private Press“ (2002) betitelt: Shadow setzte weiterhin auf abgeschottete Heimarbeit, pflegte das programmatische Schattendasein im Privaten, um die Grenzen „seines Genres“ – emotional-epische Instrumentalwelten mit sattem Beat – noch weiter auszuloten. Nach einschneidenden Veränderungen im Privatleben des heute 39-jährigen DJs und Produzenten (er wurde Vater von Zwillingen; kam bei einem schweren Verkehrsunfall in London gerade noch mal mit einem Schock davon), lieferte er mit „The Outsider“ (2006) sein „persönliches ‘Check Your Head’-Album ab“ und war seither permanent auf Tour. Am 23. September meldet er sich nun mit seinem vierten Studioalbum zurück: „The Less You Know, The Better“.