Auf der Suche nach Inspiration für sein Album hat
Dotan sich ins Wohnzimmer begeben. Jedoch nicht nur in seien eigenen vier Wänden, der geheimnisvolle Singer-Songwriter hat auch die Räume völlig fremder Menschen aufgesucht. Das Ergebnis ist “
7 Layers”, ein magisches Album eines einzigartigen Talents.
“Ich habe schlimmes Lampenfieber”, gibt Dotan zu, “und ich habe beschlossen, dass ich es am besten besiegen kann, wenn ich meine neuen Songs im Wohnzimmer anderer Leute teste. Unplugged, ganz alleine, ohne mich irgendwie verstecken zu können, in einem Raum voller Fremder. Etwas Beängstigenderes konnte ich mir kaum vorstellen.” Er postete einen Aufruf bei Facebook, in dem er die Leute bat, ihn zu sich einzuladen. Die Reaktion war überwältigend, und schließlich spielte er mehr als 100 Solo-Gigs – in brechend vollen Wohnungen, winzigen möblierten Zimmern, aber auch auf Hausbooten, Bauernhöfen und sogar in Schlössern."„Es sind bemerkenswerte Sachen passiert", erinnert er sich gern. “Manchmal fand ich mich bei einem emotionalen Song in einem Zimmer voller weinender Menschen. Aus diesen Erfahrungen habe ich viel gelernt.”
Um die Ursprünge dieses unorthodoxen Karriereschrittes zu verstehen, muss man einige Jahre zurückblicken. Wie viele andere auch verfolgte der schüchterne junge Mann eine berufliche Laufbahn, die andere von ihm erwarteten. “Für die Außenwelt sah es vielleicht so aus, als hätte ich einen guten Job, aber das habe ich nie angestrebt. Ich wollte, solange ich mich erinnern kann, noch nie etwas anderes machen als Musik.” Als er seine Scheu überwand und den normalen Job für seine musikalische Leidenschaft aufgab, waren seine ersten Erfolge beeindruckend: Er arbeitete mit internationalen Produzenten zusammen, nahm in London und Los Angeles auf, wurde oft im Radio gespielt und trat auf einigen großen Bühnen auf. Doch im Zuge des Ganzen erhöhte sich auch der Druck auf ihn und Dotan hatte erneut das Gefühl, die Erwartungen anderer zu erfüllen und nicht seine eigenen.
Die Wohnzimmer-Shows schafften da Abhilfe und ließen Dotan wieder zu sich selbst finden. Sie inspirierten ihn dazu, ehrliche und persönliche Songs zu schreiben. Er fühlte sich endlich frei und in der Lage dazu, das Album zu machen, das er schon immer machen wollte. Angelehnt an die intime Erfahrung der kleinen Gigs beschloss er, das Album in der vertrauten Umgebung seines eigenen Wohnzimmers aufzunehmen. “Wir haben Mikrofone installiert und Matratzen ausgelegt, um die Geräusche zu reduzieren, und mit den Aufnahmen angefangen.” Am meisten gefiel ihm, wie sich der Sound entwickelte, auch in dieser bescheidenen Studioumgebung. Ein Song wie “Let The River In” beginnt langsam und steigert sich schrittweise zu epischen Ausmaßen. Gleichzeitig hat das Album Ecken und Kanten. Hintergrundgeräusche, wie die Straßenbahnen vor seinem Fenster, sind im endgültigen Mix immer noch zu hören. “Ich wollte kein perfektes, klinisch reines Album machen”, erklärt er. “Die Außengeräusche geben den Aufnahmen mehr Authentizität. Das Album lebt und atmet.”
Durch die Texte des Albums zieht sich das zentrale Thema Wasser. In seiner kurzen aber ereignisreichen Karriere hat Dotan schon in aller Welt aufgenommen, gespielt und geschrieben: von Amsterdam, London, Los Angeles, Norwegen und Israel bis zur schönen Küste der englischen Grafschaft Devon. Und an all diesen Orten wurde ihm vor allem seine Liebe zum Meer bewusst. Das Kommen und Gehen des Wassers beruhigte ihn. Er nahm sogar das Geräusch der Wellen auf und entdeckte, dass er damit besser einschlafen konnte. Die vielen magischen Eigenschaften des Wassers schlängeln sich wie ein Fluss durch sein Album.
Der Titeltrack bezieht sich auf die sieben Hautschichten, die den Menschen schützen sollen. Ein passender Titel, denn mit jedem Song löst Dotan Schicht um Schicht seiner Haut ab, um zu seinem wahren Ich vorzudringen. “Ich finde, die 7-Schichten-Theorie ist eine schöne Erklärung für das, was ich mit dem Album erreichen wollte: Ich wollte meinem Kern immer näher kommen, mir selbst wirklich auf den Grund gehen.”
“7 Layers” ist nur insofern ein typisches Singer-Songwriter-Album, als die meisten Songs ihren Ursprung bei Dotan, seiner Stimme und seiner Gitarre haben. Doch nachdem er das Grundgerüst eines Songs aufgenommen hatte, begann er, darauf aufzubauen, Backing Vocals und Percussions hinzuzufügen. Das Album klingt dynamisch, minimalistisch und teilweise nervenaufreibend. Stille steht im Kontrast zu Klangexplosionen, kleine Akustiksongs treffen auf große, ausladende Kompostionen – und alles lebt von Dotans Stimme und seiner Akustikgitarre. Er scheute keine Experimente. “An kommerzielles Potenzial habe ich nie gedacht, ich hab einfach mein Album aufgenommen und dann kam der schlimmste Teil: auf eine Antwort warten.” Doch da erwiesen sich alle Sorgen als unbegründet. Die Kritiken waren wohlwollend und lobten die authentische Schönheit des Albums.
Jetzt wird es Zeit, ein neues Publikum jenseits der gemütlichen Wohnzimmer mit den Songs bekannt zu machen. Auch wenn er sich manchmal als ziemlichen Einzelgänger beschreibt, wird Dotan mit einer kompletten sechsköpfigen Liveband auf Tour gehen. Auf der Bühne erwachen seine Songs zum Leben, das haben zahlreiche Festivalbesucher bereits erlebt. In den Händen seiner Bandkollegen entwickeln die Kompositionen, an denen er so sorgfältig gefeilt hat, eine ganz neue Dynamik. Die Musiker sind nicht auf eine Rolle festgelegt, sie tauschen schon einmal ihre Instrumente und wechseln sich beim Gesang ab. “Wir sind keine traditionelle Band mit vorab zugewiesenen Aufgaben, wir wollen einfach zusammen Musik machen. Es geht mal wieder darum, seine Wohlfühlzone zu verlassen.” Und genau das kann Dotan am besten.