Album “Endlessly” (VÖ: 26.11.2010)
Single “Well Well Well” (VÖ: 19.11.2010)
Duffy ist zurück. Nach den Grammys, für die sie dreimal nominiert war und das “Best Pop Vocal Album” gewann, den Brit-Awards (vier Nominierungen, drei gewonnen, u.a. für das “Best Album”), 6,5 Millionen verkauften Einheiten, Nummer #1 Platzierungen in ganz Europa und der erfolgreichen Eroberung Amerikas, wäre es sehr einfach und wenig verwunderlich gewesen, wenn Duffy mit “Rockferry Part Two” zurück auf die Bildfläche kehren würde. Doch sie macht alles ganz anders. Duffys zweites Album “Endlessy” erscheint im November und zeigt etliche neue aufregende Facetten einer der erfolgreichsten Soul-Sängerinnen unserer Zeit. “Ich bin nicht mehr dieselbe wie damals,” erzählt sie. “Ich war noch ein Mädchen.”
Auf “Endlessly” finden sich Songs, die schneller und tanzbarer sind als alles andere, was die 26-jährige aus Wales zuvor gemacht hat. Das Album bietet aber auch zurückhaltende, ruhige, von der Akustikgitarre getragene Nummern, die Duffy von ihrer nachdenklichen, philosophischen Seite zeigen. “Kurzzeitig habe ich gedacht, es wird ein reines Indie-Album, so hat es sich am Anfang angehört,” erzählt sie lachend. Textlich ist es persönlicher, inniger und reifer, aber auch frecher (“I’m his lover/ Not his mother” sind die ersten Worte, die wir hören) und lustiger. “Es ist sehr schwer, Musik und Ironie gut miteinander zu verbinden, ohne dabei albern zu werden. Aber manchmal geht es einfach nur darum, Spaß zu haben.” Duffy gelingt dieser Spagat. Die mitreißenden Gitarren und kecken Bläser, die wir von “Mercy” und “Warwick Avenue” kennen und lieben, sind immer noch zu hören. Aber das war es so ziemlich mit der Fortsetzung von “Rockferry”. Zehn Songs wurden in drei Wochen mit dem renommierten Songschreiber Albert Hammond (berühmt für u.a. “The Air That I Breathe”, “When I Need You”, “It Never Rains In Southern California”) aufgenommen und zusammen mit den Hip-Hop-Wegweisern The Roots eingespielt. Diese Namen werden viele positiv überraschen.
Duffy wusste zweitweise nicht, ob es jemals ein zweites Album geben würde. “Ich habe ernsthaft darüber nachgedacht, auszuwandern. Nicht, weil ich dachte, alles erreicht zu haben, sondern ich habe die einfachen Kleinigkeiten des Lebens vermisst. Alles war so kompliziert geworden.” Nach dem Ende der monatelangen Tour zu “Rockferry”, dem Durchbruch in Amerika, der Grammyverleihung – sogar eine walisische Blume wurde nach ihr benannt – fand Duffy sich am Scheideweg wieder.
“Nach dem Ende dieses aufregenden Abschnitts musste ich daran erinnert werden, was ich zu tun hatte. Ich vergaß eine Weile, was meine Aufgabe war, welche Rolle ich einzunehmen hatte. Ich bin kein Model, ich bin kein Celebrity. Also wer bin ich dann? Es wird plötzlich alles so kompliziert. Anstand zu bewahren ist sehr schwierig. Alles zu haben, was man möchte, ist wirklich ungesund.”
Es herrschte also Unklarheit darüber, wie es weitergehen sollte und was ihre nächsten Schritte sein würden, als das Schicksal in ungewöhnlicher Art eingriff – in Form des 66-jährigen Albert Hammond. Oder um präziser zu sein: Albert Hammonds Ehefrau war entscheidend. “Er war zu Hause in Los Angeles, als seine Frau zu ihm rief: ‘Albert! Albert! Schau dir dieses Mädchen im Fernsehen an. Sie hört sich wie eine Schwarze an.’ Und Albert schaute genauer hin und war begeistert.” Duffy performte “Stepping Stone” bei Saturday Night Live. Hammond hatte schon eine Dekade nichts mehr mit Musik zu tun gehabt, er wollte einfach nicht mehr (vielleicht wollte er es auch einfach seinem Sohn überlassen, Albert Hammond Jr von The Strokes), aber er war fasziniert und überwältigt von Duffy. "Er wollte sich mit mir treffen, ich hatte jedoch gar keine Ahnung von seiner Vergangenheit. Zu unserem ersten Treffen brachte er nur den Titel “Don’t Forsake Me” mit und ich sagte: Das klingt wie der Soundtrack meines Lebens."
“Zu dieser Zeit gab es massig Partys in Los Angeles. Also hatte ich die Wahl: Entweder konnte ich mit ganz Hollywood tanzen und feiern gehen oder aber mit Albert Zeit verbringen. Also besuchte ich ihn und seine Frau begrüßte mich mit einem Tee.” Hammond hatte mittlerweile Musik um den schönen Songtitel “Don’t Forsake Me” gebaut, aber Duffy war noch nicht überzeugt von den Klängen. Sie ist offensichtlich einer der Sängerinnen mit ganz eigener Meinung und eigenem Kopf. “Er ist 66 Jahre alt, er ist der respektierteste Songschreiber und ich hatte den Mut und die Dreistigkeit, den Song auseinanderzunehmen,” erzählt die lachende Duffy. “Wenn ich zurückschaue, denke ich: ‘Wie unverschämt von mir.’ Aber ich wusste, dieser Song spiegelt ein paar wichtige Dinge meines Lebens wider.” Alberts Meinung dazu: “Brave, kid. Well done.”
Von da an entstanden die Songs schnell nacheinander, was ungewöhnlich war – hatte “Rockferry” doch einen vierjährigen Reifeprozess benötigt. “Wir arbeiteten ein paar Tage in LA, je eine Woche in Spanien und hier in London und waren schnell fertig. Wir hatten diese Songs, und in meinem Herzen hörten sie sich so charmant und großartig in ihren Akustik-Demo-Versionen an. Und das war es, was ich hören wollte. Nicht mehr. Man kann auch zu viel arbeiten. Wenn jeder zu viel macht, kann das auch Dinge überstrapazieren und so töten. Aber es waren nur Albert und ich, die zusammen ein wenig Spaß hatten.”
Die Hälfte der Zeit sah es so aus, als ob Albert mehr Spaß hätte als sie. “Es war 4 Uhr morgens, als ich ihn ansah und dachte: 'Du bist 40 Jahre älter als ich. Ich habe keine Ahnung, woher du diese Energie nimmst. Er tanzt immer die ganze Zeit herum, freut sich und feiert einfach alles. Normalerweise hätte nicht ich die Disziplinierte von uns beiden sein sollen, sondern andersherum. Ich musste ihn ermahnen: 'Albert, ich weiß, du tanzt gerade beschwingt, aber wir müssen jetzt wirklich die zweite Strophe aufnehmen.”
Die beiden wurden Vertraute und Verbündete. Sogar Alberts Frau steuerte Mode-Tipps bei. Sie prüfte Duffys 60er Jahre beeinflussten Kleiderschrank auf Echtheit. “Sie sagt zu mir: Ich mag deine langen Röcke. Diese Generation ist es nicht gewohnt, Popstars zu sehen, die keine Kleidung anhaben. Sie finden das sehr anstößig.”
Während dieser Zeit hat Albert eine weitere musikalische Inspiration in der Late Night Show mit Jimmy Fallon ausfindig machen können. “Ich glaube, er schaut sehr viel Fernsehen,” kichert Duffy, “da kommen die ganzen Ideen her.” Albert kannte die Band bis dato nicht und Duffy befürchtete schon das Schlimmste, als er von seiner Neuentdeckung erzählte. “Ich weiß, sein Sohn ist bei den Strokes, und er hat wahrscheinlich auch einen guten Geschmack, aber ich dachte an irgendeine Nashville ‘dang-dang-dang’ Band!” Tatsächlich handelte es sich aber um die Hip-Hop Legenden The Roots – eine der großartigsten Livebands unserer Zeit. Duffy war begeistert. Vor vier Jahren war sie zusammen mit Rough Trade-Chef Geoff Travis im Londoner The Jazz Café, um The Roots an den Plattentellern als DJs zu sehen. Der Auftritt hat sie umgehauen, sie gab sogar Roots-Gründer Ahmir '?uestlove’ Thompson ein Exemplar von ‘Rockferry’.
Von nun an blieb Albert hartnäckig, und schließlich rief Duffy mit zittrigen Händen wirklich LA Reid an, den Chef von Island Def Jam Music Group, zu dem auch Duffys US-Label Mercury gehört. Sie bat ihn, ob er ein Treffen mit The Roots organisieren könnte. Innerhalb von 48 Stunden war es arrangiert. The Roots' tighter Live-Sound, der weit weg ist von all dem Maschinen-Pop, der den Großteil der Top10 ausmacht, war das fehlende Stück im “Endlessly”-Puzzle.
Und Duffy konnte endlich eine offene Geschichte klären: “Ich sagte Ahmir: 'Ich habe dir ‘Rockferry’ vor ein paar Jahren gegeben und du hast mich nie angerufen'. ‘Ich mache jetzt alles wieder gut.’ versprach er.”
Man wird Duffy nicht mit The Roots assoziieren und genauso wenig wird man sie mit Albert Hammond in Verbindung bringen. Aber um ehrlich zu sein – das hatte nicht einmal sie selbst. Sie sind dennoch zusammengekommen und haben eine beeindruckende Platte aufgenommen – ein mehr als angemessenes Erbe für “Rockferry”. Duffy ist sich mit diesem Album so weit treu geblieben, dass sie keine alten Fans verlieren wird – sie wird aber unzählige hinzugewinnen.
“Es fühlte sich fast so an, als würden Songs immer so entstehen,” erzählt Duffy mit großen, blauen Augen. “All diese Songs wuchsen in mir, all die ganzen Jahre. Und wir haben sie heraus geholt. Ich und der Godfather of Songs, mein Freund Albert.”