Dänisches Duo spielt mit Grenzen und Tabus
Die beiden Electric Lady Lab-Mitglieder sind seit ihrer Jugend befreundet und blicken jeweils auf ihre eigene bittersüße Geschichte musikalischer Erfolge zurück. Seit sie als Team zusammenarbeiten, konnten sie bereits mit der Single „You & Me“ einen ersten Durchbruch verzeichnen und haben soeben ihr blue-toned Electropop-Debütalbum „FLASH!“ veröffentlicht. Neben ihrem Bestreben, Dänemark endlich auf dem internationalen Musikmarkt zu etablieren, haben die beiden es sich außerdem zum Ziel gemacht, mit diversen Negativvorurteilen gegenüber der Popmusik aufräumen.
Der Pfad zum Erfolg war lang und steinig für Sängerin Stine Hjelm Jacobsen und Komponist, Produzent und Textschreiber Martin Bøge Pedersen, doch mit „FLASH!“ und den elf darauf vertretenen Stücken ist ihnen zweifelsfrei ein Volltreffer gelungen. Obwohl sie sich seit ihrer Teenagerzeit kennen, schlugen die beiden Künstler zunächst unterschiedliche Routen zum vermeintlichen Erfolg ein, die dann jedoch in allzu vielen enttäuschenden Kompromissen mündeten. Stine sang zunächst in der Power-Pop-Gruppe NU, die im Sommer 2003 als heißester Act Englands gehandelt wurde, und Martin verdingte sich bei The Loft, die 2004 mit ihrer Single „City of Dreams“ so ziemlich jeden anderen Künstler abhängten. Sie stand vor einer Zukunft als Indie-Star, während er sich eher als Hit-Fabrik sah. Dann sollte jedoch alles ganz anders kommen, und als Martin begann, mit neuen, mehr Dance-orientierten Ideen zu experimentieren, kam für ihn nur eine Sängerin in Frage – Stine aus seiner Heimatstadt Køge.
„Wir haben schon oft darüber gesprochen, dass es Schicksal war. Alles, was wir zuvor gemacht hatten, war nur eine Vorbereitung auf das hier“, erklärt Stine. Martin fährt fort: „Wir waren beide in Projekte involviert, die uns zwangen, sehr viele Kompromisse einzugehen. Heute haben wir eine klare gemeinsame Vision – was es sehr viel einfacher macht, die Dinge so anzugehen, wie wir es uns vorstellen.“
Bei Electric Lady Lab brilliert Martin mit seinen Killer-Basslines und Hooks. Seine Begabung für kristallklare Songs zeigte sich bereits bei The Loft, und dieses Talent hat er natürlich zu Electric Lady Lab mitgebracht. Die Single „You & Me“ kann allein in Dänemark 26.000 Downloads verbuchen, wurde in Europa veröffentlicht und bis dato um die 830.000 Mal auf YouTube angeklickt. Martins Stärke basiert auf seiner Fähigkeit, komplettes Chaos in einen Kosmos zu verwandeln, in Form zu bringen, zu kürzen und brutal zurechtzustutzen, basierend auf Prinzipien wie „wenn wir Background-Vocals brauchen, damit der Refrain besser wirkt, ist der Refrain ganz einfach nicht stark genug“. Dabei behält er stets das Thema „Radiotauglichkeit“ im Hinterkopf. Kombiniert mit seiner Begeisterung für das Sampeln der Songs anderer Künstler – so ist „Rhythm Is a Dancer“ von Snap! als Sample in „You & Me“ zu hören – führt ihn dies häufig in Bereiche, in denen die Geschmackspolizei gern patrouilliert.
„Es geht nicht darum, mich anzupassen. Ich würde nichts sampeln, das einen Song ruiniert. Und Sampling liegt mir im Blut. Als Teenager sammelte ich HipHop-Platten und besaß schon sehr früh meinen ersten eigenen Sampler. Tatsächlich sind die Songs, bei denen die Aufnahmen am längsten dauern – und am wenigsten Spaß machen – genau die Nummern, bei denen ich Samples einsetze, weil es unglaublich wichtig ist, dass die neue Version etwas anderes macht als das Original. Wie Bono sagt: ‚Jeder Dichter ist ein Dieb’“, erklärt Martin.
Stine ergänzt: „Langsam wird es unter Musikern akzeptabler, gut darin zu sein, Pophits aufzunehmen. ‚Kommerziell’ zu sein, bleibt allerdings ein Tabu. Wenn wir an dieser Einstellung etwas ändern könnten, wäre ich wirklich stolz darauf.“
Dabei geht es bei Electric Lady Lab nicht nur um Popmusik, sondern zugleich um die Ausdauer und Intensität der Clubszene. Die Begeisterung des HipHop für das Spiel mit verschiedenen Sounds. Depeche Modes Fähigkeit, dichte nächtliche Himmel zu malen. Und das Bestreben, dem Back-Katalog einer Musikgeschichte voller leidenschaftlicher Nr. 1-Hits gerecht zu werden. Die Texte brodeln vor urbaner Melancholie und beklemmender Liebe. Martin schreibt sie und denkt dabei an Stine, denn „Frauen sind eben interessanter als Männer“.
„Du denkst wie eine Frau“, findet Stine und meint nachdenklich: „Ich bin sehr melancholisch veranlagt. Das liegt vielleicht an meinen faröer Wurzeln, aber ich kann mich nicht einfach hinstellen und ‚happy, happy, happy’ singen.”
Den Weg zum Universum von Electric Lady Lab hört man schon aus dem ersten Track „Last Virgin Alive“ heraus, der für das Duo zu einer Art Hymne geworden ist und das Paket vorstellt, von dem es sich seinen internationalen Erfolg verspricht.
„Dieses Projekt war von Anfang an international angelegt. Wir wollen uns dem Wettbewerb mit deutschen Künstlern auf ihrem eigenen Terrain stellen, und mit den britischen auf ihrem. Wir wollen ihnen zeigen, dass es in Dänemark Produzenten und Songwriter gibt, die es mit ihren aufnehmen können“, verkündet Martin, der Stines Weigerung teilt, sich durch ein paar Hürden von seinem Erfolg in der Popmusik abhalten zu lassen.
„Ich habe keine Minute daran gezweifelt, dass ich weiter Musik machen würde. Zum Teil auch deshalb, weil ich nicht erreicht habe, was ich mir vorgenommen habe. Noch nicht“, erklärt Stine abschließend.