Nachdem Ende 2010 ihr erstes Studioalbum erschienen war, nahm sich Eliot Sumner eine mehrjährige Auszeit, um intensiv über sich und ihren Sound nachzudenken:"Ich habe einen längeren Winterschlaf eingelegt, um in mich zu gehen und mein wahres Selbst zu finden", sagt sie mit einem deutlichen Anflug von Ironie. Und sie hat es offensichtlich gefunden, und zwar irgendwo im Lake District, einem riesigen Naturschutzgebiet im Nordwesten Englands:"Ich bin für fünf Monate dorthin gezogen: vollkommen isoliert; nur meinen Hund hatte ich dabei", berichtet sie."Ich habe dort mit unterschiedlichen Methoden und Ansätzen in Sachen Songwriting experimentiert." Außerdem arbeitete sie während dieser Zeit zusammen mit dem Komponisten Clint Mansell am Soundtrack für den Kinofilm"Drecksau" (engl. Originaltitel"Filth"; 2013).
Als
Eliot im letzten Jahr schließlich aus ihrem"Winterschlaf" zurückkehrte, stand bereits fest, dass sie ihre Musik nicht länger unter ihrem einstigen Pseudonym, sondern unter ihrem tatsächlichen Namen veröffentlichen würde:"
Ich bin echt stolz auf die neuen Songs", sagte
Eliot seinerzeit,"
und ich will das unterstreichen, indem ich sie unter meinem Namen herausbringe." Drei dieser Songs veröffentlichte sie im
August 2014 auf der
EP“
Information”, um gleich danach eine große Europa-Tour mit der Schwedin
Lykke Li anzutreten. Selbst
i-D verfolgte die beiden auf Tournee und widmete ihnen eine zweiteilige Behind-the-Scenes-Doku namens "
On the Road with Eliot Sumner and Lykke Li" (Link:
https://i-d.vice.com/en_gb/video/on-the-road-with-eliot-sumner-part-one).
“Wir waren an dem Punkt schon ein paar Jahre lang befreundet und hatten schon immer vorgehabt, mal etwas gemeinsam zu machen”, berichtet Eliot von der gemeinsamen Tour mit der Schwedin."Das Timing war cool, weil ja gerade meine EP erschienen war und sie so oder so auf Tour gehen wollte, also haben wir das einfach zusammengelegt. Am größten war für mich der Abend in London: Wir sind im Hammersmith Apollo aufgetreten, und ich hätte nie gedacht, dass so viele Leute kommen würden – aber der Laden ist echt aus allen Nähten geplatzt."
Eliot Sumner hatte das Glück, ihr zweites Album gleich im Anschluss an die besagte Tour aufnehmen zu können, was bedeutet, dass ihre Band bestens eingespielt war und die Songideen selbst auch schon"sehr ausgefeilt und ausgreift" waren, wie sie sagt. Das Album, das ebenfalls"Information" heißen wird, erscheint am 22. Januar 2016. Während die markant-tiefe Stimme, ihr Markenzeichen, wie zuvor auf ausgelassene Electro-Pop-Arrangements trifft, geht das Ganze dieses Mal gelegentlich auch in Richtung Krautrock, was neu ist:"Ja, insgesamt ist das einfach der Sound, den ich selbst hören würde", so Eliots Kommentar.
Es ist ein Sound, in dem genügend Raum bleibt für Abschweifungen und Experimente, der aber trotzdem vertraut wirkt. Was ihre Einflüsse für"Information" angeht, führt sie unter anderem The Bad Seeds an, ihre Lieblingsband als Teenager, aber auch Cluster und Faust und Legenden wie Kraftwerk."Motorische Sounds und hypnotische Beats spielen auf dem Album eine extrem wichtige Rolle", berichtet Eliot."Ich habe viel mit Drum-Machines und Snares gearbeitet. Ich stehe halt auf Noise. Und auch in Richtung Industrial geht das gelegentlich. Also alles andere als Swing oder Jazz!"
Ihre neue Band besteht aus dem Gitarristen Nick Benton, ihrem alten Freund Jan Blumentrath (Synthesizer) sowie Adam Gammage (Schlagzeug), mit denen Eliot die Songs auch gemeinsam arrangiert hat:"Die ganze Energie ist einfach viel organischer in dieser Konstellation", strahlt sie."Wie ein eingeschweißter, harter Kern fühlt sich das an." Und tatsächlich: Wenn die Band zusammen auf der Bühne steht, spürt man förmlich, wie sehr sie zu einer Einheit zusammengewachsen sind.
Sämtliche Songs des neuen Albums wurden von Duncan Mills produziert, bekannt für seine Arbeit mit The Vaccines, Spector und Crocodiles. Sie würden auch dadurch zu einem kohärenten Ganzen zusammengeschweißt, meint Eliot, obwohl man schon beim ersten Hören erkennt, dass jeder dieser Tracks auch als Single für sich stehen könnte. Mills gab ihr den nötigen Freiraum, um zu experimentieren, weshalb auch psychedelische Einflüsse immer wieder aufflackern:"Information" klingt impulsiv, wie ein Rausch, in dem Gitarrensounds durch die Luft zischen und Eliot häufig auf ungewöhnliche Songstrukturen und unvorhersehbare Synthesizer-Klänge setzt.
Als erste Single wurde der Titelsong "Information" im Sommer 2014 ausgekoppelt: Ein episches Sechs-Minuten-Stück, das von Synthesizern und Streichern vorangetrieben wird, wobei sogar genügend Zeit für einen selbstbewusst-ausladenden Instrumental-Part bleibt."Das ist übrigens ein Trennungs-Song", erklärt Eliot‚"und es geht darum, die Situation einfach nicht zu kapieren." Im Video dazu, das bei Dazed Digital Premiere feierte, muss sich Eliot (hier eher ein übernatürliches Wesen) gegen zwei dicke Autos durchsetzen, die sie in der Wüste vor den Toren von L.A. attackieren."Hat schon was Selbstzerstörerisches: Ich werde von diesem Auto verfolgt – bis einem schließlich aufgeht, dass ich es bin, die den Wagen fährt."
Nachdem die erste Single schon 2014 erschienen war, veröffentlichten Eliot und ihre Band im Verlauf des Sommers 2015 Monat für Monat noch vier weitere Songs vom kommenden Album:"Dead Arms and Dead Legs" machte den Anfang,"und das ist mein absoluter Lieblingssong vom Album", wie die 25-Jährige klarstellt."Der Text schrieb sich quasi wie von selbst, weil in mir diese Leere war. Ich steckte da wohl gerade in so einer Umbruchsphase. Und der Song handelt davon, so etwas zu durchleben und dabei Entscheidungen wie ein Roboter zu fällen." In diesem Fall fand die Exklusivpremiere bei The FADER statt.
Der nächste Vorgeschmack,"After Dark", war eine Hymne auf lange, durchgezechte Nächte, in denen man einen über den Durst trinkt:"Ja, der handelt wohl davon, dass ich manchmal einfach nicht weiß, wann Schluss ist", meint sie lachend. Geschrieben hat sie den Song gemeinsam mit ihrem guten Freund Nick Hodgson, dem Ex-Schlagzeuger der Kaiser Chiefs, der auch selbst auf dem Album zu hören ist:"An irgendeiner Stelle spielt er Tamburin – da muss man aber wohl ganz genau hinhören, um das zu erkennen!"
“Firewood” war der nächste Vorab-Track, wobei die Stimmung hier eine ganz andere ist: Eher düster und apokalyptisch, geht es darum, dass nichts bleibt auf der Welt, dass alles nur temporär ist. Eine Inspirationsquelle sei in diesem Fall der Song"Don’t Fear the Reaper" von Blue Öyster Cult gewesen, und so gehe es auch hier um nichts Konkretes, sondern nur darum, ganz im jeweiligen Moment, im Hier und Jetzt zu leben."Als erstes hatten wir nur dieses Gitarrenriff, aber dann kamen wir irgendwann auf die Idee, so richtige Acid-Synthesizer zu ergänzen – und das passte echt perfekt."
Schließlich erschien mit"Species" noch ein Album-Track, der sehr viel mehr mit Techno-Elementen flirtet."Der handelt davon, wie wir uns gerade zu einer ganz neuen Art, einer neuen Spezies weiterentwickeln, für die Gender- und andere Grenzen gar nicht mehr existieren", erzählt Eliot. Auch die Komposition und der Songtext wirken futuristisch und passen in keine der existierenden Schubladen, womit sie die Aussage des Stücks ganz bewusst unterstreichen wollte, wie sie sagt.
Parallel zur Veröffentlichung dieser vier Vorab-Songs drehte die Band um Eliot ein vierteiliges Performance-Video, für das die Licht-Design-Vordenker Flat-E – sonst z.B. für die Visuals von Jon Hopkins' Liveshows verantwortlich – eine spezielle Installation entwickelten. Ihnen sei wichtig gewesen, etwas ganz Experimentelles zu präsentieren, weil die Teaser-Tracks, so Eliot, schließlich "diejenigen Stücke vom Album sind, die am experimentellsten sind und am stärksten in Richtung Left-Field-Sound gehen."
“Come Friday”, der auch auf der gleichnamigen EP vertreten war, gibt mit seiner ausgelassenen Stimmung schon eher die Richtung vor, in die Eliot mit dem gesamten Album aufbricht:"Als ich mit dem Stück bei Duncan ankam, sagte er nur: ‘So muss das gesamte Album klingen!’" Es ist ein Track, bei dem die Gitarren ganz klar den Ton angeben, inklusive massivem Refrain, wobei das hohe Tempo und die hochfliegenden Melodien einen Gegenpol zum eher düsteren Text markieren:"Das ist auch einer von meinen Lieblingssongs. Er handelt davon, noch immer in jemanden verliebt zu sein, demjenigen aber zu verbieten, ein neues Leben zu beginnen. Sehr egoistisch also, das Ganze."
Insgesamt sei die Arbeit am neuen Album alles andere als ein Spaziergang gewesen, berichtet Eliot abschließend und stöhnt dabei. Es sei ein langer Weg gewesen, auf dem sie sich nur von ihren Gefühlen habe leiten lassen:"Ich habe es vielleicht so vier Mal versucht, dieses Album zu schreiben – von 2012 bis vor Kurzem. Die Sachen, die ich im Lake District geschrieben habe, die waren so deprimierend, dass sich das kein Mensch angehört hätte. Aber jetzt gibt’s ja auch optimistischere Momente auf dem Album." Einer dieser Momente ist der Track"Let My Love Lie On Your Life":"Der handelt davon, von etwas abgelenkt zu sein", so der etwas kryptische Kommentar von Eliot. Dann ergänzt sie:"Aber im positiven Sinne."