Am 25. April 2017 wäre Ella Fitzgerald, die beliebteste Jazzsängerin aller Zeiten, 100 Jahre alt geworden. Ein Jubiläum, das dieses Jahr rund um den Globus mit unzähligen Konzerten, Ausstellungen und anderen Veranstaltungen gefeiert wird. Das Label Verve Records, für das Ella unter der Regie ihres Mentors, Produzenten, Managers und Freundes Norman Granz zwischen 1956 und 1966 ihre bedeutendsten und populärsten Aufnahmen machte, steht da natürlich nicht zurück. Zum Auftakt erschienen Ellas legendäre “Song Book”-Alben erstmals im MfiT-Format. Weiter ging es pünktlich zum Geburtstag mit der Compilation “100 Songs For A Centennial”, die auf vier CDs – der Titel lässt es erahnen – einhundert ihrer größten Erfolge versammelte. Die auch digital erhältliche Kollektion umfasst Aufnahmen, die Ella am Beginn ihrer Karriere für Decca und später im Zenit ihres Könnens für Verve gemacht hatte. Mitte des Jahres wird zudem noch eine 6 LPs fassende Box mit einer neuen Vinyl-Edition des “George & Ira Gershwin Song Book” geben.
Über ein halbes Jahrhundert lang verkörperte Ella Fitzgerald das Idealbild der swingenden und scattenden Jazzsängerin schlechthin. Unterstrichen wird ihre herausragende Stellung durch 14 Grammy-Auszeichungen und eine Bilanz von über 40 Millionen verkauften Alben. Alle lieben Ella – die Fans, die Kritiker, die Musiker, mit denen sie spielte, und nicht zuletzt all ihre Gesangskollegen und -kolleginnen. Als “First Lady of Song” ist die 1996 gestorbene Sängerin in die Jazzgeschichte eingegangen. Im Laufe ihrer Karriere brachte sie mehr als 200 Alben heraus, auf denen sie sage und schreibe über 2.000 verschiedene Songs interpretierte. Doch den Titel “First Lady of Song” verdankte sie nicht der schiren Quantität ihrer Aufnahmen, sondern der Qualität. Vor allem ihre geschickt konzipierten Songbook-Alben setzten in mehrfacher Hinsicht neue Maßstäbe, an denen sich noch heute zahlreiche Jazzsänger/innen orientieren.
Die am 25. April 1917 in Newport News/Virginia geborene und in armen Verhältnissen aufgewachsene Ella Fitzgerald schaffte ihren Sprung ins professionelle Lager am 21. November 1934 bei einem Amateurtalentwettbewerb im legendären Apollo Theater in Harlem. Der Altsaxophonist Benny Carter, der den Auftritt der 17-Jährigen gesehen hatte, empfahl sie dem Bandleader und Schlagzeuger Chick Webb, der gerade nach einer neuen Sängerin suchte. Webb war von der Erscheinung Ellas zunächst gar nicht begeistert, gab ihr dann aber trotzdem eine Chance. Und die verstand Ella zu nutzen. Schon wenig später trat der “ungeschliffene Diamant” (wie sie Webbs Trompeter Mario Bauzá damals nannte) mit Webbs Orchester im Savoy Ballroom auf und machte mit der Band auch die ersten Aufnahmen. Mit “A-Tisket, A-Tasket” landete sie 1938 ihren ersten Riesenerfolg.
Als Chick Webb im Juni 1939 starb, übernahm Ella, die längst zum eigentlichen Zugpferd des Orchesters aufgestiegen war, offiziell die Leitung. Als das Orchester 1941 nach einer weniger erfolgreichen Phase aufgelöst wurde, begann Ella ihre Solokarriere und unterschrieb einen langfristigen Vertrag bei dem Label Decca. Für Decca nahm sie in den folgenden Jahren mit Partnern wie dem singenden Altsaxophonisten Louis Jordan oder beliebten Doo-Wop-Gesangsensembles wie den Delta Rhythm Boys und den Ink Spots zahlreiche Hits auf, konnte sich künstlerisch aber kaum richtig entfalten.
1946 begann sie die Zusammenarbeit mit dem Jazz-Impresario und Plattenproduzenten Norman Granz, der sie regelmäßig bei seinen “Jazz At The Philharmonic”-Konzerten auftreten ließ. Zehn Jahre lang kümmerte sich Granz als Agent um Ella, bis er sie endlich bei der Decca loseisen und für sein eigenes Label Verve unter Vertrag nehmen konnte. Unter der Obhut von Granz trat Ella, die sich nach sechs Jahren Ehe 1953 von dem Bassisten Ray Brown getrennt hatte, nun in ihre kreativste Phase:
Zwischen 1956 und 1964 nahm sie für Verve u.a. eine sensationelle Reihe mit Songbook-Einspielungen auf, die den Komponisten und Textdichtern Cole Porter, Richard Rodgers und Lorenz Hart, Duke Ellington, Irving Berlin, George und Ira Gershwin, Harold Arlen, Jerome Kern und Johnny Mercer gewidmet war. Legendär sind auch das “Porgy & Bess”-Album, das sie gemeinsam mit Louis Armstrong aufnahm, oder das Live-Album “Ella In Berlin”, auf dem die Sängerin den Text des Songs “Mack The Knife” vergessen hatte und sich mit Improvisation brillant aus der Klemme rettete. “Nahezu all ihre Verve-Einspielungen sind die Anschaffung wert”, bilanzierte der amerikanische Kritiker Scott Yanow.
Nach den Verve-Jahren unternahm Ella mit Einspielungen für andere Labels weniger geglückte Versuche, mit der Interpretation zeitgenössischer Popsongs ein neues Publikum zu gewinnen. Erst als Norman Granz, der Verve mittlerweile an MGM abgetreten hatte und in der Schweiz wohnte, ein neues Label namens Pablo aufbaute und die Sängerin erneut zu sich holte, konnte sie wieder an die brillanten Aufnahmen und Erfolge anknüpfen, die sie zuvor bei Verve erlebt hatte. Für Pablo nahm Ella in den 70er und 80er Jahren u.a. noch einige exzellente Alben mit Count Basie, Joe Pass und Oscar Peterson auf.
1994 zog sich Ella Fitzgerald ganz aus dem Musikbusiness zurück. Zwei Jahre später, am 15. Juni 1996, starb sie im Alter von 79 Jahren in Beverly Hills.
Stand: April 2017