Sommer letzten Jahres an der Rennstrecke in “Donington Park”: In speziellen, zweisitzigen Grand Prix-Wagen chauffieren der ehemalige Formel 1-Pilot und Weltmeister Damon Hill und der Minardi Team-Chef Paul Stoddard diverse Stars und Sternchen mit über 300 km/h um den Kurs. Mit u.a. dem Resultat, dass man Chris Eubank und seine Frau reichlich blass um die Nase aus dem Auto klettern sieht. Oder eine bekannte TV-Moderatorin, die zwecks “Erholung” in der Ambulanz weggebracht wird. Aber auch das Bild einer ganz bestimmten Sängerin/Songschreiberin aus Süd-London, die juchzend und frohlockend aus dem Cockpit springt und nach mehr lechzt.
Gabrielle ist eben immer für eine Überraschung gut…
“Die glaubten alle, dass ich es nicht packen würde”, erinnert sie sich fröhlich-lachend an ihre High-Speed-Erfahrung. “Und wenn ich ehrlich bin, glaubte ich das auch. Besonders, nachdem mir Murray Walker [ex Formel 1-Champ] nahe legte, mich darauf einzustellen, dass es sich in jeder Kurve so anfühlt als würde man sterben! Dafür vielen Dank, Murray! Du kannst mich jederzeit wieder einladen.”
Aber mal etwas ernsthafter. Tatsächlich ist es so, dass Gabrielle nicht nur die Öffentlichkeit, sondern auch sich selbst seit einer Dekade immer wieder überrascht hat. Denn diesen Sommer ist es nun schon genau 11 Jahre her, dass Gabrielle ihren mittlerweile “Klassiker” zu nennenden Hit “Dreams” veröffentlichte und geradewegs im “Guinness Buch der Rekorde” landete – für den höchsten Chart-Einstieg der Debüt-Single einer Künstlerin (der Tune blieb danach drei Wochen lang die Nummer 1).
Und sie bewies allen Unkenrufen zum Trotz, dass dies kein einmaliger Erfolg ohne Bestand sein sollte. Der weitere Verlauf ihrer Karriere belegte nachdrücklich ihr Können und Talent, alle möglichen Stile und Einflüsse zu ihrer ganz persönlichen, eigenständigen, originellen und dennoch extrem zugänglichen Mixtur zu verarbeiten. Dabei anscheinend mühelos und erfolgreich das Terrain des Pop-Mainstreams zu betreten, ohne ihre Credibility bei der Underground-Fanbasis auch nur ansatzweise zu verlieren.
So steht sie nun hier, im Jahr 2004: Mit 10 Top-Ten-Hits im Gepäck; drei mega-erfolgreichen Alben (darunter auch das viel bejubelte “Rise”, das allein mehr als 1,2 Millionen Exemplare verkaufen konnte); einem “Greatest Hits”-Album mit 2,6 Millionen Verkäufen weltweit; zwei Brit-, zwei Mobo- und einen American Music Award; oder aber auch dem Titelsong “Out Of Reach” zu der enorm erfolgreichen, romantischen Komödie “Bridget Jones’s Diary” ["Bridget Jones – Schokolade zum Frühstück"] mit Hugh Grant und Renee Zellweger.
Klingt nach einem prima Zeitpunkt, einen neuen Longplayer heraus zu bringen. Und – wie nicht anders zu erwarten – natürlich wieder genau diese typische Art eines Albums Marke Gabrielle, das sicher den einen oder anderen erstaunt aufhorchen lassen wird.
Denn “Play To Win”, so der Titel von Album Nummer 4, präsentiert eine Künstlerin, die ihren ebenso vertrauten wie beliebten “Lyrical Style” in neue musikalische Gefilde transportiert. Als selbstbekennendes “Pop Kid”, als Fan von Adam & The Ants und Wham!, aber auch von den Soul-Legenden wie Barry White, Marvin Gaye oder Stevie Wonder (die sie schon als Kind durch die Plattensammlung ihrer Mutter kennen gelernt hatte), hat sich Gabrielle auf ihrem neuen Werk “Play To Win” die Freiheit genommen, ihrer Vorliebe für geradliniges, direktes und authentisches Songwriting freien Lauf zu lassen. Was sie stilistisch etwas von dem “groove-abhängigen” R&B abrückt und einen neuen, melodischen und authentischen Mix aus Pop und Soul entstehen und erstrahlen lässt.
So überzeugen beispielsweise eindringlich-flehende Gitarren-Riffs, rollende Piano-Klänge und einschmeichelnde Orgel-Sounds in Songs wie der ersten Single-Auskopplung “Stay The Same” oder dem traurigen “You Used To Love Me” (“Dabei hatte ich den Typen von Nickelback im Hinterkopf, als ich ‘Stay The Same’ schrieb”, erzählt Gabrielle zu dem “Dreh-die-Autoanlage-auf”-Feeling des Songs).
Andere Tunes wie “Give And Take” und “Ten Years Time” leben wiederum von der Atmosphäre und der fast hymnischen Qualität, die auch den von allen Frauen der Welt geliebten Hit “Out Of Reach” auszeichnete.
“War Of Two Minds” hingegen ist eine wunderschöne Country-Soul-Ballade, der durch Gabrielles einfühlsame, facettenreiche Stimme Leben und Seele eingehaucht wird. Aber auch die Fans von Gabrielles altem Funky-R&B-Style kommen bei “Picking Up The Pieces” voll auf ihre Kosten, der ihre triumphalen Erfolge der Vergangenheit im Geiste wieder aufleben lässt.
Dafür, dass das grandiose Material von “Play To Win” auch produktionstechnisch wieder auf höchstem Niveau unter Dach und Fach gebracht wurde, stehen Gabrielles favorisiertes Producer-Team aus Dublin, Stannard & Gallagher, und Jonathon Shorten aus London.
“Die kennen mich mittlerweile einfach schon so gut”, erklärt Gabrielle. “Sie wissen, dass sie, wann immer sie mir neue Ideen vorspielen, ein Band mitlaufen lassen sollten – denn sehr oft sind diese spontan entstehenden Sachen die, die letzten Endes die richtigen sind. Und… äh… ja, ich habe die dumme Angewohnheit, meine besten Ideen zu vergessen, wenn niemand den Aufnahmeknopf gedrückt hat…”
Doch es wird sicher niemanden geben, der “Play To Win” so schnell vergisst. Wie man es von Gabrielle glücklicherweise bereits kennt und gewohnt ist, schielt sie nicht so sehr darauf, was nun gerade die Charts anführt oder was der “letzte Schrei” der aktuellen Musik-Szene ist. Sie besinnt und verlässt sich aus gutem Grund auf ihre ebenso unverwechselbare wie einzigartige Stimme, ihren Gesangsstil und ihr Verlangen, Musik zu kreieren, die nur den höchsten Ansprüchen gerecht wird. Songs zu schreiben, die unvergessliche Qualität besitzen.
“Genau das ist es, worauf ich allergrößten Wert lege: das Songwriting! Der Song an sich ist so unglaublich wichtig. Das, was man den Menschen sagt, welche Botschaften man rüber bringt, welche Geschichten man erzählt, über welche Erfahrungen man berichtet. Und wie man diese inhaltlichen Elemente durch eine Melodie lebendig werden lässt, die im Kopf und im Herzen hängen bleibt. All die Künstler, die ich verehre und schätze, all die Carole Kings, die Elton Johns, die Beatles und die großen Männer des Souls wie Marvin oder Stevie, schrieben solch großartige, herausragende Songs. Nun, ich weiß nicht, ob ich jemals diese Klasse erreichen werde, aber dieser Anspruch ist definitiv die treibende Kraft, die für die Entstehung des Albums verantwortlich ist.”
Bescheidene Worte einer Ausnahme-Künstlerin, die mit ihrem neuen Werk aufspielt um zu siegen – und zweifelsohne einen echten Gewinner auf den Weg gebracht hat: “Play To Win”.