Auf die Plätze. Fertig. GO!
Man kann ohne Übertreibung sagen, dass es heutzutage fast unmöglich ist, sich durch die musikalische Landschaft zu bewegen, ohne alle paar Meter auf gerissene Gitarrensaiten oder gequälte Songtexte aus irgendwelchen zerfledderten Notizbüchern zu stoßen, die einer dieser unzähligen „Singer/Songwriter“ fabriziert hat, die sich damit doch tatsächlich als „der Nächste große Soundso“ verkaufen wollen. Gott sei Dank gibt es da auch Typen wie Gary Go, die viel mehr zu bieten haben als das Gros der todunglücklichen Durchschnittsschreiberlinge. Seine eindrucksvolle Stimme, gepaart mit scharfsinnigen Texten und von Gitarre und Klavier dominierten Melodien, in denen immer wieder wahnsinnig eingängige Hooks aufblitzen, ergibt zusammen einen einzigartigen Sound, der vollkommen zugänglich ist, ohne dabei auf Ecken und Kanten zu verzichten. Der autodidaktische Multiinstrumentalist hat für sein gleichnamiges Debütalbum ein episches und zugleich stadiontaugliches Mix aus Pop und Rock aufgenommen, das in Kürze auf Decca Records erscheint.
In den Achtzigern in London geboren und im Schatten des Wembley-Stadions aufgewachsen, schrieb der junge Gary seine ersten Songs auf einem Spielzeug-Keyboard, um sein altes Casio während der College-Zeit schließlich gegen einen ganzen Instrumentenpark, diverse Aufnahmegeräte und Computerprogramme einzutauschen, mit denen er erste Konzept-Minialben aufnahm. Da er die Architektur seiner Heimatstadt so sehr liebte (und liebt), ist ein Großteil seiner Songs und Sounds von der zerklüfteten Metropole an der Themse inspiriert.
Weil Gary schon immer ein wahnsinnig ausgeprägtes Gespür für große Melodien, aufrichtige Texte und organische Sounds hat, dauerte es nicht lange, bis Leute wie Juliette Lewis, Carina Round und Joseph Arthur an ihn herantraten, um mit ihm zu arbeiten. Besonders als Geschichtenerzähler ist Gary Go unglaublich begnadet; zu seinen Vorbildern zählen gleichermaßen Literaten wie Paul Auster oder Arthur Miller und Musiker wie David Bowie oder ein Trent Reznor. Dass man ihn als klassischen Geschichtenerzähler bezeichnen muss, beweist er mit Album-Highlights wie „Engines“, einem romantisch-ruhigen Stück, in dem sein Klavierspiel so perfekt und zerbrechlich klingt, dass man automatisch an Sigur Rós denken muss, und dem unglaublich positiven „Wonderful“, einem Track, mit dem man auch den letzten Griesgram aufheitern kann.
„Mir haben sogar schon Leute gesagt, dass meine Songs wie Anleitungen zur Selbsthilfe funktionieren, was zwar seltsam klingt, denn so sind sie eigentlich nicht gedacht, aber wenn sie jemandem aus irgendeiner Misere helfen können, dann ist das natürlich großartig.“
Der Song „So So“, noch so ein Album-Highlight, wurde von The Fly als „britischer Zynismus, in einem Song verpackt“ beschrieben. „Das ist letztlich genau das, was ich bin – ein Junge aus London“, berichtet er über den Song. „Allerdings fühlt es sich wie eine Beziehung an, die mit den Jahren in die Brüche gegangen ist, weil sich die Stadt so wahnsinnig verändert hat und sie sich heute ganz anders anfühlt, als das London, in dem ich aufgewachsen bin… oder vielleicht bin ich es auch, der sich verändert hat.“
Veränderungen hin oder her: Die Stadt London ist definitiv ein zentrales Element in Garys Leben und seiner Musik. Nur einen Steinwurf vom Wembley-Stadion entfernt aufgewachsen, faszinierte ihn schon als ganz kleiner Junge der Live-Sound von großen Bands wie den Rolling Stones oder U2, der an manchen Abenden durch sein offenes Fenster hereingeweht kam. Im zarten Alter von fünf Jahren nahm ihn sein Cousin mit zu den Aufnahme-Sessions seiner Band, die beim Indie-Label One Little Indian Records unter Vertrag war. Und nachdem dieser Cousin ihn sogar dazu brachte, aktiv mitzumachen und kleine Gesangsparts für einige der Tracks beizusteuern, fasste Gary den Entschluss, auf sein erstes eigenes Keyboard zu sparen, um sich selbst das Spielen beizubringen und dazu zu singen. Seinen allerersten richtigen Song schrieb er dann mit acht Jahren – „Stomach Ground“ lautete der Titel –; er handelte von einem kleinen Dorf, das auf dem Bauch eines Menschen gelegen ist. Wem das jetzt allzu sehr nach den Fraggles klingt, braucht sich nicht zu wundern: Schließlich war Garys Vater früher einer der Produzenten von Jim Hensons Muppet Show…
Nachdem er die Schule mit 17 hinter sich gebracht hatte, nahm Gary einen schlecht bezahlten Job bei einer Plattenfirma an, die zudem ein eigenes Aufnahmestudio betrieb. Gary war jedoch ausschließlich fürs Teekochen und das Sortieren der Post verantwortlich. „Es war nun mal das, was ich mir in den Kopf gesetzt hatte. Ich hatte keinerlei Kontakte in der Musikbranche, aber ich dachte mir, dass sich das so vielleicht ändern könnte“, erinnert er sich. „Die Firma stellte für mich eine Art Universität dar: Hier konnte ich lernen, wie alles abläuft, und zwar von der Pike auf – und ich hab dadurch Tool getroffen!“ In den kurzen Pausen, wenn es gerade mal nichts abzustempeln oder aufzubrühen und keine Hände von berühmten Musikern zu schütteln gab, nahm Gary kleine Songideen mit dem Diktiergerät auf oder wählte seine eigene Nummer, um die Melodien bei sich daheim auf den Anrufbeantworter zu singen. Dann trommelte er ein paar alte Freunde zusammen, gründete eine Band und wählte einige der besagten Ideen aus, um die EP „So So“ aufzunehmen, die als erste Veröffentlichung auf seinem eigenen kleinen Label The Canvas Room Records erschien. Insgesamt wurden fünfhundert Stück gepresst und an mehr oder weniger ahnungslose Zuhörer bei Konzerten und im Netz verkauft.
Nachdem ein gewisser Harry Fox, ein berüchtigter Lebemann, der in den „Swinging Sixties“ z.B. die Fashion-Boutique „Lady Jane“ an der Carnaby Street besaß, Gary in einem zufälligen Treffen den Beinamen „Go“ verpasst hatte, behielt er ihn, bis er irgendwann in sämtlichen Poststellen der unterschiedlichen Labels als Gary Go bekannt war. Um noch mehr über Musik und die Hintergründe zu lernen, arbeitete er als nächstes für Artist Network, die Plattenfirma von Eurythmics-Hälfte Dave Stewart, und als Studioassistent und Programmierer in den Townhouse Studios, wobei es da auch einen Hammerjob in Peter Gabriels Real World Studios gab, den er ausnahmsweise nicht bekam: „Ich habe den Eindruck, du solltest dich lieber auf deine eigene Musik konzentrieren“, sagte Gabriel gegen Ende des Vorstellungsgesprächs und zerstörte damit Garys Traum, im renommierten Studio in Bath zu arbeiten. Niedergeschlagen und überzeugt, dass ihm soeben die ultimative Chance durch die Lappen gegangen war, kehrte er nach London zurück; doch die gute alte Glücksgöttin hatte in Sachen Gary und Gabriel noch nicht das letzte Wort gesprochen. Nach einem Aufenthalt in den Staaten, wo er in einem legendären Studio in New Jersey arbeitete und in Frank Sinatras früherem Anwesen wohnte (841 Garden St, NJ), schrieb Gary eine Reihe von Songs, die ihm letztendlich einen Vertrag mit Decca Records bescheren sollten – dem Label, auf dem Peter Gabriel mit Genesis seine ersten Platten veröffentlichte…
Und nun, nachdem er in der Umgebung von Prag, in Woodstock in den Catskill Mountains, in Manhattan, Los Angeles und natürlich auch in seinem eigenen Canvas Room Studio im Westen von London an den Songs gefeilt hat, ist Gary Go bereit, sein Debütalbum zu veröffentlichen. Während Kevin Killen (U2, Elvis Costello, Tori Amos) als Toningenieur aushalf und Chris Lord-Alge (U2, Green Day, The Kooks) hinter dem Mischpult saß, zählen das Waking Vision Trio, Will Calhoun und Doug Wimbish von Living Colour (wobei Wimbish auch schon mit der legendären Sugar Hill Gang aufgenommen hat) und die grandiose Carina Round zu den Musikern und Musikerinnen, die mit ihm im Studio waren.
Parallel zur Arbeit am Album haben sich Gary Go und seine Band mit Auftritten in London und auf großen UK-Festivals (unter anderem Great Escape, V Festival, Latitude und T In The Park), sowie mit Gigs im Vorprogramm von The National, Rumble Strips, The Feeling, Fratellis und The Script bereits eine loyale und stetig wachsende Fanbase geschaffen.
Man kann es Schicksal nennen. Oder Glück. Oder harte Arbeit. Wie dem auch sei: Gary Go wird spätestens jetzt endgültig durch die Decke gehen! Go! Go! Go!