Musik kann eine großartige Form der Konversation sein, ein Geben und Nehmen. Im Idealfall dient sie der tieferen Verbindung und Kommunikation zwischen zwei Musikern. Der Wert so einer Konversation findet sich im gegenseitigen Erkennen und der wechselseitigen Anerkennung – die Qualität ist davon abhängig, wie viel man gewillt ist, miteinander zu teilen. Auch darum ist der Titel des gemeinsamen Album von
Gentleman und Ky-Mani Marley in seiner Schlichtheit so aussagekräftig: “
Conversations” ist mehr als eine
Collab, mehr als eine Combination. Denn die beiden haben eine Menge miteinander geteilt, alle vierzehn Titel des Albums werden hörbar geprägt von einem persönlichen Austausch, einer nachvollziehbaren Interaktion von Ideen und Gefühlen. Die “Conversations” von Gentleman und Ky-Mani Marley sind wie jede gute Konversation eine Einladung zur Entdeckung.
Der fruchtbaren Zusammenarbeit bei
Gentlemans MTV-unplugged-Konzert im August 2014 folgte eine Tour, in deren Verlauf die beiden Künstler zu Freunden wurden. Vor und nach und ja, auch manchmal während der Konzerte legten sie in zahlreichen, zunehmend vertrauteren Gesprächen die Grundlage für “Conversations”. Als wenig später Ky-Mani während eines Telefonats die Idee aufbrachte, ein gemeinsames Album aufzunehmen, waren sich die beiden schnell einig. Die Geschwindigkeit, mit der sie an die Arbeit gingen, ist auch dem Willen geschuldet, die Früchte der gemeinsamen Tour-Tage und -Nächte möglichst frisch präsentieren zu wollen. Das gemeinsame Album geriet damit zu einer Art Projekt, das ganz nebenbei auch eine entsprechende, erfrischende Arbeitsweise mit sich brachte. Gentleman beschreibt das Album als “experimentierfreudiger”, zum einen geprägt von den gemeinsamen Gesprächen und Songwriter-Sessions der beiden, zum anderen von den Unterhaltungen, die sie mit befreundeten Künstlern wie
Clay und
Daddy Rings im Rahmen dieses Projekt geführt haben.
Es mag der speziellen Geschichte und Atmosphäre ihrer Gespräche geschuldet sein, dass “Conversations” inhaltlich Gentleman und Ky-Mani etwas introspektiver, nachdenklicher oder auch verletzlicher erscheinen lässt. Das beginnt schon mit dem Opener “Signs Of The Times”, in dem die melancholischen Worte von zarten Pianotupfen zu einem versöhnlichen Ende getragen werden. In der Gewissheit, dass es, wie Ky-Mani singt, “für jede Wunde ein Pflaster gibt” kann man selbst in Zeiten von Krieg, Angst und Flucht noch darauf bauen, dass sich die Dinge wieder zum Guten wenden. In jeder Krise und jedem Krieg keimt auch die Chance, es danach besser machen zu können. Dafür müssen wir, wie es in “Tomorrow” heißt, nur manchmal unsere “Comfort-Zone” verlassen.
Inhaltlich wie auch musikalisch sticht unter anderem “Mama” hervor; produziert von Supadups (Drake, Rihanna) gerät der Song für zwei geliebte Mütter zur Hymne an alle edlen, sich aufopfernden Mütter. Mit einem kreativen Twist wiederum brilliert “Way Out”, in dem sich Gentleman erstmals in einem Song unterschiedlicher Perspektiven bedient, in diesem Falle der eines jungen Flüchtlings und eines Soldaten. Mit “No Solidarity”, einer der Höhepunkte des MTV-unplugged-Konzerts, erinnern die beiden an den Anfang ihres Projekts und mit der Cover-Version des alten, erstmals 1964 veröffentlichten Bob Marley-Hits “Simmer Down” an den Anfänge der Musik, die ihnen so viel bedeutet. Extra für diesen Song haben sich die beiden Künstler namhafte, weibliche Unterstützung geholt: Marcia Griffiths, die bereits als Mitglied der legendären I-Threes im Background für Bob Marley gearbeitet hat, singt u. a. die Hookline – natürlich durfte sie auch beim gemeinsamen Videodreh auf Kuba nicht fehlen.
In letzter Konsequenz ist der Album-Titel “Conversations” aber zuvorderst als eine Aufforderung an uns alle gemeint. Am Ende gesteht Gentleman: “Es gibt wenig, was ich 2016 so sehr vermisse wie die Bereitschaft, sich auszutauschen, zuzuhören, sich Zeit zu nehmen, aufeinander zuzugehen und ins Gespräch zu kommen. Aber ich glaube, in dem Maße, in dem wir lernen, mit den Herausforderungen der neuen Zeit besser umzugehen, kommt das auch wieder …” Es ist nun an uns, diesen Glauben zu bestärken. Die Zeichen mehren sich, dass wir nicht allein sind. In grösseren Städten findet man vor immer mehr Cafes & Bars inzwischen eine Tafel mit dem Hinweis: “No Wifi – talk to each other.”