Gregory Porter in eine Schublade zu stecken, ist ein Ding der Unmöglichkeit. Auf den Alben, die der Sänger seit seinem 2010 erschienenen Debütalbum “Water” vorgelegt hat, bediente er sich stets – und in oft wechselnden Kombinationen – des Vokabulars von Jazz, Blues, Soul, Gospel und sogar traditioneller Popmusik. Sei es bei seinen einfühlsamen Interpretationen von bekannten Fremdkompositionen, sei es bei den von ihm selbst verfassten Songs, von denen nicht wenige das Zeug haben, einmal zu Klassikern zu werden.
Durch diese nicht nur stilistische Vielfältigkeit zeichnet sich auch Gregory Porters erstes Weihnachtsalbum “Christmas Wish” aus, mit dem er 2023 seine zehnjährige Zugehörigkeit zur Blue-Note-Familie feiert. Zwar tauchen auf diesem auch ein paar der “üblichen Verdächtigen” auf – sprich: weihnachtliche Evergreens, die wohl jeder in Versionen von etwa Ella Fitzgerald,Frank Sinatra, Dinah Washington oder Nat King Cole her kennt. Doch mit “Ausreißern” wie den Motown-Soul-getränkten Nummern von Stevie Wonder (“Someday At Christmas”) und Marvin Gaye (“Purple Snowflakes”) sowie vor allem seinen drei eigenen, sehr persönlichen Songs beweist Porter eine Originalität, die vielen anderen Weihnachtsalben abgeht.
Der rasante Aufstieg, den Gregory Porter in den zurückliegenden dreizehn Jahren vom Brooklyner Lokalhelden zum weltweit gefeierten Star hingelegt hat, ist umso erstaunlicher, da er bereits 39 Jahre alt war, als er sein erstes Album veröffentlichte. Musik hatte in seinem Leben zwar immer eine große Rolle gespielt, aber eigentlich wollte der 1971 in Sacramento geborene Gregory Porter professioneller Footballspieler werden. Als der Traum Anfang der 90er Jahre wegen einer schweren Verletzung platzte, begann er, sich der Musik ernsthafter zu widmen. Bis die Dinge wirklich in Gang kamen, sollten aber noch mehr als zehn Jahre vergehen, in denen er – meist im stillen Kämmerlein – an seinen musikalischen Talenten feilte. Den entscheidenden Schritt unternahm Gregory, als er 2004 gemeinsam mit seinem älteren Bruder Lloyd nach New York zog. Dort hielt er sich mit einem Tagesjob in einem von Lloyd betriebenen Coffee-Shop über Wasser, um abends in Clubs singen zu können. Bei wöchentlichen Auftritten St. Nick’s Pub in Harlem lernte er viele der Musiker kennen, mit denen er sein Debütalbum “Water” aufnahm. Viele dieser Musiker gehören noch heute seiner Begleitband an und sind neben Gaststar Samara Joyauch auf “Christmas Wish” wieder mit von der Partie.
Mit “Water” und dem 2012 erschienenen Nachfolger “Be Good” (beide veröffentlicht bei dem Indie-Label Motéma Music) katapultierte sich Porter gleich in die Schlagzeilen. Die Alben erhielten nicht nur begeisterte Kritiken, sondern brachten dem Sänger auch seine ersten zwei Grammy-Nominierungen ein. Kurz danach lockte der Produzent Don Was den aufstrebenden Star mit einem langfristigen Vertrag zu Blue Note Records und ermutigte ihn dazu, dort seiner einzigartigen künstlerischen Vision treuzubleiben. Der überwältigende Erfolg der ersten beiden Blue-Note-Alben, “Liquid Spirit” (2013) und “Take Me To The Alley” (2016), sollte Don Was Recht geben. Mit ihnen landete Porter nicht nur erstmals weltweit in den Jazz- und Pop-Charts, sondern sammelte auch Platin- und Gold.Auszeichnungen sowie zwei Grammys für das “Beste Jazzgesangsalbum” ein. Auf “Nat King Cole & Me” stellte er 2017 dann nicht seine eigenen Songs in den Mittelpunkt, sondern präsentierte sich als Interpret der unsterblichen Lieder seines Vorbilds Nat King Cole.
Seinen Ruf, einer der besten Songwriter des aktuellen Jazz und Rhythm’n’Blues zu sein, konsolidierte Gregory Porter drei Jahre später auf seinem sechsten Studioalbum “All Rise”, das wieder durchweg selbstverfasste Lieder bot. Wie ein zeitgenössischer Marvin Gaye verwischte er hier die Trennlinien zwischen Jazz, Soul, Gospel, Rhythm’n’Blues und Pop und reiht Ohrwürmer von bestechender Qualität aneinander. Auf dem anthologischen Doppelalbum “Still Rising”, das auch Aufnahmen seiner beiden Motéma-Alben und Zusammenarbeiten mit anderen Künstlern enthielt, zog er 2021 eine Zwischenbilanz seiner ersten zehn Karrierejahre. Außerdem veröffentlichte Blue Note 2022 Gregory Porters gefeiertes Debütalbum “Water” mit einen groovigen Remix seines ersten Hits “1960 What?” als Bonus-Track wieder.