Nach “Ray” und “Walk The Line” darf der Kinogänger bald mit einem neuen Musikertitanen-Biopic rechnen. Noch zu Lebzeiten gab James Brown dem Regisseur Spike Lee den Segen, ihn auf der Kinoleinwand auferstehen zu lassen. Drehbeginn soll 2008 sein. Die Gerüchteküche brodelt. Wer wird den “Godfather of Soul” spielen? Den ersten Namen spuckte vor einigen Tagen die britische Daily Mail aus: Samuel L. Jackson (“Pulp Fiction”, “Jackie Brown”). Die nötige Coolness dürfte Jackson mitbringen. Die Tanzschritte des jungen James Brown wird der dann 60jährige jedoch unmöglich performen können, außerdem ist er zwei Köpfe größer als Brown. Was auch immer für andere Namen ins Spiel gebracht werden mögen: Um die Turbulenzen in Browns Leben glaubhaft einzufangen, wird Spike Lee diverse Stuntmen benötigen.
The Godfather of Soul
Ekstase, Intensität, Feuer. Wenn James Brown wie ein Zirkusdirektor seine Band auf der Bühne herumscheuchte, wenn er sich auf den Brettern die Knie blutig scheuerte und im Boxer-Kapuzenmantel winselnd zu Boden ging, blieb kein Auge trocken. Browns Bühnenshows umarmten die Tiefe des Gospel, die Virtuosität des Jazz und den Glitter von Las Vegas. Zwischen 1965 und 1975 schaffte es jeder seiner Songs in die Charts. Kompositionen wie “Papa´s Got A Brand New Bag”, “I Feel Good”, “Sex Machine”, “It´s A Man´s World” und “Get Up Offa That Thing” sind der amerikanische Beitrag zum Weltkulturerbe. Wesen aus anderen Galaxien werden noch in Jahrmillionen zu James Brown mit den Hüften (oder was immer sie da haben) wackeln. | Soul Brother Number One
In seiner extravaganten Selbstinszenierung (monumentale Gürtelschnallen, Betonfrisur, tätowierte Augenbrauen) lebte Brown den afro-amerikanischen Traum: Vom Baumwollpflückerkind über den Knackie zum Grammy-dekorierten Plattenmillionär.
Mit paradoxen Ansichten verwirrte er seine Fans – der Ex-Boxer war integrale Figur der afroamerikanischen Bürgerrechtsbewegung (“Say It Loud, I´m Black and I´m Proud”) und unterstützte danach Richard Nixon und Ronald Reagan (“Living In America”). Seinem Ruhm tat es keinen Abbruch.
Minister of The New Super Heavy Funk
Brown erfand den Funk, sein Song “Cold Sweat” (1967) gilt vielen als der erste Track des Genres. Die hypnotischen vorgezogenen Einsen seiner Beats schlugen den Takt zur neuen Ära. Und jedes Instrument wurde bei ihm zum Rhythmusträger. Browns Minimalismus, sein Zoomen, sein Komprimieren eines Songs auf einen Akkord, auf eine Note, manchmal nur auf ein heiseres Krächzen, baute dabei auf dem Jazz-Vokabular auf. Genau wie Duke Ellington komponierte Brown seine Stücke um die Mitglieder seiner Bands herum, vorwiegend Jazzmusiker. “Soul Brother Number One” konnte keine Noten lesen. “Ohne Musiker wie Pee Wee Ellis, die Ahnung von Musiktheorie hatten, wäre Brown verloren gewesen”, schildert Browns ehemaliger Musikdirektor Fred Wesley. “Er drückte sich mit Grunzen, Greinen und Lah-Di-Dahs aus und brauchte Musiker, die diese Sprache in konkrete Songs umsetzen konnten.” Aus Browns Bands gingen Soul-Giganten wie Bootsy Collins, Bobby Byrd, Myra Barnes, Hank Ballard und Maceo Parker hervor. | The Hardest- Working Man in Show Business
Die Bedeutung Browns für die Popmusik des 20. Jahrhunderts steht auf Augenhöhe mit der von Elvis, der Beatles oder Bob Dylan. Miles Davis änderte umgehend seinen Stil, als er James Brown entdeckte. “Mr. Dynamite” setzte eine Lawine in Gang, die von der Mitte der 60er bis in die 90er alles um sich herum mitnahm: Sly & The Family Stone, Booker T. and the MGs, The Jackson 5 in den 70ern. Mick Jagger, David Bowie und Afrikaa Bambaataa in den 80ern und die gesamte Hip Hop-Generation der 90er. Sein unnachahmbarer Schrei- und Sprechgesang war der Prototyp von Rap. Browns “Funky Drummer” ist immer noch das meistgesamplete Musikstück der Geschichte.
Mr. Please Please Please
So genial Browns Beitrag für den Pop, so abgründig der private James Brown, der seine vier Ehefrauen schlug, sich mit dem Elefanten-Anästhetikum PCP zuknallte und sich 1988 mit der Polizei eine Testosteron-gesteuerte Auto-Verfolgungsjagd über zwei US-Bundesstaaten lieferte, danach musste er wegen unerlaubten Waffen- und Drogenbesitzes hinter Gitter. Bis zu seinem letzten Tage ließ sich “the Hardest- Working Man in Show Business” für Auftritte buchen. 2006 ging er noch auf Welttournee, auf einer seiner letzten Shows spielte er in Irland vor 80.000 Menschen. Annie Lennox hatte er zugesagt, mit ihr ein Duett auf ihrem kommenden Album “Venus” einzusingen. Am 25. Dezember 2006 um 1:45 starb James Brown in Atlanta im Alter von 73 an den Folgen einer Lungenentzündung.