Mangelnden Abwechslungsreichtum kann man dem Multiinstrumentalisten John Surman wirklich nicht vorwerfen. In den letzten zwölf Jahren machte er für ECM Aufnahmen mit Kirchenorgel (“Rain On The Window”), Streichern (“The Spaces In Between”), Blechbläserensemble (“Free And Equal”) sowie Chor (“Proverbs And Songs”) und setzte sich im Zusammenspiel mit dem Dowland Project experimentell mit Früher Musik auseinander (“Romaria”). Jetzt bietet er einem mit “Brewster’s Rooster” nach langer Zeit mal wieder ein Album, das eindeutig jazzorientiert ist. Für eine ähnlich dynamische Performance mit einer Jazzgruppe muß man in Surmans Diskographie schon bis zum 1993er Album “Stranger Than Fiction” zurückgehen.
In einer früheren Ära hätte man das Ensemble, das Surman für sein neues Album zusammengestellt hat, wohl als “Supergruppe” bezeichnet: Es ist ein Quartett, das aus drei mit dem Label ECM assoziierten Bandleadern besteht – Surman, Gitarrist John Abercrombie und Schlagzeuger Jack DeJohnette – sowie von dem hochgeschätzten Bassisten Drew Gress, einem ECM-Debütanten, komplettiert wird.
Surman und DeJohnette haben das erste Mal 1968 miteinander gespielt und seither bei zahlreichen Projekten kollaboriert. Als Duo gaben sie immer wieder Konzerte und nahmen für ECM die beiden Alben “The Amazing Adventures Of Simon Simon” (1981) und “Invisible Nature” (2000) auf. Erst kürzlich tourte der Saxophonist mit DeJohnettes aktueller Band The Ripple Effect.
Surmans allererster Auftritt auf einem ECM-Album fand 1975 – auf Barre Phillips “Mountainscapes” – statt. Mit von der Partie war damals auch der Gitarrist John Abercrombie. In dieser Periode arbeiteten auch Abercrombie und DeJohnette regelmäßig zusammen. Der Schlagzeuger spielte in Abercrombies Band Gateway und der Gitarrist wiederum in DeJohnettes Band New Directions.
DeJohnette, den man heute in aller Welt vor allem als Schlagzeuger des unglaublich populären “Standards”-Trios von Keith Jarrett kennt, ist seit den 70er Jahren einer der vielseitigsten zeitgenössischen Schlagzeuger sowie ein überaus produktiver Sessionmusiker. In seiner umfangreichen ECM-Diskographie findet man Aufnahmen mit Miroslav Vitous, Steve Kuhn, Terje Rypdal und vielen anderen Größen des europäischen und amerikanischen Jazz.
John Abercrombie (dessen erstes eigenes ECM-Album “Timeless” 1974 Jack DeJohnette am Schlagzeug featurete) konnte sich schon in den 70er Jahren als einer der wichtigsten und einflußreichsten modernen Jazzgitarristen etablieren. Für ECM nahm er mit Gaststar John Surman außerdem noch das Album “November” auf sowie u.a. vier Alben mit einem Quartett, dem der Violinist Mark Feldman angehört. Ein neues ECM-Album von Abercrombies Quartett ( Titel: “Wait Till You See Her”) wird voraussichtlich im Oktober erscheinen.
Schon Mitte der 60er Jahre war der 1944 in Devon/Großbritannien geborene John Surman einer der meistgefeierten Jazzmusiker Europas. Durch sein Zusammenspiel mit dem Mike Westbrook Orchestra, John McLaughlin und Chris McGregor begeisterte er Musikerkollegen, Kritiker und Publikum gleichermaßen. Bei Umfragen in Jazzmagazinen räumt er schon in jungen Jahren Auszeichnungen ab, und 1970 durfte er mit einer Band von Down-Beat-Poll-Siegern sogar auf Japan-Tournee gehen.
Auch mit seinen eigenen Bands sorgte er kontinuierlich für Furore – insbesondere mit The Trio (mit Bassist Barre Phillips und Schlagzeuger Stu Martin), das neue Maßstäbe für intensive Interaktionen im kleinen Besetzungen setzte. An der Seite von Phillips und Martin debütierte er 1976 auf dem Album “Mountainscapes” auch bei ECM. Drei Jahre später nahm er für Manfred Eichers Label sein Soloalbum “Upon Reflection” auf. Dann folgte eine Reihe von Aufnahmen in unterschiedlichsten instrumentalen Konfigurationen und Formaten – mal mit einem Jazzquartett oder einem Streichensemble, mal vollkommen solo mit Overdubs. Auch ein Oratorium mit Bibeltexten nahm er auf. Darüber hinaus gab es Zusammenarbeiteen mit Künstlern der verschiedensten Genres: von Anouar Brahem bis John Potter. Surmans ECM-Diskographie umfaßt u.a. die Alben “Private City”, “Adventure Playground”, “Nordic Quartet”, “The Brass Project” und “The Amazing Adventures of Simon Simon”, die heute allesamt zu den Jazzklassikern gerechnet werden – und sein neues Album “Brewster’s Rooster” wird sicherlich auch bald in dieser Liste stehen.