Mit einer All-Star-Besetzung zollt das Trio Beyond auf dem Doppelalbum “Saudades” einer All-Star-Band der späten 60er Jahre Tribut: Schlagzeuger Jack DeJohnette, Gitarrist John Scofield und Keyboarder Larry Goldings taten sich 2004 zusammen, um in einem einmaligen Konzert die atemberaubende Musik und den innovativen Geist von Tony Williams und seiner Band Lifetime noch einmal aufleben zu lassen.
Schon beim Lesen der Titel werden Kenner des klassischen Jazz-Rock sicher in wehmütigen Erinnerungen schwelgen: “Emergency” und “Spectrum” stammen vom ersten Album, das der Schlagzeuger Tony Williams 1969 mit seiner Band Lifetime einspielte und John Coltranes “Big Nick” sowie Larry Youngs “Allah Be Praised” vom 1970 erschienenen Nachfolger “Turn It Over”.
Der Großteil der restlichen Titel hat entweder auch einen Bezug zu Tony Williams oder wurde von den Mitgliedern des Trio Beyond eigens für dieses einmalige Projekt geschrieben. “Seven Steps To Heaven” war eines der ersten Stücke, die der seinerzeit erst siebzehnjährige Tony Williams unter den Fittichen von Miles Davis aufnahm. Die erste Einspielung erfolgte 1963 für das Album gleichen Titels, danach gab es noch andere Aufnahmen des Stücks auf den beiden Live-Alben “Miles In St. Louis” (1963) und “Four And More” (1964). Der Standard “I Fall In Love Too Easily” gehörte in den frühen 60er Jahren auch zum festen Repertoire von Miles; aufgenommen hat er ihn mit Tony Williams ebenfalls für “Seven Steps To Heaven” und später bei den “Plugged Nickel”-Sessions in Chicago (1965). “Pee Wee” ist ein Stück, das Williams selbst für die Band von Miles Davis schrieb und das 1967 in der legendären Besetzung mit Wayne Shorter, Herbie Hancock und Ron Carter für das Album “The Sorcerer” eingespielt wurde. Von Larry Youngs 1965 für Blue Note aufgenommenem Album “Unity” stammt wiederum der Titel “If”. Die restlichen Stücke – “As One”, “Saudades” und “Love In Blues” – wurden von den Mitgliedern des Trio Beyond geschrieben oder gemeinsam improvisiert.
An die Urbesetzung von Lifetime (mit Tony Williams, John McLaughlin und Larry Young) gemahnt natürlich auch die Instrumentierung des Trio Beyond: für den kraftvoll pulsierenden, aber stets melodischen Beat sorgt Jack DeJohnette, für die schier unglaublichen Gitarrensoli zeichnet der im Rock, Blues und Jazz gleichermaßen bewanderte John Scofield verantwortlich und die Hammond B−3-Einlagen steuert Larry Goldings bei.
Jack DeJohnette und John Scofield haben in den 70er Jahren noch aktiv am spannendsten Kapitel der Jazz-Rock-Geschichte mitgewirkt. Ersterer ersetzte den hier geehrten Williams in der Band von Miles Davis, letzterer verdiente sich erste Sporen in der Billy Cobham/George Duke Group. Der erst 1968 geborene Larry Goldings ist zwar der Benjamin dieses atemberaubenden Trios, zählt aber mit Joey DeFrancesco und John Medeski zu den Cracks der neuen Hammond-Generation. Im beinahe zweistündigen Programm dieser Doppel-Live-CD, die 2004 in der Queen Elizabeth Hall in London mitgeschnitten wurde, ziehen die drei Musiker alle Register ihres Könnens.
Die Musik wurde bei dem Konzert unter dem Titel “Lifetime And Beyond: Celebrating The Music Of Tony Williams” präsentiert. Initiiert hatte das Projekt Jack DeJohnette, der 1969 zur Miles Davis Group stieß, als Tony Williams diese verließ, um seine zwar nur kurzlebige, aber hochexplosive Band Lifetime zu gründen. Während die Jazzkritik die wahre Bedeutung dieser Band erst im Nachhinein erkannte, übte die Musik damals sofort einen gewaltigen Einfluß auf die zeitgenössische Jazz- und Rockszene aus. Lediglich Miles Davis' Klassiker “Bitches Brew” prägte die progressiven Musiker beider Lager noch mehr.