Vier Grammy-Nominierungen, zwei Grammys, CMA-Awards, Hits in den USA und Europa. Nach einem zögerlichen Karrierestart Anfang der 2000er-Jahre änderte ihr preisgekröntes, 2013 erschienenes Album „Same Trailer Different Park“ alles für Kacey Musgraves: Sie war top. Sie war hip. Sie war Everybody’s Darling des weltweiten Kulturbetriebs. Mit dem Nachfolge-Hit „Pageant Material“ konnte die aus dem texanischen Nest Mineola stammende Sängerin und Songwriterin ihren künstlerischen Stellenwert weiter untermauern. Jetzt ist die frisch mit Musiker-Kollege Ruston Kelly verheiratete und wie sie sagt „rundherum glückliche“ Künstlerin bereit für den nächsten Schritt – sie bittet zur „Golden Hour“, ihrem neuen Studio-Album.
Eine „Goldene Stunde“? Zur jetzigen Zeit? „Ich war immer ein Beobachter und Kommentator der Gesellschaft“, sagt die 29-jährige Ausnahmekünstlerin. Stimmt. In ihren Songs hat Kacey Musgraves nie ein Blatt vor den Mund genommen, wenn es um Ungerechtigkeiten ging; um Intoleranz, um Diskriminierung von Randgruppen und Minderheiten, um Rassenbarrieren. Wer nicht mit dem Strom schwimmen mochte fand in der aufgeschlossenen Texanerin nicht selten eine Schwester im Geiste. Damit hat sie sich beileibe nicht nur Freunde gemacht. Im Gegenteil. Manch konservativer Country-Radiosender boykottierte ihre Musik: Zu liberal! Zu keck! Vielleicht auch: zu intelligent?
So avancierte Kacey Musgraves in den letzten fünf Jahren nicht nur zu einer wohlklingenden und dazu gehaltvollen Stimme des Folk-Pop und Country-Rock. Sie wurde mit Songs wie „Follow Your Arrow“ auch zu einem Sprachrohr aufgeklärter Musikfans.
Doch: Wie mag diese Haltung zu einer Unbeschwertheit verheißenden „Goldenen Stunde“ passen? „Was gerade politisch und gesellschaftlich passiert, ist wirklich gruselig“, sagt sie. Es wäre deshalb ein Leichtes, sich nur auf die negativen Dinge des Lebens zu konzentrieren. „Aber ich wollte mit meiner Musik der Welt etwas Hoffnung, Liebe und Farbe schenken. Mein aktuelles Leben gestattet es mir, die Magie in der Welt zu erkennen.“
„Golden Hour“ ist, darüber gibt es keine Zweifel, das bisher persönlichste Kacey Musgraves-Album. In der feingliedrigen, enorm berührenden Klavierballade „Mother“ erzählt sie beispielsweise von familiärer Bande, in dem luftig-leichten, fast schon an Easy-Listening-Klänge erinnernden „Butterflies“ träumt sie von ihrer verstorbenen Großmutter; „Slow Burn“, der wunderschöne, ganz im Folk und Country verankerte Album-Opener sei sogar, so sagt sie, „einer meiner bisher persönlichsten Titel“. Eine Introspektive, die einen ausführlichen Blick in das Innenleben des charismatischen Stars gestattet. Gleiches gilt auch für das nachfolgende „Lonely Weekend“, das allen „Loners and Homebodies“ gewidmet sei.
Gemeinsam mit den Songwritern Ian Fitchuk und Daniel Tashian schrieb sie das mit raffinierten Dance- und Disco-Elementen aufgeladene „Oh, What A World“. Ein Track, der ihre überbordende Kreativität auf den Punkt bringt: „Ich hatte die Vision eines ganz speziellen Sounds: organische Klänge treffen auf nicht-organische.“ Ähnlich ging sie auch den Titel „High Horse“ an, bei dem sie sich, wie sie zugibt, von den Bee Gees inspirieren ließ. Doch nicht nur die Brüder mit den hohen Stimmen hätten Einfluss auf das Sound-Outfit dieser bemerkenswerten Goldenen Stunde gehabt, auch Songwriter-Ikone Neil Young und die britische Jazz-Pop-Königin Sade. Ihre ursprünglichen Folk- und Country-Wurzeln hat sie dennoch nicht gekappt. Doch andere musikalische Facetten würden sie einfach ebenfalls inspirieren. „Mir schwebt ein Sound vor, bei dem unterschiedliche Stilrichtungen gleichberechtigt nebeneinander existieren können.“
Neben neuen und jungen Co-Songautoren vertraut Musgraves auf „Golden Hour“ auch wieder auf die bewährten Talente ihrer langjährigen Weggefährten – auf Shane McAnally, Luke Laird und Natalie Hemby. Aufgenommen wurde die CD in der intimen Atmosphäre von Sheryl Crows Heimstudio. Ein Recording-Venue inmitten einer Pferdekoppel. „Das war eine Wohltat“, schwärmt sie, „um uns herum nur tolle Natur und diese wundervollen Pferde. Und dazu“, ergänzt sie, „ganz weit weg von dieser ganzen 9 to 5-Mentalität der Industrie.“ Da ist sie wieder: Die schöne Rebellin.
Übrigens: Noch in diesem Jahr geht Kacey Musgraves – gemeinsam mit Harry Styles (One Direction) – in den USA auf Tournee.