Längst hat es die Runde gemacht: Die Berliner Kultband KARAT feiert 2025 ihr 50jähriges Jubiläum. 50 Jahre – das sind zwei Generationen und fast ein Leben. Es gibt nur wenige Bands von Rang, die auf eine solche lange Geschichte zurückblicken. Die meisten davon – seien wir doch ehrlich – sind dabei längst zu nostalgischen Coverbands ihrer selbst geworden.
KARAT sind einen anderen, ihren eigenen Weg gegangen: Dem der permanenten Suche, der ständigen Bewegung und Selbstbefragung. Es hat in diesem fünf Jahrzehnte währenden Prozess einige Brüche gegeben. Musiker, die jahrelang Kurs und Klang der Band maßgeblich prägten, machten Platz für neue Charaktere und neue Ideen. Eine permanente Frischzellenkur, ein ständiger Verjüngungsprozess. Die heute den 50. Bandgeburtstag feiern, kommen zum Teil aus anderen Generationen, bieten von ihrer Lebenserfahrung her ein breit gefächertes Spektrum. Und trotzdem, oder vielmehr: Gerade deshalb blieb die Idee dahinter immer jung.
Exemplarisch deutlich wird diese einzigartige Bandentwicklung als offenes Kreativsystem in der Position den Frontmanns: Die hatte Herbert Dreilich drei Jahrzehnte inne. Dabei wurden die größten Erfolge der Band gefeiert, er hat ihnen quasi ein Gesicht gegeben. Seit zwei Jahrzehnten steht sein Sohn an seiner Stelle. Er brachte die Skeptiker längst zum Schweigen und hat den Beweis angetreten, dass er seinem Vater nicht nur äußerlich ähnlich sieht, sondern auch dessen kreative Energie geerbt hat. Doch keineswegs ist Claudius Dreilich eine Kopie, sowohl mit seinem Gesang, als auch mit seinem Charisma und seiner dennoch nahbaren Extrovertiertheit avanciert er zu einer Künstlerpersönlichkeit. So kann er der Band heute genauso Motor sein, wie es sein Vater 30 Jahre lang war.
50 Jahre KARAT sind zuallererst die etlichen, großen Hits – inzwischen allesamt gestandene Klassiker. Aber sie passen wunderbar ins Hier und Jetzt, weil sie im eigentlichen Sinne zeitlos sind: Hier wird nicht die Asche des Feuers angebetet, sondern dessen Glut weitergetragen. 50 Jahre KARAT sind fünf Dekaden deutsch-deutsche Musikgeschichte. Gleich im ersten Jahrzehnt entstehen etliche Meilensteine, in der BRD ehrt man sie mit Goldenen Schallplatten, sie sind Gast bei „Wetten dass…“ und Peter Maffay feiert seinen bisher größten Hit mit dem Karat-Cover „Über sieben Brücken musst du gehn“ – das alles war nicht nur höchst erfreulich, sondern eine Sensation – für eine Band aus dem Osten. Die zweite Dekade beginnt mit der Verleihung der Goldenen Europa (1986) und endet im längst wiedervereinten Deutschland mit dem bereits zehnten KARAT-Album „Die geschenkte Stunde“ (1995) – drei Jahre zuvor holen Gitarrist Bernd Römer und seine Kollegen den neuen Keyboarder Martin Becker in die Band. Das dritte Jahrzehnt vereint Highlights wie einen Auftritt beim „Rockpalast“ und eine Tournee mit dem Filmorchester Babelsberg, aber es endet tragisch: Herbert Dreilich erliegt 2004 seinem Krebsleiden.
Eine neue Ära beginnt mit der vierten Dekade, denn mit Claudius Dreilich als neuem Sänger erleben KARAT den Glücksfall, dass die Band den schweren Abschied zur Chance für die Zukunft umgedeutet hat. Und sie bleiben erfolgreich: Neben vielen eigenen Tourneen sind sie Teil der „Ostrock Klassik“-Konzerte, holen sich für eine Weihnachtstour ein A cappella-Frauenquintett dazu, kollaborieren mit den Kieler Philharmonikern und freuen sich über die Interpretationen ihrer Songs von (u.a.) Helene Fischer, Chris de Burgh und Max Raabe. Nicht zuletzt gibt es mal wieder eine Goldene Schallplatte (2010 für „Vierzehn Karat“) und fünf Jahre später die Goldene Henne.
Auch in der bisher letzten Dekade befinden sich KARAT auf der Überholspur, so wird mit Universal Music ein neuer Vertriebspartner für die neuen Alben gefunden und selbst eine Pandemie kann diese Band nicht stoppen: KARAT melden sich mit Auto- und Hotelzimmer- sowie ca. 40 Konzerten mit eingeschränkter Zuschauerzahl aus der Covid19-Versenkung zurück. Die fünfte Dekade steht ebenso für einen weiteren Besetzungswechsel: Daniel Bätge sowie Heiko Jung sind die Neuzugänge an Bass beziehungsweise Schlagzeug. Man kennt die gestandenen Musiker beispielsweise aus ihrer Zusammenarbeit mit Udo Lindenberg, Wolfgang Niedecken, Jan Josef Liefers oder Clueso. Nun sorgen sie mit Groove, Leidenschaft und musikalischem Können für ein neues Energielevel bei KARAT.
Womit dem großen Jubiläumsjahr 2025 nichts mehr im Wege steht. Mit einer umfangreichen Tournee, die mindestens so viel Konzerte wie die Band an Jahren hat, mit einem neuen Album, einer TV-Doku, einem neuen Buch und einer großen Jubiläums-Kreuzfahrt mit der AIDAdiva nach Norwegen im nächsten Mai werden KARAT fünf Jahrzehnte Revue passieren lassen und damit auch an die verstorbenen Musiker Herbert Dreilich, Thomas Kurzhals sowie Ed Swillms erinnern. Sie werden aber auch mit jedem Ton deutlich machen, dass mit ihnen nach wie vor zu rechnen ist und sie weiterhin nicht zur Oldiekapelle mutieren. Denn das ist das besonders Schöne an diesem Jubiläum: KARAT feiern, aber sie verabschieden sich nicht.