“Wenn man mit Gospel in der Kirche aufwächst, dann macht man Musik, die eine Botschaft vermittelt und einem Zweck dient”, sagt Kendrick Scott. “Mit Oracle bewege ich mich auch in diesem Raum, ganz gleich, was wir spielen.” Seit der Schlagzeuger die Band Kendrick Scott Oracle (kurz KSO genannt) 2005 gründete, versucht er mit ihr eine Brücke zwischen Art Blakeys Jazz Messengers und dem Film “The Matrix” (aus dem er den Namen der Band ableitete), zwischen der Jazztradition und dem Futuristischen zu schlagen. Um Botschaften und Brücken, aber auch Themen wie Unschuld, Akzeptanz, Widerstand, Angst und Unsicherheit geht es auf “A Wall Becomes A Bridge”, dem jüngsten Album von KSO für Blue Note. Wie schon bei dem 2015 erschienenen Vorgänger “We Are The Drum” vertraut Scott wieder auf sein eingespieltes Team, das sich aus dem Saxophonisten John Ellis, dem Keyboarder Taylor Eigsti, dem Gitarristen Mike Moreno, dem Bassisten Joe Sanders und dem Produzenten Derrick Hodge zusammensetzt. Neu dabei ist der Turntable-Virtuose Jahi Sundance, der als DJ bereits mit Robert Glasper, Mos Def, Talib Kweli und Meshell Ndegeocello tourte und den Songs von KSO neue Dimensionen verleiht.
Der am 8. Juli 1980 in Houston geborene Kendrick Allen DeWitt Scott wuchs in einer musikalischen Familie auf, in der er von klein auf von Gospel, Klassik und Rhythm’n'Blues umgeben war. Seine ersten eigenen musikalischen Erfahrungen sammelte er in der Kirchengemeinde, in der seine Eltern und sein älterer Bruder im Musikdienst tätig waren. Als er acht Jahre alt war, erhielt er ein paar Trommelstöcke, Übungspads und Schlagzeugunterricht. Dass er ein angeborenes Talent besaß, zeigte sich früh. Mindestens genauso wichtig war aber auch, dass er die notwendige Disziplin hatte. Und so konnten ihn seine Eltern schon bald an der renommierten High School for the Performing and Visual Arts in Houston einschreiben, die u.a. auch Robert Glasper, Chris Dave, Mike Moreno, Jason Moran, Eric Harland, James Francies, Walter Smith III, Everette Harp und Beyoncé besucht haben.
“Ich habe nie daran gezweifelt, dass ich als Musiker Karriere machen würde”, sagt Scott über seine Highschool-Zeit. “Es war ein Segen, einfach nur ein Teil dieses Umfelds zu sein, in dem ich so viele Leute sah, die großartige Dinge machten – etwa Eric Harland, der vier Jahre älter ist als ich. Wenn man sich in einem solchen Umfeld bewegt, wird das Außergewöhnliche zum Gewöhnlichen.” Mit einem Stipendium in der Tasche ging Scott nach der Highschool ans Berklee College of Music, wo er 2003 seinen Abschluss im Fach Musikerziehung machte. Am Berklee College knüpfte er außerdem Beziehungen zu Größen wie Kenny Garrett, Pat Metheny und den Musikern der Crusaders, die er später auf Tourneen oder bei Platteneinspielungen begleiten sollte. Darüber hinaus kam es zu Zusammenarbeiten mit u.a. Joe Lovano, Lizz Wright, Dianne Reeves, David Sanborn und vor allem dem Trompeter Terence Blanchard.
Blanchard, in dessen Band der Schlagzeuger rund zehn Jahre lange spielte, war es auch, der Scott 2005 dazu ermutigte, seine eigene Band zu gründen. “Von Terence habe ich viel darüber gelernt, wie man eine Band leitet und Musik schreibt”, erinnert sich Scott. “Er gab mir den Tritt in den Hintern, den ich brauchte, um mein eigenes Ding zu machen.” So nahm er also 2006 mit u.a. Gretchen Parlato, Lionel Loueke und Aaron Parks sowie den alten Highschool-Freunden Robert Glasper, Mike Moreno und Walter Smith III das erste KSO-Album “The Source” auf. Mit jeweils leicht modifizierten Besetzungen folgten 2009 “Reverence”, 2013 “Conviction”, 2015 sein Blue-Note-Debüt “We Are The Drum” und 2019 nun schließlich “A Wall Becomes A Bridge”, sein bislang reifstes Album.
“Kendrick Scott ist zum Art Blakey, Elvin Jones und Tony Williams seiner Generation geworden”, lobt Terence Blanchard seinen vormaligen Zögling. “Er ist ein brillanter Kopf, der nicht nur die Musik erneuert, sondern in seiner eigenen Band auch jungen Talenten Gelegenheit gibt, sich zu entwickeln und zu wachsen.”
Stand: März 2018