Zehn Jahre ist es her, dass Kollegah das »Zuhältertape Vol. 1« veröffentlicht und in der darauffolgenden Dekade einen beispiellosen Aufstieg zum heute erfolgreichsten Rapper Deutschlands hingelegt hat. Mit bis dahin ungekannter Eloquenz und beispielloser Nonchalance schlüpfte Kollegah 2005 zum ersten Mal in die Rolle des Zuhälters, berichtete in einem Audio-Actionfilm aus seinem facettenreichen Alltag als geschickter Großunternehmer im Rotlichtmilieu und revolutionierte dabei deutschen Rap und dessen Rhetorik über Nacht.
Womit könnte das im Jahr 10 nach dem Erscheinen des mittlerweile zum unabdingbaren Klassiker avancierten ersten Teils angemessener zelebriert werden als mit dem vierten Teil der legendären »Zuhältertape«-Reihe? Eben. Nach dem Rekordalbum »King«, das Platz 1 der Charts erreichte, mit inzwischen fast 300.000 verkauften Einheiten Gold- und Platinstatus erlangte und für das Kollegah zwei Echos und die 1Live Krone einheimsen konnte, konzentriert sich der Boss mit »Zuhältertape Volume 4« nun wieder ganz auf seine Paraderolle als Korrespondent des kriminellen Milieus.
Konkret heißt das: Er berichtet en detail über seine vielschichten Tätigkeitsbereiche in der Unterwelt. Egal ob Prostitution, Drogendeals oder Waffendeals – keine noch so skrupellose Straftat, kein kriminelles Delikt, der von Kollegah im Laufe der 19 Tracks nicht begangen wird. Während andere Alben angesichts dieses limitierten Themenspektrums zu einer lieblosen Angelegenheit mit lyrischen Totalausfällen verkommen, überbietet sich Kollegah dank seiner Wortgewandtheit und Eloquenz mit dem »Zuhältertape Volume 4« einmal mehr.
Auch die Produktionen sind auf einem ganz neuen Level. Kollegah rappt auf Beats, die hochwertig und teuer klingen, aber dennoch nichts von ihrem damaligen Charme verloren haben. Allen voran der ausführende Produzent Alexis Troy hat den Sound von damals ins heute transferiert und ihm ein zeitgemäßes Update verpasst. Jeder Sekunde des »Zuhältertape Volume 4« hört man an, wie viel Liebe zum Detail in die Ausproduktion der Songs, den Mix und das Mastering gesteckt wurde. Diese Passion macht das »Zuhältertape Volume 4« zu einem ungemein stimmigen Album, ja, vielleicht sogar zum stimmigsten Release in Kollegahs bisheriger Discographie.
Aber das »Zuhältertape Volume 4« ist nicht nur im Hinblick auf die musikalische Gestaltung klassisches Kollegah-Material. Denn der Boss schildert die begangenen Verbrechen mit unerschöpflicher Sprachgewandtheit für die er sich rhetorische Kunstgriffe wie der Polysemie oder Homographie und Metaphern bedient, um seine Endlosreimketten zu garnieren. Ständig erdenkt er sich neue Umschreibungen für den Sexualakt oder Körperverletzungsdelikte, greift auf ein unerschöpfliches Arsenal an Degradierungen zurück, wird nicht müde, Wohlstandsinsignien wie seine Garderobe oder den umfangreichen Fuhrpark zu beschreiben und nimmt sein Dasein als gut situierter Zuhälter dabei immer wieder selbst aufs Korn.
Während andere Rapper sich im Laufe ihrer Karriere verzweifelt neu erfinden oder an einer krampfhaften Rückbesinnung auf die alten Tage versuchen, hat der Boss für derartige Anzeichen einer verfrühten Midlife-Crisis seiner Kollegen nur ein müdes Lächeln übrig und schüttelt mal eben ein, gelinde gesagt, geniales Update seiner revolutionären Trilogie aus dem Ärmel und liefert ein auf Tonträger gebanntes Mafia-Epos, das die bisherigen drei Teile dabei noch übertrifft – oder wie Kollegah es selbst sagt: »›Zuhältertape 4‹, schon vor 10 Jahren der selbe Sound, / ich erfind’ das Rad nicht neu, doch hau’ paar Platinfelgen drauf!«