Das große K brennt: Mit “Keine Nacht für Niemand” gelingt Kraftklub ein überaus kraftvolles, vielseitiges und in Teilen politisches Album. Zwischen Euphorie und Aufruhr, Liebe und Depression, präziser Beobachtungsgabe und fein justiertem Humor erwischt die Band aus Karl-Marx-Stadt die alte Tante Zeitgeist genau zwischen den Augen.
Nach einer kleinen Pause mit Urlaub und Besuchen bei Freunden hat die Band sich im letzten Jahr fürs neue Werk zusammengefunden, zunächst ohne Deadline und konkretes Konzept. “Wir sind im Prinzip eine Proberaumband”, sagt Sänger Felix. Und nun standen Kraftklub also dreimal die Woche im Proberaum, spielten wild drauflos, und stellten fest: Das Gefühl stimmt noch, alles in Ordnung, wir haben Bock.
Irgendwann im Verlauf dieser Sturm-und-Drang-Phase kristallisierten sich erste Ideen heraus, die zunächst von Karl und Felix am Rechner weiterverfolgt wurden, um noch mal eine ganze andere Entwicklung zu nehmen, als die ganze Band abermals im Proberaum letzte Akzente setzte. “Erst wenn wir sie zusammen spielen, entwickeln die Songs ein richtiges Eigenleben”, sagt Felix. “Diesmal waren wir übrigens so gut vorbereitet wie noch nie: Wir konnten sämtliche Songs schon komplett spielen, bevor wir ins Studio gegangen sind.”
Produziert wurde “Keine Nacht für Niemand” abermals von Philipp “Philsen” Hoppen. “Wir sind Instinktfußballer”, sagt Felix, “es ist uns wichtig, mit Leuten zu arbeiten, bei denen es sich menschlich und fachlich gut anfühlt – und das war und ist immer Philsen.”
Drei Monate lang sind Kraftklub im Herbst 2016 zwischen Berlin und Chemnitz gependelt. “Die Woche über waren wir wie Montagearbeiter im Studio auf Maloche, an den Wochenenden sind wir heim nach Chemnitz gefahren”, erinnert sich Felix. So entstand ein Album, das noch mal einen ganz neuen Blick auf Kraftklub erlaubt. Es beginnt natürlich mit einem klassischen Opener-Opener, wie auch sonst?
“Band mit dem K” ist formidabler Nachvornestürm-Garage-Indie-Rock’n'Roll, eine wunderbare Selbstüberhöhung.
“Leben ruinieren” ist dann richtig slicke Funk-Disco mit artistischen Soul-Backings und außerdem der Most-Rap-Track auf diesem Album. In Songs wie
“Fenster” oder
“Sklave” wechseln Kraftklub die Perspektive, werden zu Erzählern fremder Geschichten.
Der Titel des neuen Kraftklub-Albums ist einerseits eine Anspielung auf den wenigen Schlaf der letzten Jahre, vor allem aber natürlich eine Referenz auf Ton Steine Scherben. Kraftklub verneigen sich auf diesem Album außerdem vor erklärten Helden wie Ol' Dirty Bastard, den Beatles, Deichkind und den Ärzten. “Keine Nacht für Niemand”, das ist maximal stilistische Breite treffsicher verdichtet und auf den Punkt gebracht.