Für Elly Jackson fühlte sich gleich alles richtig an, als sie sich der Welt als La Roux präsentierte. Das auffällige rote Haar. Das androgyne Image. Die sehnsuchtsvollen und dennoch wütenden Songs über verlorene und gefundene Liebe. Die eingängigen Pop-Hooks, eingebettet in skurrile Melodien, die der NME schon früh treffend als eine Mischung aus Bowie zu „Let’s Dance“-Zeiten und dem ausgefallenen Electro-Pop von The Knife bezeichnete. Es war die perfekte Popsensation, ihre erste Single „In For The Kill“ erreichte in den britischen Charts Platz 2, der Nachfolger „Bulletproof“ Platz 1.
Der Erfolg stellte sich vielleicht über Nacht ein, aber auch der Sound von La Roux musste sich erst einmal entwickeln. Für Elly war die Musik schon immer eine Zuflucht, eine Möglichkeit, sich auszudrücken. Mit 13 begann sie, beeinflusst von Künstlern, die ihre Eltern hörten, darunter Joni Mitchell und Nick Drake, eigene Songs auf der Gitarre zu komponieren. Eine eigene Identität fand Sie jedoch erst mit 17, als sie Clubs, Tanzen und die endlosen Möglichkeiten elektronischer Musik entdeckte.
Die Welt war bereit für diesen Sound. Insgesamt hat La Roux weltweit mehr als 6 Millionen Singles verkauft, das gleichnamige Debütalbum ging 2 Millionen Mal über die Ladentische. Die Einzige, die das alles zu überraschen schien, war Elly selbst.
„Darauf war ich nicht vorbereitet“, lacht sie. „Ich war 21 und habe noch bei meinen Eltern gewohnt! Die Platte sollte kalt und hart, irgendwie brüchig und billig klingen. Und das kam mir einfach nicht sonderlich kommerziell vor.“
Das Album wurde ein Jahr später in den USA veröffentlicht und erhielt einen Grammy als bestes Electronic-/Dance-Album des Jahres 2011. Daraufhin ging Elly auf Tour und verbrachte nahezu zwei Jahre ununterbrochen mit Konzerten und Promotion. Danach musste sie sich eine Auszeit nehmen und lernen, besser auf sich achtzugeben. „Das Touren hat mir wirklich Spaß gemacht“, meint sie. „Aber es geht alles so schnell, man wird einfach mitgerissen und hat gar keine Zeit, das alles zu verarbeiten. Und dann holt es einen ein.“
Deshalb hat sie sich mit dem neuen Album Zeit gelassen. „Ich wollte, dass es noch besonderer wird, ich wollte noch eine Stufe weiter nach oben“, erklärt sie. „Außerdem wollte ich, wie schon auf der ersten Platte, eigentlich alles selber spielen. Aber diesmal war die Instrumentierung komplizierter und da hat es eine Weile gedauert, bis ich alles draufhatte.“
Während der Arbeit am Album wurde Elly klar, dass sie sich musikalisch in eine andere Richtung entwickelte als Ben Langmaid, der schon beim Vorgänger mit von der Partie gewesen war. Zum Schreiben und Aufnehmen suchten sie eine Scheune in Devon auf, aber Elly gefiel nicht, was dabei herauskam. Letztlich entschied sie, dass der Tontechniker des Albums, Ian Sherwin, auch die Produktion übernehmen sollte. „Wir hatten ein grundsätzliches Konzept, bei dem Ian und ich komplett auf einer Wellenlänge lagen und das wir ausführlich diskutierten. Dabei ging es um die Vorstellung, die die Menschen in den 70ern davon hatten, wie die Zukunft aussehen und sich anhören könnte“, erzählt sie.
„Das neue Album ist anders. Die Musik hat irgendwie eine warme, sexy Energie. Aber es ist immer noch absolut La Roux. Das merkt man an vielen Stellen, den Riffs und Hooks, die ich schreibe, und auch an meiner Stimme.
Als wir das Album aufnahmen, redeten wir viel über Dub und wir haben am Anfang oft den Begriff ‚Ragga Disco‘ verwendet, aber ich bezweifle, dass das jetzt noch jemand raushören könnte. Natürlich gibt es auch Disco-Einflüsse. Ich habe viel Nile Rodgers gehört, das habe ich schon immer. Eines Abends kam er dann im Studio vorbei, um rumzuhängen und über Musik zu reden. Am Ende bin ich dann beim Montreux Festival 2012 mit ihm aufgetreten, das war unglaublich! Aber ich glaube trotzdem nicht, dass es sich jetzt wie ein Disco-Album anhört. Es ist ein seltsamer Pop-Hybrid mit kleinen Einsprengseln von anderen Sachen.“
Trouble In Paradise ist von einer bestimmten tropischen Insel inspiriert, die sie seit ihrer Kindheit immer wieder besucht hat. Dort ist sie auch einer Person begegnet, die derjenigen sehr ähnlich ist, um die es in dem lässigen, man könnte sagen Electro-Calypso-Track „Tropical Chancer“ geht. Es sei ein sehr schöner Ort, sagt sie, aber auch sehr arm, ein Ort, in den sich Besucher verlieben, dem die Einheimischen aber gern entfliehen würden.
„Im Urlaub frage ich mich immer, wie der Strand außerhalb der Saison aussieht, wenn er leer ist. Oder was die Leute, die im Restaurant immer so nett zu einem sind, wirklich von den Touristen halten, die kommen und gehen. Mich hat es schon immer fasziniert, wie es an einem Ort ist, wenn man ihn verlassen hat. Oder der Moment nach einer Party, wenn nur noch Ballons auf dem Boden liegen und den Ort eine komische Leere erfüllt, wo vorher so viel Freude war. Das war eine wichtige Inspiration für die Platte.“
Trouble In Paradise widmet sich der Dunkelheit, die hinter dem schönsten Lied lauert, den Zweifeln in den glücklichsten Beziehungen und Problemen jeglicher Form, seien es die Unruhen in Brixton, dem Londoner Stadtteil, in dem sie noch immer zu Hause ist („Uptight Downtown“); Konflikte von Paaren („Cruel Sexuality“, „Kiss And Not Tell“) oder freche Geschichten wie „Sexoteque“. „Darin geht es um einen Typen, der einfach nicht aufhören kann, in Sexclubs zu gehen. Dazu hat mich ein Club inspiriert, den ich in Montreal gesehen habe, als ich auf Tour war. Ich fand den Namen einfach großartig.“
Das Album ist diesmal weniger persönlich geworden, dafür reifer und ambitionierter, in seinem Inhalt aber auch verspielter. Doch auch wenn Elly Wert auf die Texte legt, ihre eigentlichen Geschichten erzählt sie mit der Musik.
„Wenn ich mir zum Beispiel das Album Young Americans anhöre, dann achte ich nicht so sehr auf Bowies Gesang“, erklärt sie. „Ich finde die Musik viel bemerkenswerter, wie die einzelnen Parts zusammenkommen, die Synkopen, die Verspieltheit des Ganzen. Oder wenn man bei einem Song von Tom Tom Club ein kleines Geräusch hört und lachen muss, weil es so eigenartig ist.
Deshalb habe ich etwas erweiterte Versionen der Tracks gemacht. So kann ich die Musik der Songs viel besser erkunden, ich kann viel mehr machen. Diesmal wollte ich wirklich die Musik für sich sprechen lassen.“