Sie zählt zu jener neuen Generation von Singer/Songwriterinnen, die in den letzten Jahren die Musikwelt auf den Kopf gestellt und dominiert hat. Inzwischen ein paar Jahre dabei, hat sie ihren Sound nun einer Generalüberholung unterzogen und meldet sich zurück mit ihrem zweiten Longplayer: Die Rede ist von Ladyhawke, die schon im Jahr 2008 mit ihrem gleichnamigen Debütalbum für Furore gesorgt und insbesondere in UK sowie in Australien und Neuseeland die Charts erobert hatte. Auf dem Papier Phillipa Brown, mit Spitznamen schlichtweg “Pip”, entpuppte sich die neuseeländische Singer/Songwriterin als einer der größten Shooting-Stars des Jahres und sammelte nicht nur in ihrer Heimat etliche Awards ein.
Mit ihrem kommenden Album “Anxiety” geht Ladyhawke nun noch einen Schritt weiter und beweist, dass sie das Zeug hat, um ganz, ganz oben in der Liga der internationalen weiblichen Popstars mitzuspielen: Achtzehn Monate hat sie an dem Album gearbeitet, der LP dabei in jeder Hinsicht ihren Stempel aufgedrückt. Herausgekommen sind dabei insgesamt 10 Tracks, die einem definitiv nicht mehr aus dem Kopf gehen wollen, wenn sie eingängige Hooks mit satten Beats und grandiosen Synthesizer-Sounds kombiniert.
Dabei klingt diese Mischung, also Hooks und Beats und Synthie-Sounds, ziemlich genau nach der Art von Sound, den man von ihr erwarten würde. Kommen wir also zu den Neuerungen für ihr zweites Album: Während bei ihrem Erstling definitiv analoge Synthesizer im Mittelpunkt standen, sie auf “Ladyhawke” also in diejenigen Keyboard-Weiten abtauchte, die ihre Achtziger-Vorbilder (genauer gesagt: ELO und Fleetwood Mac) einst abgesteckt und ausgelotet hatten, vertraut sie dieses Mal auf ein gutes altes Werkzeug, auf dem nicht nur die gesamte Welt des Rock & Roll basiert, sondern genau genommen auch ihre eigene Karriere: die E-Gitarre nämlich.
Denn bevor sie unter dem Namen Ladyhawke als Solomusikerin durchstartete, haute die Neuseeländerin keinesfalls in irgendwelche Keyboard-Tasten, sondern war als Gitarristin bekannt: „Die Leute kannten mich früher nur als die Rockerin“, berichtet sie. „Kein Wunder, schließlich spielte ich zunächst eine Gibson Explorer, und danach legte ich mir auch noch eine Firebird zu [zwei ultimative Rock-Gitarren]. Ich war immer diejenige, die so Heavy-Zeug auf der Gitarre spielte und die zwischendurch Solos machte – du weißt schon, schön am Bühnenrand.“ Nachdem sie also mit dem “Ladyhawke”-Album im Gepäck monatelang um die ganze Welt getourt war, wollte Pip nun an dieses Kapitel ihrer Vergangenheit anknüpfen und machte die eigenen Gitarren-Skills zum Fundament für ihr zweites Soloalbum.
So verwundert es nicht, dass auf “Anxiety” ein Riff das nächste jagt, während die grandios verzerrten Gitarrenteppiche ihren extrem eingängigen Songs noch mehr Druck verleihen. Ein perfektes Beispiel dafür wäre “Blue Eyes”, bei dem massive Gitarrensalven, ein ganz schön schräges Solo und ein großartiger Refrain mit „Na-Na“-Gesängen ganz klar an die Ära des Glam-Rock anknüpfen, wie auch an den Sound von Joan Jett, immer noch eines der wichtigsten Vorbilder für Pip. Das Titelstück prescht derweil im Refrain mit einer Akkordfolge voran, wie man sie sonst nur im Stadion erwarten würde, während “Black, White & Blue” mit dem wuseligen Vibe eines Psychedelic- bzw. Garagerock-Prototypen aus dem Jahr 1966 daherkommt – dazu gibt’s auch hier eine verdammt explosive Soloeinlage.
Da sich dieser Nachdruck, diese Experimentierfreude und dieses Gespür für eingängige Melodien durch den gesamten Longplayer ziehen, zählt “Anxiety” jetzt schon zu den spannendsten Alben des Jahres 2012. Oder anders gefragt: Noch mehr Tracks à la “My Delirium” gefällig?
„Ich komme nun mal aus der Rockecke“, erzählt Pip über ihre frühen musikalischen Vorlieben. „Als Teenagerin habe ich irgendwann all diese Gitarrenbands für mich entdeckt, schon auch heftigeres Zeug wie ‘Siamese Dream’ von Smashing Pumpkins. Da war ich vielleicht 15, und mich hat dieses Album damals einfach umgehauen. Zu der Zeit bekam ich auch ‘The Bends’ von Radiohead in die Hände, und vom schwarzen Album von Metallica konnte ich z.B. auch nicht genug kriegen. Und dann waren da ja noch Soundgarden, Stone Temple Pilots, Nirvana… Mit 16 entdeckte ich dann Leute wie Jimi Hendrix, Led Zeppelin und die ganzen älteren Sachen.“
In einem absoluten Kaff am Ende der Welt in Neuseeland aufgewachsen – sie selbst nennt das liebevoll „Smalltownsville“ –, kam Pip schon sehr früh mit der Musik in Kontakt. Als 11-Jährige saß sie bereits hinter dem Schlagzeug, und wenige Jahre danach versuchte sie sich beispielsweise daran, den Schlagzeug-Part nachzuspielen, mit dem der Pumpkins-Songs ‘Cherub Rock’ beginnt. Mit ihrer ersten Band Two Lane Blacktop absolvierte sie dann auch ihre ersten Auftritte – nun jedoch nicht auf dem Schlagzeughocker, sondern als Lead-Gitarristin der Band. Nachdem sie nach Melbourne gezogen war, wurde sie Teil des Duos Teenager, zur Hälfte in Sydney ansässig, und nahm gemeinsam mit ihrem neuen Partner Nick Littlemore (der später gemeinsam mit Luke Steele als Empire Of The Sun durch die Decke gehen sollte) fleißig neue Songs auf. „Ich hab schon ein paar Jahre lang mit Nick unter dem Namen Teenager Musik gemacht, nur kam dabei meine Stimme nie zum Einsatz“, berichtet Pip. „Ich fühlte mich als Gitarristin eigentlich ganz wohl, denn ich mochte es, einfach nur meine Ideen beizusteuern und sonst eher im Hintergrund zu bleiben. Eines Tages war ich gerade bei Nick, nachdem ich vorher ein paar Aufnahmen ganz alleine bei mir im Studio gemacht hatte – dazu muss ich sagen, dass ich mich nie getraut habe, die Sachen irgendwem zu zeigen. Er hörte dann jedoch zufällig meine Stimme, stürmte ins Zimmer und fragte: ‘Was ist das? Was hörst du da gerade?’, und ich sagte nur, ‘Na ja, weißt du, ich…’“
„Ich hatte zu der Zeit schon eine Myspace-Seite unter dem Namen Ladyhawke, in Anlehnung an Michelle Pfeiffers Rolle in dem gleichnamigen Film von 1985, und da hatte ich ein paar erste Demoversionen hochgeladen. Nick meinte daraufhin zu mir: ‘Das ist cooles Zeug, du solltest mehr daraus machen. Eigentlich musst du nur ins Studio gehen und sie noch mal richtig aufnehmen.’ Also sprangen wir ins Auto, und er fuhr mich zum Haus seiner Eltern, wo wir dann diesen einen Song aufnahmen, der zwar nie wirklich fertig geworden ist, aber damit fing alles an für mich, denn Nick unterstützte mich und half mir dabei, die Sache ganz selbstbewusst in die Hand zu nehmen.“
Mit diesem neuen Selbstbewusstsein machte sich Pip nun also daran, ihre Songs im Alleingang mit ProTools aufzunehmen. Es dauerte nur ein paar Monate, bis sie die ersten Aufnahmen ihrer Publishing-Firma vorspielte, die „voll aus dem Häuschen waren“ und sie mit Pascal Gabriel bekannt machten, einem Produzenten und Musiker mit reichlich Erfahrung: Der in London ansässige Belgier hatte schon während der Acid-House-Ära mit Dance-Acts wie Bomb The Bass und S’Express gearbeitet, um in den Jahren danach mit diversen Popgrößen, unter anderem mit Dido und Kylie Minogue, ins Studio zu gehen. „Ihm gefielen die Demoversionen so gut, dass wir schließlich quasi die Hälfte der Songs für mein Debüt zusammen aufnahmen. So ging das also alles los, mit ein paar Leuten, die etwas in meinen Songs sahen, an sie glaubten und mich dazu anspornten, den nächsten Schritt zu gehen. Ich wusste zwar schon damals, dass ich Songs schreiben kann, aber ich war mir alles andere als sicher, ob ich damit zurechtkommen würde, plötzlich ganz allein im Rampenlicht zu stehen.“
Nachdem sie bei dem angesagten australischen Label Modular gelandet und daraufhin bei Island Records unterzeichnet hatte, zog Pip nach London und nahm dort gemeinsam mit diversen Produzenten und Musikern ihr gleichnamiges Debüt als Ladyhawke auf – ein trotz der vielen Beteiligten unbedingt aus einem Guss klingendes und unverwechselbares Update zum klassisch-melodramatischen Synthie-Sound der Achtziger. Die an Kim Wildes Sound erinnernde Hymne “My Delirium” entpuppte sich als Mega-Hit, und auch das Album “Ladyhawke” selbst verkaufte sich allein in UK mehr als zweihundertfünfzigtausend Mal. Zugleich regnete es Lob von allen Seiten, und Pip wurde plötzlich sogar als Teil einer Welle von Synthie-Sound-Mädels, „Chicks with Synths“, gefeiert, zu der auch Little Boots, La Roux und natürlich auch Lady Gaga gezählt wurden. Ziemlich irritierend fand sie es, dass man sie schließlich sogar als Fashion-Ikone abfeiern sollte…
Natürlich war für unsere junge Neuseeländerin spätestens an diesem Punkt ein Traum in Erfüllung gegangen, nur fühlte sie sich, während insgesamt fünf Singles aus der LP ausgekoppelt wurden und die Platte dementsprechend lange im Gespräch blieb, zwischenzeitlich ganz schön geschlaucht vom permanenten Tourstress und dem ganzen Gerede um ihre Person. „Ich war wie das sprichwörtliche Tier, das erstarrt in die Scheinwerfer blickt, allerdings fühlte ich mich schon eher wie halb überfahren“, sagt sie mit einem betrübten Lächeln. „Ich hatte also schon das Gefühl, dass die Scheinwerfer zu viel für mich gewesen waren.“ Im Februar 2010 endete ihre Tour dann jedoch mit Auftritten beim Big Day Out in Australien und Neuseeland.
Dass Pips zweiter Longplayer “Anxiety” heißt, hat einen guten Grund. Nachdem ihr Debüt dermaßen erfolgreich gewesen war, lastete nämlich jede Menge Erwartungsdruck auf ihren Schultern, und sie fühlte schon bald die Uhr ticken, schließlich hieß es nun, an diesen Erfolg anzuknüpfen. „Die Arbeit an diesem Album war ziemlich stressig“, gesteht sie, „doch ich hab sie über einen recht langen Zeitraum verteilt, um dabei nicht vollkommen durchzudrehen. Nur so konnte ich genau das Album aufnehmen, was mir vorschwebte – und genau darum geht’s doch im Grunde immer, würde ich mal sagen.“
Gemeinsam mit ihrem alten Produzenten gelang es Ladyhawke, sich dieses Mal noch viel intensiver in den kreativen Prozess einzubringen und der LP ihren ganz persönlichen Stempel aufzudrücken. „Ich hab mich schon immer an erster Stelle als Schlagzeugerin gesehen“, gibt sie zu bedenken, „doch auf dem ersten Album habe ich nur bei einem Track den Schlagzeug-Part eingespielt [‘Back Of The Van’]. Dieses Mal hingegen spiele ich so ziemlich alle Instrumente: Schlagzeug, Bass, Gitarre, alles. Pascal hat die Synthesizer und Keyboards übernommen, bis auf eine Ausnahme, einen Song, bei dem ich am Klavier saß. Ich schrieb zudem alle Texte und alle Melodien, und die Arrangements haben wir dann gemeinsam umgesetzt.“
Insgesamt klingt “Anxiety” daher sehr viel runder und persönlicher, sehr viel mehr nach Pip, die hier viel genauer ihr Terrain absteckt und zeigt, was sie kann und wie sie tickt. Einige ihrer schlichten und zugleich massiven Beats entstanden beispielsweise auf E-Drums, programmiert jedoch mit analogen Sounds von einem „echten“, wenn auch alten und quasi schrottreifen Schlagzeug, die sie selbst eingespielt hatte, wodurch die Beatteppiche irgendwie halb wie von Menschenhand gemacht, halb wie aus der Konserve klingen. Ihre Gitarrenaufnahmen wurden ebenfalls durch diverse Effekte geschickt, so z.B. auch durch einen russischen Big-Muff-Verzerrer, genau das klassische Modell, auf das auch Kurt Cobain, Billy Corgan und natürlich auch Mudhoney geschworen haben – wie unschwer zu erkennen am Titel ihres Grunge-Meilensteins „Superfuzz Bigmuff“.
„Die meisten Rockbands, auf die ich stehe“, korrigiert sie jedoch, „haben aber auch eine poppige Seite, ganz egal, aus welchem Bereich der Rockmusik sie nun gerade kommen. So heavy die Sachen von Billy Corgan manchmal auch waren, reden wir hier doch von einem Musiker, der es versteht, einen guten Popsong zu schreiben – also einfach gute Melodien, die man mitsingen kann.“ Mehr Popeinschlag als im Fall vom bereits erwähnten „Na-Na“-Refrain bei “Blue Eyes” geht tatsächlich nicht: „Erst hatte ich die Melodie, und dann sang ich sie schon mal ins Mikrofon und wollte mir eigentlich noch die passenden Worte dazu ausdenken, nur dann war das alles dermaßen catchy, dass die Stelle einfach so bleiben musste.“ Ein ganz anderer Extremfall ist “Cellophane”, was sich von Anfang an wie „ein richtiger Song anfühlte“, so Pip. „Ich hatte noch nie zuvor ein dermaßen langsames Stück geschrieben – so im Sinne von ‘jetzt aber die Feuerzeuge in die Luft’!“
Während die Melodien durchweg eingängig und positiv klingen, gewähren die Songtexte tiefe Einblicke in die Welt von Pip und die Entwicklungen der letzten drei Jahre: „Es dreht sich viel darum, was in meinem Kopf vorgeht, das ist gewissermaßen das zentrale Thema der LP. Manchmal fühle ich mich einfach niedergeschlagen. So gab es auch Wochen zwischen den Aufnahmephasen, in denen ich nichts gemacht habe und einfach nur zunehmend schlechter drauf war, bis ich mich schließlich fragte: ‘Okay, was kann ich bloß dagegen tun?’ Ich habe durchaus häufiger mal mit Ängsten zu kämpfen, und ich glaube, dieses Gefühl verstärkt sich nur, wenn man nicht gegensteuert.“ Darum auch der Titel “Anxiety”…
“Anxiety” als Ganzes ergibt eine Geschichte, die jetzt schon ein Happy End hat – obwohl das Album noch gar nicht die Herzen der Menschen erobern konnte (das kommt dann in den nächsten Wochen, keine Frage): „Seit ich diese Platte aufgenommen habe“, sagt Pip abschließend, „fühle ich mich wie ein neuer Mensch. Als ob irgendwer mir diese Last von den Schultern genommen hätte. Ich habe ein Album gemacht, auf das ich wirklich stolz bin; deshalb kann ich es auch kaum abwarten, endlich wieder mit meiner Band aufzutreten, auf Tour zu gehen und einfach nur Spaß zu haben.“ Mit einem Lächeln ergänzt sie: „Ich kann es echt kaum erwarten, wieder so richtig loszulegen.“