Lene | Biografie

Lene

„In der Pop-Musik erwartet man von dir, ein One-Hit-Wonder zu sein – oder ein One-Album-Wonder!“

Sagt Lene Nystrom. Aber Erwartungen sind ja bekanntlich dazu da, um sie kraftvoll auf den Kopf zu stellen. Was ihr mit ebensoviel Esprit wie Frechheit zweifellos vom Start weg gelungen ist. Denn wer hatte schon etwas anderes erwartet als die nächste, knuffig-süße Pop-Prinzessin, als Nystrom mit ihrem Quartett Aqua 1997 mit „Barbie Girl“ gleich einen No.1-Hit landen konnte? Stattdessen stand da eine wunderbar sarkastische Frontfrau, die in Bondage-Hosen über die Bühnen der Smash Hits-Roadshow stürmte. Und: Es blieb nicht beim One-Hit-Wonder, die nächsten Chart-Stürmer folgten, wie „Dr. Jones“ (das auch im „Sliding Doors“-Soundtrack zu hören war), wie „Turn Back Time“ (schon die dritte No.1), wie im Jahr 2000 schließlich „Cartoon Heroes“ und damit vielleicht der Titel, der ihr Credo am besten einfängt. „Man sollte mich nicht einfach für niedlich halten“, resümiert Lene Nystrom. „Also bin ich den entgegengesetzten Weg gegangen. Ich hab‘ es immer geliebt, mich zu verkleiden, damit herumzuspielen und so ein anderes Image zu kreieren. Musikalisch wie optisch bin ich einfach keine Sklavin der Designer-Mode.“

2001 war dann Schicht für Aqua, Solo-Ambitionen und erschöpfende, weltweite Promo-Aktivitäten führten zur freundschaftlichen Trennung der Gruppe im Sommer des Jahres. Lene Nystrom nahm sich erstmal eine private Auszeit, unter anderem um ihren früheren Bandkollegen Soren Rasted zu ehelichen. Von nun an pendelte sie zwischen London und Kopenhagen. Anfang des Jahres meldete sie sich dann in der Pop-Szene zurück, als Co-Autorin des Chart-Stürmers „No Good Advice“ für Girls Aloud. Und jetzt hat Lene Nystrom auch wieder Lust, in eigener Sache laut zu werden, mit einem neuen Album, das ihre alte (also junge) Pop-Gemeinde erfreuen wird, aber auch darüber hinaus seine Anziehungskraft nicht verfehlen sollte. Schließlich ist sie gereift, als Persönlichkeit wie als Performerin, die selbstbewusst „Play With Me“ (so der Titel) fordert.

„Natürlich ist es eine Herausforderung, auf mich allein gestellt zu sein, nachdem ich so lange in einer erfolgreichen Band war“, sagt Lene Nystrom. „Zumal bei Aqua ja alles straff geregelt war. Ich musste also mehr auf mich selbst bauen, während ich mich früher in vielerlei Hinsicht einfach auf die Jungs verlassen habe. Andererseits bin ich immer eine ziemlich rastlose Person gewesen, die es beflügelt, ihr eigenes Ding machen zu können.“

Dieser Schwung lässt sich einige Jahre zurückverfolgen. Nachdem sich ihr Bühnentalent schon früh in Schulbands und Theateraufführungen gezeigt hatte, kam der Durchbruch für den Teenager Lene Nystrom, als sie die norwegische Prime-Time-Gameshow „Casino“ moderieren durfte. „Es war eine wirklich aufregende, aber auch naive Zeit für mich“, erinnert sie sich. „Mein Gott, was hab‘ ich da manchmal für furchtbare Klamotten angehabt!“ Abgesehen von optischen Fehltritten, ebnete ihr „Casino“ aber auch den Weg zur Gesangskarriere. In der Show interpretierte sie regelmäßig Randy Crawford-Klassiker fürs Studiopublikum. Außerdem traf sie dort den dänischen DJ/Sänger Rene Dif und dann lag Aqua (fast) gleich um die Ecke....

Millionen verkaufter Platten und zahllose Reisen rund um den Erdball später findet sich Lene Nystrom nun an einem Ort wieder, „von dem ich noch vor einem Jahr nicht gedacht hätte, dort zu sein.“ Denn mit „Play With Me“ hat sie sich weitgehend von der grellen Comic-Strip-Welt der Aqua-Ära verabschiedet, ohne ihren besonderen Sinn für Humor aufzugeben, der auch ihre neue Musik trägt. „Die richtige Stimmung, einen Charakter für jeden dieser Songs zu finden, war mir sehr wichtig“, erklärt sie. „Bei Aqua habe ich gelernt, dass alles mit einer tollen Melodie beginnt, persönlich liebe ich Musik, die rauh ist, Energie hat und lustige Texte. Und ich wollte sicherstellen, dass der nächste Song immer wieder eine andere Wendung bringt.“

Alle Ziele erreicht, möchte man Lene Nystrom nach dem Anhören von „Play With Me“ zurufen, das sie mit Unterstützung von Karen Poole (Alisha’s Attic) und Sugababes-Songwriter Brian Higgins realisierte. „It’s your duty – to shake your booty!“, stellt Nystrom gleich unmissverständlich klar, bevor sie mit luftigem Electro-Stomp („Bite Me“) experimentiert und durch den ungestümen Punk-Pop von „Virgin Superstar“ stürmt, eine wirklich unerhörte Geschichte über die Lust auf Ruhm. Als wenn das nicht schon überraschend genug wäre, dokumentiert sie mit „Scream“ auch noch ihre persönliche Krise der frühen Post-Aqua-Tage, ein Song, den sie gemeinsam mit Gatte Soren schrieb. Dass Dancefloor-Bedürfnisse auch nicht zu kurz kommen, ist angesichts der schönen Zeile „The bassline cuts deeper than the sharpest stiletto“ (aus „Here We Go“) vielleicht nicht ganz so überraschend. Wer allerdings vermutete, Nystroms Vocal-Repertoire habe sich mit dem „High-Pitch“ der Aqua-Tage bereits erschöpft, wird spätestens nach dem heiser-aufreizenden „Pretty Young Thing“ (gerne) umdenken. Und die völlig verdrehte Comic-Fantasie „Brown Paper Bag“ ist ja auch nicht ganz ohne.

Es ist Lene Nystroms erfrischender Sinn für puren Spaß wie reife Reflektion, der dieses waghalsige Repertoire zusammenhält. „Play With Me“ versteht sich auf die Kunst der Verführung. Nystrom neckt und streichelt und küsst sogar ein bisschen – um einen dann nur mit einem Wunsch zurückzulassen. Den, das Album gleich noch mal zu hören.